Am 15. September 2022 fand am ENSI-Sitz in Brugg die 52. Sitzung des Technischen Forums Sicherheit (TFS) zur Beantwortung von Fragen rund um das geologische Tiefenlager für radioaktive Abfälle statt. Parallel zur Verabschiedung der Antworten zum Quellverhalten von Bentonit (TFS-Frage 159) und zur Verifizierung und Falsifizierung von Modellen (TFS-Frage 161) lag der Fokus dieser Sitzung auf dem Thema Erosion und Landschaftsentwicklung in der Nordschweiz (TFS-Frage 160). Zusammen mit den Aspekten Nutzungskonflikte, technische Barrieren, Grundwasser, Tektonik und Gastransport gehört der Aspekt der Erosion zum Themenblock der Langzeitsicherheit eines Tiefenlagers für radioaktive Abfälle.
Fritz Schlunegger, Professor am Institut für Geologie der Universität Bern und Mitglied der Expertengruppe Geologische Tiefenlagerung des ENSI, erklärte zur Erosion in der Nordschweiz: «Der Grund für die Umlenkung des Alpenrheins nach Westen, weg von der Donau in Richtung Nordsee, ist nicht im Detail bekannt. Diese Umlenkung hatte aber eine deutliche Verkürzung der Flusslänge zur Folge, und damit eine bedeutende Absenkung der Erosionsbasis im schweizerischen Mittelland und eine Ablenkung weiterer Flüsse. Das heutige Rheintal in der Schweiz wird langfristig breiter werden, der Rhein fliesst dabei aber über grössere Strecken innerhalb älterer Schotter, was darauf hindeutet, dass die Phase der schnellen Absenkung der Erosionsbasis als Folge der damaligen Umlenkung des Rheins weitgehend abgeschlossen ist.»
Auch die Gletscher als zweiter wichtiger Erosionsfaktor neben den Flüssen wurden von Professor Schlunegger angesprochen: «Die Erosionsleistung eines Gletschers nimmt mit der Eisdicke exponentiell zu. Deshalb führte der Wechsel des Klimas vor ungefähr 800 000 Jahren, als die alpinen Gletscher sehr dick wurden, zu einer deutlichen Zunahme der glazialen Erosion in den alpinen Tälern, insbesondere während der Eiszeiten und des Vorstosses der grossen Talgletscher. Mit diesen Vorstössen war eine Phase der Aufschotterung im Vorland verbunden, insbesondere auch in der Nordschweiz. Es erstaunt daher nicht, dass die Flüsse im Vorland bis heute mit ihrer Erosion die viel früher gebildeten und teilweise wieder mit Schottern aufgefüllten Täler noch nicht wieder ausgeräumt haben, sondern streckenweise noch ältere Schotter durchfliessen.»
Die 53. TFS-Sitzung findet Mitte November 2022 am Sitz des ENSI in Brugg statt.