Das Gesetz verlangt die Berücksichtigung der Möglichkeit einer Rückholung ohne grossen Aufwand bis zum Verschluss des Lagers. Lager und Betrieb sind so auszulegen, dass eine Rückholung bis zum Verschluss möglich bleibt und die Funktionstüchtigkeit der eingesetzten Technik zur Rückholung von Abfallgebinden ist vor der ersten Einlagerung nachzuweisen. Unter erhöhtem Aufwand bleibt die Rückholung auch nach dem Verschluss grundsätzlich möglich, wenn Lager und eingelagerte Abfälle sinnvoll markiert sind und die Information über das Lager dokumentiert und archiviert ist. Ziel des in der schweizerischen Kernenergiegesetzgebung dargestellten Entsorgungskonzepts ist aber ein verschlossenes Tiefenlager im geologischen Untergrund, dessen geologische Umgebung langfristig den Schutz von Mensch und Umwelt garantiert.
Die kurze Antwort ist, dass die Rückholung nach dem Verschluss des Lagers gesetzlich bewusst nicht vorgesehen ist. Das schweizerische Lagerkonzept sieht eine Rückholbarkeit „ohne grossen Aufwand“ vor, d. h. bis zum Verschluss des Lagers. Für ein geologisches Tiefenlager wird die Betriebsbewilligung nur erteilt, wenn, unter anderem, die Rückholung der radioaktiven Abfälle bis zu einem allfälligen Verschluss ohne grossen Aufwand möglich ist (Art. 37 KEG). Vor Inbetriebnahme des Tiefenlagers, d.h. vor der Einlagerung der ersten Abfälle sind die sicherheitsrelevanten Techniken zur Rückholung zu erproben und deren Funktionstüchtigkeit nachzuweisen, darunter auch das Entfernen des Verfüllmaterials zwecks allfälliger Rückholung von Abfallgebinden sowie die Technik zur Rückholung von Abfallgebinden (Art. 65 KEV). Dazu müssen gemäss Richtlinie ENSI-G03 insbesondere die Abfallgebinde so ausgelegt werden, dass sie mindestens bis zum Ende der Beobachtungsphase ohne grossen Aufwand rückgeholt werden können.
Die Möglichkeit der Rückholung stützt sich im Gesetz auf die Erkenntnisse, die vor und während der Beobachtungsphase im Pilotlager und in den Testbereichen gewonnen werden. Die dortigen Experimente und Überwachungen und die daraus gewonnenen Daten bilden die Basis dafür, dass entweder rückgeholt oder das Lager endgültig verschlossen wird. Nach Art. 39 KEG ordnet der Bundesrat nach Ablauf der Beobachtungsphase die Verschlussarbeiten an, wenn der dauernde Schutz von Mensch und Umwelt gewährleistet ist. Die gewonnenen Daten müssen bestätigen, dass das Lager langfristig sicher sein wird. Gelingt dies nicht, müssen Teile der Abfälle oder alle Abfälle rückgeholt werden.
Auch nach dem Verschluss des Lagers ist eine Rückholung weiterhin grundsätzlich möglich. Aufgrund der verfüllten und versiegelten Zugangsbauwerke (Schächte/Rampen) ist dann aber ein deutlich höherer Aufwand notwendig. Solange zum geologischen Tiefenlager entsprechende Information vorliegt (insbesondere aufgrund der gesetzlich geforderten Markierung, der Dokumentierung und Archivierung), ist die Möglichkeit einer Rückholung gegeben. Das Gesetz macht jedoch darüber hinaus keine Vorgaben, da mit dem geologischen Tiefenlager langfristig die Sicherheit passiv mit einem natürlichen System gewährleistet werden soll, da die menschliche Gesellschaft diese Verantwortung langfristig nicht übernehmen kann.
Direkt nach dem Verschluss des Lagers wird nur noch eine stark eingeschränkte Überwachung, d.h. langfristig nur von der Oberfläche aus, möglich sein. Damit fehlt für die Zeitperiode nach dem Lagerverschluss auch eine fundierte Datengrundlage für einen Beschluss, die Abfälle rückzuholen. Aufgrund der aktuell vorgesehenen Lagerauslegung sind erste radiologische Konsequenzen an der Oberfläche erst viele tausend Jahre nach Lagerverschluss vorstellbar. Zu dieser Zeit ist damit zu rechnen, dass aufgrund der Korrosion der Behälter und der Ausbreitung der radioaktiven Stoffe im Untergrund eine Rückholung nicht nur die Behälter, sondern auch deren geologisches Nahfeld betreffen würde. Dannzumal wäre der überwiegende Teil der Radioaktivität bereits abgeklungen.