Die Analyse im Nachgang hatte unter anderem die mangelnde Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörde und die personellen Abhängigkeiten innerhalb der Nuklearbranche offengelegt.
Das war keine neue Erkenntnis. Das internationale Übereinkommen über nukleare Sicherheit aus dem Jahr 1994 verlangt die wirksame Trennung der Aufsicht von Stellen oder Organisationen, die mit der Förderung oder Nutzung von Kernenergie befasst sind. Die Verflechtung von Politik, Nuklearindustrie und Aufsicht in Japan wurde bereits im Jahr 2007 durch ein internationales Expertenteam kritisiert.
Die Trennung der Nuklearaufsicht von politischen und wirtschaftlichen Einflüssen war vor und nach Fukushima auch Thema in der Schweiz. Die Nuklearaufsicht wurde auf Anfang 2009 aus der Bundesverwaltung herausgelöst und als selbständige, ausgelagerte Organisation (dem Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat, ENSI) mit eigener Oberaufsicht (dem ENSI-Rat) ausgestattet – insbesondere um die geforderte Eigenständigkeit der Aufsicht zu verwirklichen. Nach Fukushima wurden diese Grundsätze vom Bundesrat mit einer Revision der ENSI-Verordnung bestätigt und verdeutlicht. Die Unabhängigkeit des ENSI wurde zudem in der IRRS-Mission im Jahr 2011 thematisiert und wird Gegenstand der diesjährigen IRRS-Mission sein.
Auch in Zukunft wird die Trennung der Aufsicht von politischen und wirtschaftlichen Einflüssen eine zentrale Rolle spielen: Bei der erstmaligen Stilllegung eines Kernkraftwerks, beim Standortentscheid für geologische Tiefenlager und beim Betrieb des über 50-jährigen Kernkraftwerks Beznau bestehen erhebliche politische und wirtschaftliche Interessen, wobei der sicherheitsgerichteten Aufsicht klare Priorität zukommen muss.
Nach dem Entscheid der Schweiz, keine neuen Kernkraftwerke mehr zu bewilligen, bleibt noch über viele Jahre eine unabhängige Nuklearaufsicht mit hoher Fachkompetenz von grosser Bedeutung. Der ENSI-Rat wird vor dem Hintergrund der Lehren aus dem schweren Reaktorunfall in Fukushima seine Aufgaben auch künftig wachsam und unabhängig wahrnehmen und für eine klare Trennung von Sicherheitsaufsicht einerseits und wirtschaftlichen und politischen Interessen andererseits einstehen.
Andreas Abegg, Präsident ENSI-Rat