Es ist an dieser Stelle wichtig darauf hinzuweisen, dass bei einem auslegungsüberschreitenden Störfall situationsspezifisch alle noch funktionierenden Systeme – Betriebs- und Sicherheitssysteme – eingesetzt werden. Dies trifft vor allem für Sicherheitssysteme zu, die über grosse Auslegungsreserven verfügen. Einige sind zudem gezielt für die Beherrschung auslegungsüberschreitender Störfälle vorgesehen. Allgemeine Massnahmen zur Beherrschung von Störfällen sollen hier speziell erwähnt werden:
- eine umfassende und robuste Anlageninstrumentierung, verknüpft mit einem Datenerfassungs- und -auswertungssystem: Damit soll sichergestellt werden, dass man jederzeit über den Anlagenzustand ausreichend informiert ist.
- umfassende Störfall- und Notfallvorschriften, damit die Operateure im Ereignisfall nach verifizierten und validierten Vorgaben vorgehen können, um die Anlage wieder in einen sicheren Zustand zu überführen
- Leitlinien zu Accident-Management-Massnahmen (sogenannte Severe Accident Management Guidance SAMG): Für den Fall, dass ein Störfall nicht auf der Sicherheitsebene 3 oder 4a abgefangen werden kann, enthalten SAMG situationsspezifische, das heisst von der aktuell vorhandenen Information und dem Zustand der Anlage abhängige Hinweise auf erfolgversprechende Massnahmen.
Auf den Sicherheitsebenen 4a und 4b wirkende technische Massnahmen sind meist anlagespezifisch.
Einige wichtige auslösende Ereignisse für auslegungsüberschreitende Störfälle, welche ohne schweren Kernschaden auf der Sicherheitsebene 4a beherrscht werden müssen, sind zum Beispiel:
- Versagen der Reaktorschnellabschaltung (Anticipated Transient without Scram, ATWS) bei Ausfall der Eigenbedarfsversorgung (Notstromfall)
- Funktionsuntüchtigkeit des Hauptkommandoraums
- lang andauernder Verlust der primären Wärmesenke
- Totalausfall der Wechselstromversorgung (Total Station Blackout)
Zu den technischen Massnahmen auf Sicherheitsebene 4b zum Schutz des Containments vor Überdruckversagen gehört die gefilterte Druckentlastung (Venting). Eine gefilterte Druckentlastung muss von Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung auf Sicherheitsebene 5 begleitet werden.
Die 5 Ebenen der gestaffelten Sicherheitsvorsorge
Anforderungsfall: Normalbetrieb
Ziel: Vermeidung von Betriebsstörungen
Systeme, Ausrüstungen und Massnahmen: Betriebssysteme einschliesslich der erforderlichen Versorgungssysteme und Leitanlagen
Anforderungsfall: Betriebsstörungen
Ziel: Beherrschung von Betriebsstörungen
Systeme, Ausrüstungen und Massnahmen: Begrenzungssysteme einschliesslich der erforderlichen Versorgungssysteme und Leitanlagen
Anforderungsfall: Auslegungsstörfälle
Ziel: Beherrschung von Auslegungsstörfällen, sodass ein Kernschaden verhindert wird
Systeme, Ausrüstungen und Massnahmen: Sicherheits- und Notstandsysteme einschliesslich der erforderlichen Versorgungssysteme und Leitanlagen
Anforderungsfall: Auslegungsüberschreitende Störfälle ohne schweren Kernschaden
Ziel: Beherrschung bestimmter auslegungsüberschreitender Störfälle
Systeme, Ausrüstungen und Massnahmen: Notfallsysteme und Notfallausrüstungen (präventive Notfallmassnahmen)
Anforderungsfall: Auslegungsüberschreitende Störfälle mit schwerem Kernschaden
Ziel: Begrenzung der Freisetzung radioaktiver Stoffe
Systeme, Ausrüstungen und Massnahmen: Notfallausrüstungen (mitigative Notfallmassnahmen)
Anforderungsfall: Schwere Notfälle mit grösserer Freisetzung radioaktiver Stoffe in die Umgebung
Ziel: Linderung der radiologischen Auswirkungen in der Umgebung
Systeme, Ausrüstungen und Massnahmen
- Massnahmen zur Minimierung der Strahlendosis der Bevölkerung und des Personals
Dies ist der zehnte von 13 Teilen zur gestaffelten Sicherheitsvorsorge. Der nächste Teil behandelt den anlageexternen Notfallschutz.
Dieser Artikel wurde am 3.12.2018 aktualisiert.