Potenzielle Nutzungskonflikte sind vom ENSI als mögliches Problem für geologische Tiefenlager bereits identifiziert worden und werden entsprechend als Kriterium im Standortauswahlverfahren berücksichtigt.
Nutzungskonflikte können aus Sicht des ENSI mittelfristig mit administrativen Massnahmen vermieden werden. „Für die Langzeitsicherheit müssen wir aber anhand der heutigen Kenntnisse die potentiellen Nutzungskonflikte in den Standortgebieten sorgfältig beurteilen“, betont Michael Wieser, Leiter des Aufsichtsbereichs Entsorgung beim ENSI. Die Nagra muss dazu die nutzbaren Ressourcen wie Wasser, fossile Brennstoffe und Geothermie, identifizieren und bei der Bewertung der Standortgebiete berücksichtigen.
Prognosen über künftige Nutzungen seien umso schwieriger, je weiter man in die Zukunft blicke, sagte Michael Wieser weiter. Er weist darauf hin, dass aber nicht nur die Ungewissheit zunehme, sondern im Gegenzug die Radioaktivität des Abfalls im Tiefenlager und damit dessen Gefahrenpotenzial abnehme.
Experten sehen kein grundsätzliches „No-Go“
Aus Sicht von swisstopo-Experte Paul Bossart, Direktor des Mont Terri-Projektes, werden die Nutzungskonflikte im Sachplan geologische Tiefenlager klar angesprochen. Er schliesst Nutzungskonflikte nicht aus, sieht darin aber kein grundsätzliches „No-Go“ für ein Tiefenlager.
Der Geologe Walter Wildi wies anlässlich der TFS-Sitzung erneut darauf hin, dass Kohlewasserstoffvorkommen im Permokarbontrog unterhalb der meisten Standortgebiete für hochaktive Abfälle vorhanden sind. Diese stellen aus seiner Sicht eine potenzielle Gefährdung dar. Würden die Kriterien zur Gesteinsdeformation, der geologischen Aktivität und den Georessourcen berücksichtigt, verbliebe bei der Standortwahl allenfalls eine Region in der Ostschweiz.
Permokarbontrog für ENSI bereits länger ein Thema
Michael Wieser begrüsste die Ausführungen: „Wir sind froh, dass Experten die Standortsuche für Tiefenlager kritisch begleiten.“ Bereits die Hauptabteilung für die Sicherheit von Kernanlagen HSK, die Vorgängerorganisation des ENSI, hat die Relevanz des Permokarbontrogs erkannt. Dieser stellt eine mögliche Bruchzone 500 Meter unterhalb des Opalinustons dar. In Etappe 1 des Sachplans geologische Tiefenlager ist die Nagra deshalb bei der Auswahl von geeigneten Standortgebieten jenen Gebieten ausgewichen, die über den Trogrändern tektonisch beansprucht sind. Die Trogränder und Störungen darüber definieren zum Teil die Grenzen der Standortgebiete.
Das ENSI hat 2010 bei seiner Beurteilung in Etappe 1 des Sachplanverfahrens erkannt, dass die Standortgebiete von Nutzungskonflikten betroffen sein können. Die Nuklearaufsichtsbehörde bewertete diese potenziellen Konflikte aber nicht als Grund, um die Standortgebiete, die von der Nagra über dem Permokarbontrog vorgeschlagen wurden, in Etappe 1 aus dem Auswahlverfahren auszuscheiden.
Die weiteren Untersuchungen im Rahmen des Sachplans geologische Tiefenlager ermöglichen es, die Standortgebiete besser zu charakterisieren. „Dabei werden wir auch die Aspekte der möglichen Nutzungskonflikte weiter evaluieren“, betonte Michael Wieser.