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Technisches Forum Sicherheit

Frage 66: Überwachung nach Verschluss

Warum soll das Lager nach dem Verschluss nicht dauerhaft überwacht werden?

  1. Gemäss Kernenergiegesetz Art. 39, Abs. 3: «Nach ordnungsgemässem Verschluss kann der Bundesrat eine weitere, befristete Überwachung anordnen.» ist eine Überwachung nach dem Verschluss nur optional vorgesehen. Bei den Berechnungen für den Entsorgungsfonds wird davon ausgegangen, dass diese Überwachung 50 Jahre dauern wird. Dauert sie länger, ist die Finanzierung nicht gesichert.
  2. Ausserdem ist heute völlig unklar, ob und wie eine solche hoch komplexe Überwachung technisch machbar ist: Gibt es Sonden, die länger als ein paar Jahre oder Jahrzehnte einsetzbar sind? Welche Methoden stören den natürlichen Verschliessmechanismus des Gesteins nicht?
Thema Bereich
Eingegangen am 9. Februar 2012 Fragende Instanz SES | Bürgermeister Laufenburg (D)
Status beantwortet
Beantwortet am 19. Juni 2013 Beantwortet von ,

Beantwortet von ENSI

b)

Die Überwachungstechnik ist in steter technischer Entwicklung. Das ENSI verfolgt internationale Forschungs- und Entwicklungsprojekte, wird sich aber erst nach Abschluss dieser Projekte dazu äussern. Klar ist, dass die Überwachungsmassnahmen nicht die Langzeitsicherheit eines geologischen Tiefenlagers beeinträchtigen dürfen.

Die Entwicklung geeigneter Monitoringkonzepte und Messtechniken zur Überwachung geologischer Tiefenlager ist Gegenstand des gegenwärtig laufenden internationalen EU-Forschungsprojektes (MoDeRn = Monitoring Developments for Safe Repository Operation and Staged Closure), an welchem sich 18 Organisationen (u.a. ETH Zürich und Nagra) aus 12 Ländern beteiligen. Das MoDeRn-Projekt wird 2013 einen auf internationaler Basis breit abgestützten Bericht zum Thema Monitoringkonzepte und innovative Monitoringtechnologien liefern und wird deshalb seitens ENSI eng begleitet. Die Ergebnisse fliessen in das Agneb-Forschungsprojekt „Monitoringkonzept und –einrichtungen“ ein, das vom ENSI geleitet wird. Dieses Projekt beschäftigt sich mit allen Schritten der Überwachung eines geologischen Tiefenlagers, angefangen bei einer dem Bau eines Felslabors vorangehenden Umweltüberwachung (Erfassung der ungestörten Umweltbedingungen = Nullmessung), dann der Messung der durch den Bau des Lagers hervorgerufenen Veränderungen (Beweissicherung Umwelt und Grundwasser) bis hin zu Untersuchungen der sicherheitsrelevanten Eigenschaften des Wirtgesteins und der technischen Barrieren in den Testbereichen sowie zur Überwachung des Pilotlagers, mit welchem in der Beobachtungsphase die zeitliche Entwicklung und Wirksamkeit des Barrierensystems des Tiefenlagers aufzuzeigen ist. Das Pilotlager und die Testbereiche (Felslabor) haben damit die Funktion, den Sicherheitsnachweis zu überprüfen und die erforderlichen Grundlagen zum Entscheid über den endgültigen Verschluss des Tiefenlagers zu liefern. Mit dem Agneb-Forschungsprojekt will sich das ENSI einen möglichst breiten und vollständigen Überblick über mögliche Monitoringkonzepte und Messtechniken verschaffen und Entscheidungsgrundlagen erarbeiten, die für die spätere Festlegung der Anforderungen an die Überwachung eines Pilotlagers erforderlich sind.

Das ENSI wird zu einem späteren Zeitpunkt im Rahmen der Sitzungen des Technischen Forums Sicherheit bzw. im Rahmen seines jährlich veröffentlichten Erfahrungs- und Forschungsberichts über die Ergebnisse aus dem internationalen MoDeRn-Projekt berichten. Dannzumal soll auch das Anliegen der SES, inwiefern nach Verschluss aus sicherheitstechnischen Gründen ein Monitoring stattfinden muss, erneut aufgenommen werden. Dannzumal liesse sich auch die Frage beantworten, welche Fragestellungen zum Monitoring im Moment noch nicht geklärt sind bzw. grosse Herausforderungen für zukünftige Forschung und Entwicklung darstellen.

Erfahrungen über Messtechniken in Tongesteinsformationen gibt es bereits heute durch umfangreiche Forschungsarbeiten in verschiedenen Felslaboratorien (Felslabor HADES, Bure, Mont Terri). Dabei wurden thermische, hydraulische, mechanische, chemische, biologische und radiologische Prozesse und Kombinationen dieser Prozesse untersucht. Gemessene Parameter waren vor allem der Porenwasserdruck, die totale Gebirgsspannung, die Temperatur, Deformationen/Verschiebungen, die Wassersättigung und die relative Luftfeuchtigkeit. Umfassendere Erfahrungen liegen aus dem belgischen Felslabor HADES vor, wo gewisse Experimente bereits über 25 Jahre lang laufen. Die Frage der Langzeitbeständigkeit von Messsonden ist auch ein zentrales Thema im Felslabor Mont Terri. In der Zeitspanne von 1996 – 2012 wurden im Felslabor Mont Terri insgesamt 11 Langzeitexperimente gestartet, wovon erst 2 davon abgeschlossen sind. Die Installation der Sensoren kann „vor Ort“ (innerhalb des eigentlichen Experimentes) oder „extern“ (über Beobachtungsbohrungen) erfolgen. Für vor Ort eingebaute oder sogenannte „verlorene“ Sensoren ist kein Unterhalt möglich. Im Mont Terri sind deshalb die meisten Sensoren extern installiert. Diese funktionieren nach Aussage von Paul Bossart, Leiter des Felslabors Mont Terri, zu 99 % über mindestens 10 Jahre und können relativ einfach ausgetauscht werden. Neu werden auch fiberoptische Sensoren getestet. Insbesondere hinsichtlich der Alterung bei höheren Temperaturen müssen aber erst Erfahrungen gesammelt werden. Das ENSI führt zusammen mit der swisstopo ein entsprechendes Experiment durch. Bei der Glasfasertechnik rechnet man damit, dass sie über mehrere Dekaden funktionieren kann.

Zur im Technischen Forum Sicherheit aufgeworfenen Frage nach der Überwachung von Lucens (zurückgebauter havarierter Versuchsreaktor) kann festgehalten werden, dass Lucens seit dem Bundesratsentscheid vom 3. Dezember 2004 nicht mehr dem Kernenergiegesetz untersteht und somit das Bundesamt für Gesundheit (BAG) für die Überwachung der Radioaktivität in der Umwelt zuständig ist und seit 1995 dort ein Messprogramm durchführt. Die vom BAG durchgeführte Überwachung bestand bis Anfang 2012 im Wesentlichen aus der regelmässigen Analyse von Wasserproben aus verschiedenen Kontrollstellen in und ausserhalb der Anlage. Ab 2012 ist in gewissen Proben aus der Anlage eine Zunahme der Konzentration von H3 (Tritium) (bis zu 230 Bq/l) festzustellen, worauf das BAG beschloss, die Anlage intensiver zu überwachen. Die maximalen Tritium-Konzentrationen liegen insgesamt weit unter dem Immissionsgrenzwert von 12‘000 Bq/l, der in der StSV für Tritium in öffentlich zugänglichen Gewässern festgelegt ist.

Beantwortet von BFE

a)

Ein Lager soll nach Verschluss nicht dauerhaft überwacht werden, weil dies nicht notwendig ist: Die Sicherheit und damit der Schutz von Mensch und Umwelt muss allein durch passive Barrieren (Behälter, einschlusswirksamer Gebirgsbereich, Verfüllung der Stollen bzw. Kavernen und der unterirdischen Zugangsbauwerke, Versiegelungsstrecken) gewährleistet sein. Es entspricht zudem dem Willen des Gesetzgebers, dass mit dem Verschluss und nach Ablauf der Überwachungsfrist die Aufgabe einer sicheren Entsorgung von radioaktiven Abfällen, welche heute anfallen, erfüllt ist und nicht weiteren Generationen überwälzt wird.

Die Frage nach einer sicheren Lagerung von radioaktiven Abfällen wurde in der Schweiz lange und intensiv diskutiert. Zur Klärung dieser Frage setzte das 1999 die «Expertengruppe Entsorgungskonzepte für radioaktive Abfälle (EKRA)» ein, die den Auftrag erhielt, Grundlagen zu erarbeiten, um die zur Debatte stehenden Entsorgungskonzepte zu vergleichen. Die EKRA kam zum Schluss, dass einzig die geologische Tiefenlagerung den erforderlichen langfristigen Schutz von Mensch und Umwelt gewährleisten kann. Sie entwickelte das Konzept der «kontrollierten geologischen Langzeitlagerung». Aus Sicherheitsüberlegungen wäre ein möglichst rascher Verschluss eines Lagers wünschbar. Die gesellschaftliche Forderung nach Reversibilität und Überwachung steht jedoch im Widerspruch dazu. Das EKRA-Konzept verbindet diese beiden Ansprüche, indem die geologische Tiefenlager der radioaktiven Abfälle schrittweise erreicht wird. Vor dem Verschluss des Lagers sind eine längere Beobachtungsphase sowie der Betrieb eines Pilotlagers vorgesehen. Kontrolle, Unterhalt und erleichterte Rückholung sind somit während mehreren Generationen möglich. Das EKRA-Konzept ist international anerkannt und wurde als «geologische Tiefenlager» in das Kernenergiegesetz vom 21. März 2003 (KEG; SR 732.1) aufgenommen. Mit der «Kann-Bestimmung» im KEG wird ein Kompromiss eingegangen: «Nach ordnungsgemässem Verschluss kann der Bundsrat eine weitere, befristete Überwachung anordnen.» (Art. 39 Abs. 3 KEG).

Die Dauer der Beobachtungsphase ist im KEG nicht festgelegt. Der Verschluss des Lagers muss bei Beginn der Beobachtungsphase vorbereitet sein (Art. 39 KEG) und das Lager jederzeit verschlossen werden können. Der Bundesrat ordnet den Verschluss erst an, wenn der dauernde Schutz von Mensch und Umwelt gewährleistet ist. Die tatsächliche Beobachtungsphase kann sowohl kürzer als auch länger ausfallen. Als Berechnungsgrundlage für die Entsorgungskosten wurde in der Stilllegungs- und Entsorgungsfondsverordnung vom 7. Dezember 2007 (SEFV; SR 732.17) für die Beobachtungsphase eine Zeitdauer von 50 Jahren angenommen (Art. 3 Abs. 2 Bst. c SEFV). Die Kosten für die Verschlussarbeiten werden bei einer längeren Beobachtungsdauer wegen der Teuerung höher ausfallen. Gleichzeitig wird das Fondskapital bei einer positiven Anlagerendite ansteigen. Bei einer Anlagerendite von 5 Prozent und einer Teuerungsrate von 3 Prozent (Annahmen gemäss Art. 8 Abs. 5 SEFV) würden bei einer verlängerten Beobachtungsphase somit finanzielle Mittel generiert, welche für zusätzliche Ausgaben zur Verfügung stehen würden.

Das KEG hält fest, dass der Bundesrat nach ordnungsgemässem Verschluss oder nach Ablauf der Überwachungsfrist das Lager aus der Kernenergiegesetzgebung entlässt (KEG Art. 39 Abs. 4). In diesem Fall gilt ein geologisches Tiefenlager nicht mehr als Kernanlage. Der Bund wird jedoch auch danach die Umweltradioaktivität überwachen  (StSV Art. 104 Abs. 1).

Die Finanzierung der Entsorgung ist in der Schweiz umfassend geregelt. Aufgrund der energie- und wirtschaftspolitischen Entwicklungen im In- und Ausland will der Bundesrat jedoch eine Revision der Stilllegungs- und Entsorgungsfondsverordnung (SEFV) prüfen. Unter anderem wird dabei aus heutiger Sicht auch die Dauer der zu finanzierenden Beobachtungsphase von geologischen Tiefenlagern Gegenstand der Prüfung sein.