Das ENSI schlägt Nördlich Lägern zur weiteren Untersuchung vor
Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI hat den Vorschlag der Nagra zur Einengung der Standortgebiete in Etappe 2 des Sachplanverfahrens geprüft. Es stimmt dem Vorschlag der Nagra zu, dass die beiden Standortgebiete Zürich Nordost und Jura Ost in Etappe 3 des Sachplanverfahrens weiter zu untersuchen sind. Im Unterschied zur Nagra beurteilt das ENSI die Zurückstellung des Standortgebiets Nördlich Lägern unter Berücksichtigung der bestehenden Ungewissheiten als nicht robust begründet. Deshalb schlägt das ENSI dieses Standortgebiet zusätzlich für die weitere Untersuchung in Etappe 3 vor.
Das Bundesamt für Energie BFE beauftragte das ENSI, die eingereichten technischen Berichte, mit denen die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle Nagra ihre Vorschläge begründet, detailliert zu prüfen und das Ergebnis in einem Gutachten festzuhalten. Das ENSI hat seine Analysen in Zusammenarbeit mit der Expertengruppe Geologische Tiefenlagerung EGT und weiteren externen Experten nun abgeschlossen und wird bis zum Frühjahr 2017 sein Gutachten fertigstellen. Das BFE hat in Absprache mit dem ENSI entschieden, das Begutachtungsresultat vorzeitig bekannt zu geben.
„Der Vorschlag der Nagra in Etappe 2 des Sachplans geologische Tiefenlager ist überwiegend nachvollziehbar und belastbar – das heisst, die Bewertung der Nagra ist unter Berücksichtigung der bestehenden Ungewissheiten gültig“, hält ENSI-Direktor Hans Wanner fest. Die Dokumentation der Nagra ist umfangreich und alle für den Vorschlag relevanten Themen wurden berücksichtigt und detailliert untersucht. Insbesondere begrüsst das ENSI die Vorgehensweise der Nagra bei der Überarbeitung der geomechanischen Grundlagen und Unterlagen im Rahmen der Nachforderung des ENSI.
Nach den Vorgaben des ENSI hat die Nagra in Etappe 2 des Sachplan geologische Tiefenlager für den Vorschlag von mindestens zwei Standortgebieten je für hochaktive Abfälle HAA sowie schwach- und mittelaktive Abfälle SMA zu zeigen, dass ihre sicherheitstechnischen Aussagen unter Berücksichtigung der bestehenden Variabilitäten und Ungewissheiten in Daten und Prozessen belastbar sind. Es können nur Standortgebiete zurückgestellt werden, falls folgende Fragen mindestens einmal mit „Ja“ beantwortet werden:
Erfüllen Standortgebiete das Dosis-Schutzkriterium nicht?
Sind Standortgebiete aufgrund der Ergebnisse der Dosis-Berechnungen eindeutig weniger geeignet?
Sind die Gesamtbewertungen der Standortgebiete schlechter als „geeignet“?
Können bei Standortgebieten anhand der Kriterien zur Sicherheit und technischen Machbarkeit belastbare eindeutige Nachteile gegenüber anderen Standortgebieten festgestellt werden?
Zurückstellung von Nördlich Lägern nicht belastbar
Das ENSI kommt in einzelnen Punkten zu einer Beurteilung, die von jener der Nagra abweicht. Es wird dies ausführlich im Gutachten dokumentieren. Diese Abweichungen betreffen unter anderem die Beurteilung der maximalen Tiefenlage und des Platzangebots die eine besondere Relevanz für die Beurteilung des Standortgebiets Nördlich Lägern haben.
„Wir sind zum Schluss gekommen, dass hier die Beurteilung der Nagra nicht belastbar ist“, erklärt Hans Wanner. „Unsere Vorgaben legen fest, dass ein möglicherweise geeigneter Standort nicht aufgrund einer allenfalls noch unvollständigen Datengrundlage frühzeitig aus dem Verfahren ausscheiden darf. Aus diesem Grund empfehlen wir, Nördlich Lägern in der dritten Etappe weiter zu untersuchen.“
Bei der Zurückstellung der Standortgebiete Südranden, Jura-Südfuss und Wellenberg und für den Weiterzug der Standortgebiete Zürich Nordost und Jura Ost stimmt das ENSI mit der Nagra überein.
Hans Wanner betont aber auch: „Kein Gebiet ist aus Sicht des ENSI zum gegenwärtigen Zeitpunkt den anderen vorzuziehen. Das ENSI wird nach Vorliegen der zukünftigen Untersuchungen in Etappe 3 ergebnisoffen prüfen.“
Das ENSI bewerten den Weg zur Beurteilung der maximalen Tiefenlage im Hinblick auf die bautechnische Machbarkeit, den die Nagra umfassend beschritten hat, als stufengerecht und nachvollziehbar. Die verfügbare experimentelle Datenbasis ist derzeit klein. Daher bestehen grosse Ungewissheiten bezüglich der Quantifizierung der geomechanischen Parameter.
Unter Berücksichtigung der Ungewissheiten leitet die Nagra drei Gebirgsmodelle (GMmax, GMref, GMmin) mit unterschiedlichen geomechanischen Parametersätzen für den Opalinuston ab, die richtigerweise ein breites Spektrum abdecken. Die Nagra trifft die Annahme, dass der Datensatz des Gebirgsmodells GMmin (ungünstige Gebirgseigenschaften) den massgebenden Datensatz für die Beurteilung der maximalen Tiefenlage im Hinblick auf die bautechnische Machbarkeit in den Standortgebieten darstellt.
Aus Sicht des ENSI ist diese Annahme nach heutigem Stand der Kenntnisse bezüglich der effektiven Festigkeiten und der Steifigkeiten zu konservativ für den Opalinuston in den Standortgebieten. Ausserdem schliesst die Nagra einen grossen Teil der Bandbreite der geomechanischen Parameter aus, die durch die drei Gebirgsmodelle gegeben ist, indem sie das Gebirgsmodell GMmax als nicht relevant bezeichnet. Dadurch wird der Einfluss der Tiefenlage im Vergleich zum Einfluss der Bandbreite der geomechanischen Parameter stark überschätzt.
Generell bestätigt das Vorgehen der Nagra, unter Einbezug überwiegend konservativer geomechanischer Grundlagen und vereinfachter Berechnungsannahmen, die bautechnische Machbarkeit in allen diskutierten Standortgebieten. Das ENSI beurteilen die dazu verwendeten technisch-wissenschaftlichen Grundlagen im Sinne von rein bautechnischen Machbarkeitsüberlegungen als ausreichend.
Für die quantitative Beurteilung der Tiefenlage und für den Nachweis eindeutiger Nachteile eines Standortgebietes aus bautechnischer Sicht ist die verwendete geologisch-geotechnische Grundlage jedoch nicht ausreichend belastbar. Dazu zählen insbesondere die Annahmen zu den geomechanischen Parametern der Gebirgsmodelle und deren Zuordnung auf die einzelnen Standortgebiete und Tiefenlagen (Annahme des ungünstigsten Parametersatzes GMmin für ein gesamtes Standortgebiet).
Aufgrund der wenigen belastbaren felsmechanischen Daten des Opalinustons in der Nordschweiz und der überkonservativen Annahmen der Nagra stimmt das ENSI den Schlussfolgerungen der Nagra zur Begrenzung der Tiefenlage auf 600 m beziehungsweise 700 m unter Terrain für SMA- beziehungsweise HAA-Lager nicht zu. Aus den eingereichten Unterlagen und aus den durchgeführten felsmechanischen Berechnungen und Betrachtungen können keine eindeutigen Nachteile für die Standortgebiete in der Nordschweiz bezüglich der Tiefe der Lagerebene identifiziert werden.
Das ENSI sieht die bautechnische Machbarkeit eines Lagers für hochaktive Abfälle HAA beziehungsweise eines für schwach- und mittelaktive Abfälle SMA in der Nordschweiz bis zu einer Tiefe der Lagerebene von 900 m beziehungsweise 800 m unter Terrain basierend auf den aktuellen Daten als gegeben an. Diese Tiefen entsprechen den Mindestanforderungen aus Etappe 1
Unterlagen 2015 zur Prüfung eingereicht
Die Nagra hatte im Januar 2015 bei den Bundesbehörden ihren Vorschlag von mindestens zwei Standortgebieten pro Lagertyp in Etappe 2 eingereicht. Sowohl für Lager für schwach- und mittelaktive Abfälle SMA als auch hochaktive Abfälle HAA hat die Nagra die beiden Standortgebiete Zürich Nordost (Kanton Zürich) und Jura Ost (Kanton Aargau) vorgeschlagen. Gleichzeitig schlug die Nagra vor, die vier Standortgebiete für das SMA-Lager in Nördlich Lägern, Südranden, Jura-Südfuss und Wellenberg und das Standortgebiet Nördlich Lägern für das HAA-Lager aufgrund eindeutiger Nachteile zurückzustellen.
Im November 2015 forderte das ENSI weitere Unterlagen, welche die Nagra im August 2016 einreichte. Darin bestätigte die Nagra ihren Vorschlag, das Standortgebiet Nördlich Lägern auf Grund eindeutiger Nachteile bezüglich des Platzangebots und der maximalen Tiefenlage zurückzustellen.
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