Bild: Nach dem Unfall entstand viel Dampf im Block 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl (Quelle: http://chnpp.gov.ua)
Während der etwa zehn Tage dauernden intensiven Freisetzung veränderten sich die Wetterbedingungen in der näheren und weiteren Umgebung des Unfallortes laufend. Die durch die Explosion und den Brand freigesetzten radioaktiven Stoffe wurden zunächst bis über eine Höhe von 1200 Meter aufgewirbelt und anschliessend in nordwestliche Richtung über Weissrussland bis nach Finnland und in den mittleren und nördlichen Teil von Schweden transportiert. Am darauffolgenden Tag drehte der Wind in westliche Richtung.
Die Wochenzeitung L’Hebdo berichtete am 7. Mai 1986, dass am Montag 28. April 1986 ein Sicherheitsverantwortlicher des Kernkraftwerks Forsmark in Schweden einen starken Anstieg an Strahlung gemessen hatte. Das Kernkraftwerksareal wurde evakuiert und auf allfällige Radioaktivitätsaustritte untersucht. Nachdem die Überprüfung keine Leckage zu Tage bringen konnte, haben die Schweden vermutet, dass Radioaktivität aus einem finnischen Kernkraftwerk entwichen sei. Die Finnen dachten ihrerseits, dass es ein Problem in Schweden gab.
Detektion der Wolke in der Schweiz
In der Nacht auf den 30. April 1986 registrierte der Frühwarnposten Weissfluhjoch bei Davos einen leichten, im Verlauf des Morgens dann einen starken Anstieg der Radioaktivität. Gegen 10 Uhr wurden 2- bis 4-fach erhöhte Werte gegenüber dem natürlichen Untergrund auch in der Zentral-, Nord- und Ostschweiz gemessen. Anfang Mai wies die Atmosphäre über der ganzen Schweiz eine erhöhte Radioaktivität auf.
Roland Naegelin, ehemaliger Leiter der Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen, erklärte in seinem Buch über die nukleare Aufsicht in der Schweiz: „Längerfristig erhöhte Ortsdosisleistungen ergaben sich in Gebieten, wo es während dieser Zeit geregnet hatte“. Dies ereignete sich ab dem 30. April 1986 in der Zentral-, Nordwest- und Nordostschweiz, in verstärktem Masse ab dem 3. Mai 1986 im Tessin, in Südbünden und im Waadtländer Jura.
In seiner Antwort auf eine parlamentarische Anfrage von Anne-Catherine Menétrey-Savary fasste der Bundesrat im Juni 2002 die Lage im Frühling 1986 zusammen:
„In der Schweiz waren das Tessin, ein Teil der Ostschweiz und einige Gebiete des Juras die am schlimmsten betroffenen Regionen. Nach dem Unfall in Tschernobyl betrug der Cäsium-137-Anteil pro Quadratmeter im Kanton Tessin etwa 40‘000 Becquerel, in der Ostschweiz etwa 15‘000 und im Jura längs der Linie Chasseral-Chasseron-Vallée de Joux-La Dôle etwa 5000. Bei diesen Ergebnissen handelt es sich um Durchschnittswerte für eine Oberfläche von ungefähr 10 Quadratmetern. In unbewohnten Höhengebieten zwischen 1500 und 2500 Metern wurden punktuell höhere Werte gemessen.“
In der Schweiz wurden im Rahmen der Messungen folgende Radionuklide festgestellt: Jod-131, Cäsium-134 und -137 sowie geringe Mengen von Strontium-90.
Das ist der dritte von sechzehn Teilen zur Geschichte des Unfalls Tschernobyl.