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Frage 35: Revision der Verordnungen im Kernenergiebereich: Strahlenschutz

Sachverhalt

Im Zusammenhang mit der Revision der Verordnungen im Kernenergiebereich hat das ENSI im Februar und März 2018 zwei Medienmitteilungen (A; B) publiziert. Als präventiv denkende Ärztinnen und Ärzte können wir dabei Äusserungen der Leitung Strahlenschutz des ENSI in keiner Weise nachvollziehen.

Wir haben unsere Sorge um den Strahlenschutz im genannten Kontext kürzlich in einem Artikel in der Schweizerischen Ärztezeitung veröffentlicht.

Ein moderner Strahlenschutz ist für die Bevölkerung von grösster Relevanz, weshalb er die neuesten wissenschaftlichen Forschungsergebnisse berücksichtigen sollte. Angesichts der Tragweite der vom ENSI prominent in der Öffentlichkeit zu diesem Thema geäusserten Ansichten erlauben wir uns, Ihnen folgende vier Fragen zu den beiden erwähnten Medienmitteilungen zu stellen.

Fragen

  1. Welche Bedeutung hat der vom ENSI in der Medienmitteilung vom 1.2.2018 genannte Grenzwert von 100 mSv? Falls es sich um eine Dosis handelt: Meint das ENSI damit eine Lebensdosis für die durchschnittliche Lebenserwartung eines Individuums? Falls es sich um eine Dosisleistung handelt: Meint das ENSI damit 100 mSv/Jahr oder 100 mSv über einen anderen Zeitraum?
  2. Es fragt sich, welche Bedeutung die nachfolgende Formulierung des ENSl in der Medienmitteilung vom 1.2.2018 bezüglich Verstrahlung der Bevölkerung allgemein in der Umgebung von Schweizer AKW hat: „Bei einem Ereignis, das sich einmal pro 10 000 Jahre ereignet, darf gemäss den Vorgaben des Gesetzgebers die am meisten exponierte Person der Bevölkerung maximal 100 mSv akkumulieren“. Mit welcher Kollektiven Strahlendosis (in Sv) rechnet das ENSI, „wenn die am meisten exponierte Person der Bevölkerung maximal 100 mSv akkumuliert“? Es interessiert die Dosis der jeweiligen Bevölkerung der Zonen 1, 2 und 3 (Radius 3-5 km, 20 km und >20 km ab AKW).
  3. Wo ist aus Sicht des ENSI die „Schwelle, die für Mensch und Umwelt schädlich sein könnte“ anzusetzen (siehe Medienmitteilung vom 1.2.2018: „Die Strahlendosis, die bei einem 1000-jährlichen Erdbebenereignis maximal erlaubt ist, liegt weit unterhalb der Schwelle, die für Mensch und Umwelt schädlich sein könnte“)?
  4. Welche „statistischen Nachweise“ bezüglich der 100 mSv-Dosis, ab der gemäss Ansicht des ENSI erste Beeinträchtigungen der Gesundheit nachgewiesen werden können, sind konkret angesprochen (siehe Medienmitteilung vom 23.3.2018: „Mit 100 mSv wird diejenige Dosis als Ausserbetriebnahmekriterium festgelegt, ab der erste Beeinträchtigungen der Gesundheit statistisch nachgewiesen werden können.“)?
Thema Bereich
Eingegangen am 8. Juni 2018 Fragende Instanz Ärztinnen und Ärzte für soziale Verantwortung/zur Verhütung des Atomkriegs PSR/IPPNW
Status beantwortet
Beantwortet am 13. September 2019 Beantwortet von

Beantwortet von ENSI

Frage 1: Welche Bedeutung hat der vom ENSI in der Medienmitteilung vom 1.2.2018 genannte Grenzwert von 100 mSv? Falls es sich um eine Dosis handelt: Meint das ENSI damit eine Lebensdosis für die durchschnittliche Lebenserwartung eines Individuums? Falls es sich um eine Dosisleistung handelt: Meint das ENSI damit 100 mSv/Jahr oder 100 mSv über einen anderen Zeitraum?

Bei dem in der angesprochenen Medienmitteilung genannten Wert handelt es sich nicht um einen Grenzwert gemäss schweizerischer Strahlenschutzgesetzgebung. Die in den letzten Jahren revidierte Strahlenschutzverordnung ist auf den 1. Januar 2018 in Kraft getreten und deckt die von der ICRP in ihrer Empfehlung ICRP-103, Ziffer 229 dargelegten „Dosisbegrenzungen“ bezüglich verschiedener, im Strahlenschutz zu betrachtender Expositionssituationen vollständig ab.

Dosisgrenzwerte für Personen aus der Bevölkerung und beruflich strahlenexponierte Personen existieren gemäss ICRP-103 nur in geplanten Expositionssituationen für den Normalbetrieb einer Anlage. Abweichungen vom Normalbetrieb und daraus resultierende Expositionen (sogenannte potenzielle Expositionen) sind per se nicht geplant, der Betreiber muss aber geeignete Massnahmen treffen, um solche potenziellen Strahlenexpositionen aus Störfällen zu vermeiden. Die ICRP-103 stellt dazu unter Ziffer 270 Folgendes fest:

(270) In grossen kerntechnischen Anlagen können Dosiskriterien der potenziellen Exposition für ausgewählte Szenarien als Grundlage der Planung zur Unfallprävention und Minderung der Folgen durch die zuständige Behörde vorgeschrieben sein. Die für potenzielle Expositionen verwendeten Dosiskriterien sollen unter Berücksichtigung der Unfallwahrscheinlichkeit von den Risikorichtwerten abgeleitet werden.

Solche Dosiskriterien werden beispielsweise in Art. 123 Strahlenschutzverordnung (StSV) oder Art. 8 KEV festgelegt. Somit handelt es sich auch bei dem in der Medienmitteilung vom 1.2.2018 genannten Dosiswert von 100 mSv um ein solches Dosiskriterium für die Auslegung des Betriebs einer Kernanlage.

Es handelt sich beim oben genannten Dosiskriterium nach Art. 123 StSV um eine Dosis und nicht um eine Dosisleistung. Die durch ein potenzielles Störfallereignis verursachte Folgedosis wird entsprechend den internationalen Gepflogenheiten für eine Expositionsdauer von einem Jahr nach dem Ereignis berechnet.

Die rechnerische Herleitung der Dosis in der Umgebung aufgrund von Freisetzungen radioaktiver Stoffe wird in der Richtlinie ENSI-G14 detailliert erläutert. Für diese Berechnungen werden sehr ungünstige (konservative) Randbedingungen angesetzt, wie sie in einem realen Fall nicht zu erwarten sind.

Die Berechnung der potenziell resultierenden Störfalldosis ist ein Bestandteil der geforderten umfassenden Nachweise einer ausreichend robusten Auslegung des Anlagenbetriebs und zielt keineswegs darauf ab, eine nach einem unterstellten Störfall tatsächlich auftretende Dosis zu bestimmen. Es handelt sich somit auch nicht um einen personenbezogenen zulässigen Dosiswert.

Frage 2: Es fragt sich, welche Bedeutung die nachfolgende Formulierung des ENSl in der Medienmitteilung vom 1.2.2018 bezüglich Verstrahlung der Bevölkerung allgemein in der Umgebung von Schweizer AKW hat: „Bei einem Ereignis, das sich einmal pro 10 000 Jahre ereignet, darf gemäss den Vorgaben des Gesetzgebers die am meisten exponierte Person der Bevölkerung maximal 100 mSv akkumulieren“. Mit welcher Kollektiven Strahlendosis (in Sv) rechnet das ENSI, „wenn die am meisten exponierte Person der Bevölkerung maximal 100 mSv akkumuliert“? Es interessiert die Dosis der jeweiligen Bevölkerung der Zonen 1, 2 und 3 (Radius 3-5 km, 20 km und >20 km ab AKW).

Kollektivdosiswerte sind ein Werkzeug für Vergleiche und Optimierungsmassnahmen und eignen sich gemäss UNSCEAR (UNSCEAR 2012 report: Sources, effects and risks of ionizing radiation, Annex A, attributing health effects to ionizing radiation exposure and inferring risks) nicht für eine prospektive epidemiologische Vorhersage, bei der eine grössere Anzahl von Personen mit jeweils kleinen Dosiswerten verrechnet werden. Für die Beurteilung der Auslegung des Betriebs einer Kernanlage werden Kollektivdosen deshalb im Allgemeinen nicht als Beurteilungsgrösse herangezogen.

Um dem Anliegen der Fragesteller Rechnung zu tragen, hat das ENSI gleichwohl eine Abschätzung für zu erwartende mittlere Dosiswerte am Beispiel des Kernkraftwerks Gösgen vorgenommen (siehe folgenden Abschnitt „Berechnung eines realistischeren Beispiels“). Das KKG wurde wegen der hohen Bevölkerungsdichte in seiner Umgebung ausgewählt, die Resultate wären für die anderen schweizerischen Kernkraftwerke vergleichbar.

Berechnungen eines realistischeren Beispiels

Bei der Berechnung der Dosen des Beispiels im Artikel vom 12. Oktober 2018 hat das ENSI vier Berechnungsschritte durchgeführt:

1. Schritt: Quelltermbestimmung

In einem ersten Schritt wird festgelegt, wie viel radioaktive Stoffe aus einem Kernkraftwerk freigesetzt werden. Man spricht dabei vom Quellterm. Dazu hat das ENSI als Basis das so genannte Szenario A1 verwendet. Die freigesetzte Menge wird so erhöht, dass bei einer Berechnung gemäss Richtlinie ENSI-G14 eine maximale Dosis von 100 Millisievert für eine fiktive Person resultiert.

2. Schritt: Ausbreitungsrechnung in einem Echtwetter-Szenario

Mit JRODOS (Java based Realtime Online DecisiOn Support) lässt sich die Ausbreitung radioaktiver Stoffe auf Basis von Echtwetterdaten berechnen. Das ENSI verwendet dazu räumlich und zeitlich hochaufgelöste Wind- und Niederschlagsdaten von MeteoSchweiz. Auf Basis dieser Wind- und Niederschlagsdaten berechnet das in JRODOS implementierte Lagrange-Partikel-Modell LASAT die Bewegungen der radioaktiven Partikel in der Atmosphäre. Aus der so berechneten Verteilung der Aktivität in der Umgebung ergibt sich wiederum eine potenzielle Dosisverteilung in der Umgebung. Das Wort „potenziell“ weist darauf hin, dass es für das Zustandekommen einer solchen Dosis am jeweiligen Ort immer auch eine Person braucht, welche sich während eines Jahres dort aufhält und sich entsprechend den konservativen Annahmen der Richtlinie ENSI-G14 verhält.

Auf Basis der echten Wetterdaten vom 11. Juni 2018 hat das ENSI mit JRODOS die Ausbreitung der nach Schritt 1 unterstellten freigesetzten radioaktiven Stoffe berechnet. Auf diese Weise ergibt sich für die Wind- und Regenverhältnisse im Beispiel vom 11. Juni 2018 das im Artikel publizierte Bild für die potenzielle Dosisverteilung.

Die Wetterverhältnisse an diesem Tag sind bezüglich der radiologischen Folgen für die Umgebung ungünstig gewesen, weil Regen und schwacher Wind vorherrschten, welche zu höheren Dosiswerten führten. Auch unter noch ungünstigeren Wetterverhältnissen ist kein starker Anstieg der potenziellen mittleren Dosis für die betroffene Bevölkerung und damit der potenziellen gesundheitlichen Folgen zu erwarten.

3. Schritt: Bestimmung der mittleren Dosis der betroffenen Bevölkerung

Nachdem klar ist, wohin die radioaktiven Stoffe in der Umgebung verteilt werden, kann die mittlere Dosis bestimmt werden. Dazu werden alle ganz oder auch nur teilweise betroffenen Gemeinden berücksichtigt. In diesen Gemeinden leben gemäss Bundesamt für Statistik insgesamt rund 95‘000 Personen (Stand 2017).
Mit Hilfe von JRODOS hat das ENSI für jede dieser ganz oder teilweise betroffenen Gemeinden einen konservativen mittleren Dosiswert bestimmt. Dabei wurde unterstellt, dass jeweils alle Einwohnerinnen und Einwohner einer Gemeinde die entsprechende Dosis erhalten – unabhängig davon, ob sie tatsächlich von der Ausbreitung der radioaktiven Stoffe betroffen sind (siehe nächste Abbildung).

In der Tabelle sind die potenziell betroffenen Gemeinden zusammen mit der Einwohnerzahl und der zugehörigen ermittelten mittleren Dosis aufgeführt. Die Multiplikation Letzterer ergibt für jede Gemeinde eine Summendosis. Dividiert man nun die Summe dieser einzelnen Gemeinde-Summendosen durch die Summe aller Einwohnerinnen und Einwohner, so erhält man eine potenzielle mittlere Dosis für die betroffene Bevölkerung für das Beispiel vom 11. Juni 2018, nämlich 0.3 mSv. Dieser Dosiswert entspricht nur rund einem Zwanzigstel der mittleren Strahlenbelastung der Schweizer Bevölkerung von 5.8 mSv pro Jahr.

4. Schritt: Abschätzung der potenziellen gesundheitlichen Folgen

Um die möglichen Auswirkungen auf die Gesundheit der betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner abzuschätzen, hat das ENSI erneut einen konservativen Ansatz gewählt. Gemäss internationaler Praxis wie zum Beispiel der Empfehlung der International Commission on Radiological Protection ICRP 103 wird bei der Berechnung der Störfalldosis im Rahmen der Vorsorge davon ausgegangen, dass die Betroffenen ein Jahr den radioaktiven Stoffen ausgesetzt sind. Damit die Strahlenbelastung der Folgejahre auch berücksichtigt wird, hat das ENSI für die Betrachtung der gesundheitlichen Folgen die errechneten Dosiswerte mit einem Faktor 2 multipliziert.

Obwohl nicht für einen solchen Zweck vorgesehen, wurde für die Abschätzung der potenziellen gesundheitlichen Folgen der von der ICRP angegebene schadensbereinigte Risikokoeffizient (detriment adjusted risk coefficient) für zusätzliche Krebserkrankungen und vererbbare Wirkungen herangezogen. Die ICRP und das UNSCEAR warnen vor Risikoabschätzungen unter Verwendung des Linear-No-Threshold-Modells (LNT-Modell) und der zugehörigen Risikokoeffizienten bei derart niedrigen Dosiswerten. Demnach sind die Risikokoeffizienten nicht geeignet, um damit für kleine Dosiswerte in der Grössenordnung der natürlichen Untergrundstrahlung durch Multiplikation mit einer grossen Personenzahl prospektiv belastbare Aussagen über die absolute Zahl an Krankheitsfällen zu machen, die zu erwarten wären. Die im Artikel publizierten Zahlen zu den mutmasslichen gesundheitlichen Folgen dienen einzig der Einordnung von Aussagen und Zahlenwerten zu den Gesundheitsfolgen, die bei einem Auslegungsstörfall zu erwarten sind. Solche sind im Rahmen der Diskussionen zur Revision der Kernenergieverordnung 2018 in der Öffentlichkeit aufgetaucht. Zwecks Vergleiche von Optimierungsmassnahmen im operationellen Strahlenschutz ist das LNT-Modell für das ENSI zurzeit die beste Wahl.
Durch die Dosis, die im restlichen Leben akkumuliert wird, ergeben sich für das Beispiel Gösgen unter Verwendung des „detriment adjusted risk coefficient“ für Krebs gemäss ICRP von 5,5 % pro Sievert rein rechnerisch rund 3 zusätzliche schadensbereinigte Krebsfälle (entspricht rund 4 unbereinigten Fällen) in der betroffenen Bevölkerung von 95‘000 Personen. Den rund 3 zusätzlichen Krebsfällen, welche sich aufgrund der im Beispiel ermittelten mittleren Strahlenbelastung mutmasslich, rein rechnerisch ergeben, stehen rund 26‘000 schadensbereinigte Krebsfälle (entspricht rund 40‘000 unbereinigten Fällen) gegenüber, welche erfahrungsgemäss in der betrachteten Population zu erwarten sind. Dies entspräche einem Anstieg von rund 0,01 % über 50 Jahre. Ein solcher Anstieg ist statistisch nicht identifizierbar.

Frage 3: Wo ist aus Sicht des ENSI die „Schwelle, die für Mensch und Umwelt schädlich sein könnte“ anzusetzen (siehe Medienmitteilung vom 1.2.2018: „Die Strahlendosis, die bei einem 1000-jährlichen Erdbebenereignis maximal erlaubt ist, liegt weit unterhalb der Schwelle, die für Mensch und Umwelt schädlich sein könnte“)?

Frage 4: Welche „statistischen Nachweise“ bezüglich der 100 mSv-Dosis, ab der gemäss Ansicht des ENSI erste Beeinträchtigungen der Gesundheit nachgewiesen werden können, sind konkret angesprochen (siehe Medienmitteilung vom 23.3.2018: „Mit 100 mSv wird diejenige Dosis als Ausserbetriebnahmekriterium festgelegt, ab der erste Beeinträchtigungen der Gesundheit statistisch nachgewiesen werden können.“)?

Wie bereits gesagt stützt sich das ENSI bei der Beurteilung von gesundheitlichen Auswirkungen ionisierender Strahlung auf die neuesten Empfehlungen der ICRP, nämlich ICRP-103. Diese Empfehlungen sind international anerkannt und dienen als eine Basis für die schweizerische Strahlenschutzgesetzgebung.

Deterministische Effekte

Im Bereich von 100 mSv sind keine ausgeprägten, nicht reversiblen deterministischen Effekte zu erwarten. Der Wert von 100 mSv stellt somit keine Grenze dar, sondern entspricht einem Wert, der eine genügend grosse Sicherheitsmarge in Bezug auf nicht reversible deterministische Effekte bietet.

Stochastische Effekte

Erst ab einer akuten Dosis von ca. 100 mSv kann unter Verwendung statistischer Methoden eine Erhöhung der Krebsinzidenz verlässlich mit einer Strahlenexposition in Zusammenhang gebracht werden.

Bei Dosiswerten unter 100 mSv können unter Anwendung des sogenannten LNT-Modells (LNT = linear, no-threshold, also linear ohne Schwellendosis) rechnerische Risikobetrachtungen für Vergleiche und Optimierungsmassnahmen im operationellen Strahlenschutz angestellt werden. Bei diesem sowohl von UNSCEAR als auch von der ICRP verwendeten Modell wird angenommen, dass bei stochastischen Strahleneffekten im Falle von kleinen Dosiswerten ein linearer Zusammenhang zwischen der verursachenden Dosis und der dadurch erhöhten Wahrscheinlichkeit des Auftretens oder des dadurch erhöhten Risikos besteht und keine untere Schwelle für eine Risikoerhöhung existiert.

Allerdings weist UNSCEAR (UNSCEAR 2012 report: Sources, effects and risks of ionizing radiation, Annex A, attributing health effects to ionizing radiation exposure and inferring risks) darauf hin, dass das LNT-Modell zwar als Werkzeug für Vergleiche und Optimierungsmassnahmen herangezogen werden kann, sich dieses aber nicht eignet für eine prospektive epidemiologische Vorhersage, bei der eine grössere Anzahl von Personen mit jeweils kleinen Dosiswerten verrechnet werden. Im Bereich von tiefen Dosiswerten sind die erwartbaren Effekte zahlenmässig zu klein, um sie von denjenigen Effekten trennen zu können, welche innerhalb des u. a. durch die bestehende Strahlenbelastung verursachten spontanen Risikos liegen. Dies zeigt auch das vorherige Beispiel (KKG am 11. Juni 2018): den rund 3 zusätzlichen schadensbereinigten Krebsfällen, welche sich aufgrund der im Beispiel ermittelten mittleren Strahlenbelastung mutmasslich, rein rechnerisch ergäben, stehen rund 26‘000 schadensbereinigte Krebsfälle gegenüber, welche erfahrungsgemäss bei 95‘000 Personen (spontanes Risiko) zu erwarten sind. Dies entspräche einem Anstieg von rund 0.01 % über 50 Jahre. Ein derart minimaler Anstieg kann nicht statistisch signifikant mit einer Strahlenwirkung in Zusammenhang gebracht werden.