Kernkraftwerke in der Schweiz dürfen auch bei sehr schweren und seltenen Naturereignissen nur eine gewisse Menge an radioaktiven Stoffen an die Umwelt abgeben. Die Betreiber der Kernkraftwerke müssen nachweisen, dass sie die gesetzlichen Limiten einhalten.
Die Schweiz ist bezüglich schweren Erdbeben eher ein ruhiges Land. Dennoch ist nicht auszuschliessen, dass sich auch hierzulande ein sehr starkes Erdbeben ereignet. Dann ist mit nennenswerten Schäden an Gebäuden und Infrastruktur zu rechnen.
„Auch Kernkraftwerke würden bei einem sehr schweren Erdbeben in Mitleidenschaft gezogen werden“, erklärt Georg Schwarz, stellvertretender Direktor des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats ENSI und Leiter des Aufsichtsbereichs Kernkraftwerke. „Trotzdem würde ich mich bei einem solchen Erdbeben lieber in einem Kraftwerk aufhalten als in einem normalen Bürogebäude“, ergänzt er, denn die Kernkraftwerke in der Schweiz gehören zu den am besten gegen Erdbeben geschützten Einrichtungen.
Schweizer Kernkraftwerke müssen extreme Naturereignisse beherrschen
Die schweizerische Gesetzgebung schreibt vor, dass die Kernkraftwerke in der Schweiz seltene Naturereignisse wie extreme Erdbeben, extreme Hochwasser oder extreme Wetterbedingungen beherrschen müssen. Konkret heisst das, dass in einem solchen Fall nicht mehr Radioaktivität in die Umwelt gelangt als vom Gesetz her zulässig.
Bei einem Ereignis, das einmal pro 1000 Jahre vorkommt, darf die am meisten exponierte Person der Bevölkerung nicht mehr als 1 Millisievert (mSv) akkumulieren. Zum Vergleich: Die mittlere jährliche Strahlendosis der Schweizer Bevölkerung beträgt 5,5 mSv. Diese setzt sich unter anderem aus der natürlichen Strahlung des Bodens, aus dem Weltall und Lebensmitteln, aber auch von Langstreckenflügen und medizinischen Untersuchungen zusammen. „Die Strahlendosis, die bei einem 1000-jährlichen Ereignis maximal erlaubt ist, liegt weit unterhalb der Schwelle, die für Mensch und Umwelt schädlich sein könnte“, erklärt Rosa Sardella, Leiterin des Fachbereichs Strahlenschutz beim ENSI.
Bei einem Ereignis, das sich einmal pro 10‘000 Jahre ereignet, darf gemäss den Vorgaben des Gesetzgebers die am meisten exponierte Person der Bevölkerung maximal 100 mSv akkumulieren. „Auch bei einer solchen Dosis können keine deterministischen, beziehungsweise unmittelbar feststellbaren gesundheitlichen Effekte festgestellt werden; das Krebsrisiko, das heisst die Wahrscheinlichkeit für einen Schaden, steigt minim an“, erklärt Rosa Sardella.
Vorübergehende Ausserbetriebnahme bei Nichteinhalten der Dosiswerte
Die Betreiber der Kernkraftwerke müssen dies entsprechend nachweisen. „Können sie dies nicht, müssen sie ihre Anlage ausser Betrieb nehmen“, betont Georg Schwarz. Erst wenn sie die notwendigen Massnahmen umgesetzt haben, die das Einhalten der Dosiswerte gewährleisten, erhalten sie vom ENSI eine Freigabe zum Wiederanfahren.
Zuerst die Gefährdung definieren…
Um den Nachweis zu erbringen, müssen die Betreiber der Kernkraftwerke dem ENSI zuerst aufzeigen, wie die extremen Naturereignisse aussehen, die einmal pro 1000 Jahre und einmal pro 10‘000 Jahre zu erwarten sind. Das ENSI prüft diese Gefährdungsannahmen. Die Gefährdungsannahmen werden regelmässig überprüft und bei neuen Erkenntnissen angepasst.
…dann die Beherrschung nachweisen
Im zweiten Schritt müssen die Betreiber zeigen, dass ihre Anlagen diesen Gefährdungen standhalten. Das heisst nicht, dass keine Schäden an der Anlage entstehen dürfen. Es muss aber sichergestellt sein, dass die grundlegenden Schutzziele gewährleistet sind. Es sind dies:
- die Kontrolle der Reaktivität,
- die Kühlung der Brennelemente,
- der Einschluss der radioaktiven Stoffe
- und die Begrenzung der Strahlenexposition.
Um dies sicherzustellen, sind die Anlagen nicht nur robust gebaut, sondern verfügen darüber hinaus über Sicherheitssysteme, mit denen entsprechende Störfälle beherrscht werden können.