Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI ordnet dieses Vorkommnis der Stufe 1 der internationalen Ereignisskala zu. Es prüft derzeit die Unterlagen und Massnahmen, die das KKL vergangene Woche eingereicht hat.
2015 hat das Kernkraftwerk Leibstadt nach einer umfangreichen Ursachenanalyse festgestellt, dass ein Brennstabschaden aus dem Jahr 2014 auf Dryout zurückzuführen ist. Bei einem Dryout sind die Brennstäbe nicht mehr vollständig mit einem Wasserfilm bedeckt, da das Wasser bereits in Dampf übergegangen ist. Solche „trockenen“ Stellen heizen sich stark auf und oxidieren daher stärker.
In der Folge ergriff das Kernkraftwerk Leibstadt für den Zyklus 2015/2016 Massnahmen, um solche Dryouts zu verhindern. Bei der Inspektion der Brennelemente in der Jahresrevision 2016 wurden jedoch erneut stärker oxidierte Stellen an Brennstäben entdeckt, die durch Dryout verursacht worden sind. Seither steht das Kernkraftwerk Leibstadt still.
Insgesamt besteht der Kern des KKL aus 648 Brennelementen mit – abhängig vom Brennelementtyp – je 91 beziehungsweise. 96 Brennstäben. Im Rahmen der Ursachenanalyse wurden über 200 Brennelemente mit fast 20‘000 Brennstäben aus verschiedenen Zyklen inspiziert. Dabei wurden 47 Brennelemente mit Befunden entdeckt und festgestellt, dass es offenbar ab dem Zyklus 2012/2013 zu Dryouts gekommen ist. Die Befunde weisen eine Länge von bis zu 26 Zentimetern auf. Die Brennstäbe in Leibstadt sind rund 410 Zentimeter lang.
Keine Gefährdung der Umwelt
Die Befunde an den Brennelementen, die 2016 festgestellt wurden, führten nicht zu einer Freisetzung von radioaktiven Stoffen in den Kühlkreislauf und es wurden dementsprechend keine radiologischen Grenzwerte überschritten. Es kam auch nicht zu einem Ansprechen von Sicherheitseinrichtungen. Die sicherheitstechnische Bedeutung des Vorkommnisses wird jedoch gesamthaft als wesentlich für die nukleare Betriebsführung eingestuft. Aus diesem Grund ordnet das ENSI das systematische Auftreten des Dryouts der Stufe 1 (Anomalie) der internationalen Ereignisskala zu.
Damit das Kernkraftwerk Leibstadt wieder anfahren darf, müssen die Kernauslegung und der Reaktorbetrieb gewährleisten, dass ein Dryout bei Normalbetrieb, Betriebsstörungen und bei Auslegungsstörfällen der Kategorien 1 und 2 sicher ausgeschlossen werden kann.
ENSI prüft Unterlagen
Mitte Dezember hat das Kernkraftwerk einen Bericht dazu eingereicht, der zusammen mit weiteren eingereichten Betreiberunterlagen nun vom ENSI geprüft wird. Zur Beurteilung des Sachverhalts bindet das ENSI verschiedene Experten ein und tauscht sich auch international dazu aus. Ferner hat sich das ENSI im Rahmen von Inspektionen und Fachgesprächen laufend über die Arbeiten des KKL informiert.
Andere Schweizer Anlagen bisher nicht betroffen
Ob dieses Vorkommnis auch in anderen Siedewasserreaktoranlagen vorkommen kann, kann auf der Basis der derzeit vorliegenden Erkenntnisse nicht beantwortet werden. Bisher wurden bei der Inspektion der Brennelemente im Kernkraftwerk Mühleberg keine Hinweise auf eine erhöhte Oxidation der Brennstabhüllrohre als Folge eines Dryouts festgestellt.
Eine Übertragbarkeit auf Druckwasserreaktoranlagen – Gösgen und Beznau – besteht aufgrund der unterschiedlichen Betriebsweisen von Siede- und Druckwasserreaktoren nicht.