Wie bereits im letzten Teil erläutert, löst das Reaktorschutzsystem bei Überschreitung vorgegebener Grenzwerte Sicherheitsfunktionen automatisch aus. Der Operateur kann aber, falls nötig, Sicherheitsfunktionen auch manuell auslösen, bevor Grenzwerte erreicht werden.
Kontrolle der Reaktivität
Kühlung der Brennelemente
Einschluss radioaktiver Stoffe
Die Einhaltung der Schutzziele 1 bis 3 dient letztlich dem folgenden übergeordneten Schutzziel:
Begrenzung der Strahlenexposition
Schutzziel „Kontrolle der Reaktivität“
Im Leistungsbetrieb wird die Kettereaktion im Reaktor so gesteuert, dass pro gespaltenem Kern im Mittel genau ein Neutron übrigbleibt, das wiederum eine Kernspaltung auslöst. Die Regelung erfolgt bei Siedewasserreaktoren durch Steuerstäbe, die teilweise in den Reaktorkern eingefahren sind. Bei Druckwasserreaktoren erfolgt diese hauptsächlich durch Borierung des Kühlmittels, wobei auch eine Leistungsregelung durch die Steuerstäbe möglich ist. Im stationären Leistungsbetrieb ist die sogenannte Reaktivität null. Um die Leistung zu erhöhen, wird die Reaktivität vorübergehend etwas positiv, bei Leistungsreduktion leicht negativ.
Bei Störungen, die eine sofortige Unterbrechung der nuklearen Leistungserzeugung verlangen, werden Abschaltstäbe in den Reaktorkern eingeschossen (Siedewasserreaktoren) oder Abschaltstäbe fallen in den Reaktorkern ein (Druckwasserreaktoren). Damit wird die Reaktivität des Reaktors stark negativ und die Kettenreaktion wird sofort gestoppt. Diese Aufgabe übernimmt das Reaktorschnellabschaltsystem. Wichtig ist die hohe Zuverlässigkeit dieses Systems, das auch dann den Reaktor zuverlässig abschaltet, wenn der wirksamste Abschaltstab, aus welchen Gründen auch immer, nicht in den Reaktor eingeschossen wird oder einfällt. Die bisherigen Erfahrungen weltweit zeigen, dass bei Leichtwasserreaktoren die Reaktorabschaltsysteme äusserst zuverlässig funktionieren. Ein Versagen dieses Systems ist im Leistungsbetrieb bisher noch nie beobachtet worden.
Trotzdem wird bei der Konzeption von Leichtwasserreaktoren auch der Fall des Versagens des Reaktorschnellabschaltsystems unterstellt und es steht deshalb ein zweites, von den Steuerstäben unabhängiges und diversitäres Abschaltsystem zur Verfügung, das auf der Einspeisung von Borsäure in den Reaktor basiert. Dieses für das Versagen der Reaktorschnellabschaltung vorgesehene System gehört der Sicherheitsebene 4a an, weil das Versagen der Reaktorschnellabschaltung als auslegungsüberschreitender Störfall gilt.
Die 5 Ebenen der gestaffelten Sicherheitsvorsorge
Anforderungsfall: Normalbetrieb
Ziel: Vermeidung von Betriebsstörungen
Systeme, Ausrüstungen und Massnahmen: Betriebssysteme einschliesslich der erforderlichen Versorgungssysteme und Leitanlagen
Anforderungsfall: Betriebsstörungen
Ziel: Beherrschung von Betriebsstörungen
Systeme, Ausrüstungen und Massnahmen: Begrenzungssysteme einschliesslich der erforderlichen Versorgungssysteme und Leitanlagen
Anforderungsfall: Auslegungsstörfälle
Ziel: Beherrschung von Auslegungsstörfällen, sodass ein Kernschaden verhindert wird
Systeme, Ausrüstungen und Massnahmen: Sicherheits- und Notstandsysteme einschliesslich der erforderlichen Versorgungssysteme und Leitanlagen
Anforderungsfall: Auslegungsüberschreitende Störfälle ohne schweren Kernschaden
Ziel: Beherrschung bestimmter auslegungsüberschreitender Störfälle
Systeme, Ausrüstungen und Massnahmen: Notfallsysteme und Notfallausrüstungen (präventive Notfallmassnahmen)
Anforderungsfall: Auslegungsüberschreitende Störfälle mit schwerem Kernschaden
Ziel: Begrenzung der Freisetzung radioaktiver Stoffe
Systeme, Ausrüstungen und Massnahmen: Notfallausrüstungen (mitigative Notfallmassnahmen)
Anforderungsfall: Schwere Notfälle mit grösserer Freisetzung radioaktiver Stoffe in die Umgebung
Ziel: Linderung der radiologischen Auswirkungen in der Umgebung
Systeme, Ausrüstungen und Massnahmen
- Massnahmen zur Minimierung der Strahlendosis der Bevölkerung und des Personals
Dies ist der siebte von 13 Teilen zur gestaffelten Sicherheitsvorsorge. Der nächste Teil behandelt die Schutzziele 2 und 3.
Dieser Artikel wurde am 30.11.2018 aktualisiert.