Kurzfassung
Wie in den Antworten zu den Fragen 44 und 45 ausgeführt, befindet sich das Gebiet von St. Blasien – Todtnau im zentralen Bereich der jungtertiären Hebungszone des Südschwarzwalds, wo das gesamte Deckgebirge und auch ein Teil des Grundgebirges abgetragen wurde. Das Gebiet gilt auch als neotektonische Hebungszone mit aktiven Krustenverstellungen.
Das Untersuchungsgebiet im Zürcher Weinland dagegen liegt heute ausserhalb dieser Hebungszone und kann deshalb auch nicht in einen genetischen Zusammenhang mit dort aktiven Abschiebungen gebracht werden. Die Hebungen des Zürcher Weinlands stehen gemäss tektonischem Konzept sowie den Präzisionsnivellements vielmehr im Zusammenhang mit den anhaltenden Hebungen des Alpenkörpers. Es gibt in diesem Zusammenhang keinerlei Hinweise auf kurzzeitige, junge (neotektonische) Krustenverstellungen in relevantem Ausmass.
Ausführliche Antwort
Bis heute gibt es keine Hinweise, dass sich die markante Abschiebung Todtnau-St.Blasien (südliche Begrenzung des Schauinsland-Feldberg-Horst’s) bis in das ca. 35 km in südöstlicher Richtung liegende Zücher Weinland hinein zieht. Nach den Autoren (Metz & Rein 1958, Huber-Aleffi & Huber-Aleffi 1984, Geyer & Gwinner 1986) kann diese Störung noch bis in den Raum von Häusern kartiert werden.
Auch die regionalen Erkenntnisse aus der 2D-Reflexionsseismik und die sehr detaillierten Untersuchungen mittels der 3D-Seismik im Untersuchungsgebiet Zürcher Weinland ergaben keinerlei Hinweise auf Strukturen die mit einer Fortsetzung der Todtnau-St.Blasien-Störung in Zusammenhang gebracht werden könnten.
Im Kapitel 5.1.2 des NTB’s 99-08 wurden die möglichen Folgen von über Bruchstrukturen hinweg feststellbaren Differenzen der Hebungsgeschwindigkeit auf die geologische Entwicklung des Untersuchungsgebietes Zürcher Weinland abgeschätzt.
Für eine Beurteilung möglicherweise aktiver Störungszonen mussten neben den Strukturdaten v.a. Kenntnisse aus den neotektonischen Untersuchungen (Geodäsie, Seismologie, Spannungsfeld) beachtet werden (Kap. 3.4 – 3.6, NTB 99-08). Über die mögliche rezente Aktivität von Störungszonen im Umfeld des Zürcher Weinlands wurden in den Kapiteln ( 4.2, 4.3 und 4.5) dezidierte Aussagen gemacht. Es zeigt sich, dass nur die Neuhauser Störung und die drei kleineren Verwerfungen im Bereich der Wildensbucher Flexur als potenziell aktive Strukturen betrachtet werden müssen.
Für die Abschätzung einer möglichen rezenten Aktivität an der Neuhauser Störung können, neben konzeptuellen Überlegungen, die Analysen der Nivellementmessungen (NTB 99-08, Beil. 3.2) beigezogen werden: Nördlich der Störung, im Raum Schaffhausen, weisen alle Messpunkte, einschliesslich der beiden Punkte bei Neuhausen, eine Senkungstendenz auf. Südlich der Neuhauser Störung, im Zürcher Weinland, zeigen die Werte von Ossingen, Andelfingen und Flaach Hebungstendenzen. Diese Tendenz nimmt nach Süden im Gebiet von Frauenfeld – Winterthur noch zu. Ein Ausgleich dieser von Norden nach Süden gegenläufigen Tendenzen der Nivellementmessungen könnte als rezente Abschiebung im Bereich der Neuhauser Störung erfolgen. Die Versetzungsrate müsste aufgrund der geodätischen Daten aber sehr klein sein und dürfte bedeutend unter 0.1 mm/a liegen. Falls ein genetischer Zusammenhang zwischen der Neuhauser Störung und der Wildensbucher Flexur besteht (Kap. 4.3 und Fig. 4.4), wären auch geringfügige Bewegungen im Bereich dieser Struktur denkbar.
Untersuchungen zu differenziellen Höhenänderungen (mit geringeren Hebungsgeschwindigkeiten) wurden nicht nur im Raum Zürcher Weinland-Schaffhausen sondern in der ganzen Nordschweiz durchgeführt (NTB 99-08, Beil. 3.2).
Neben den geodätischen Untersuchungen wurde im Raume Zürcher Weinland – Schaffhausen auch noch eine Lineamentanalyse durchgeführt. Aufgrund dieser Studie ist das Gebiet des Zürcher Weinlandes als neotektonisch inaktiv zu betrachten (vgl. Antwort auf TFE-Frage 47).
Referenzen:
Geyer, O.F. & Gwinner, M.P. (1986): Geologie von Baden-Württemberg. 3. Aufl. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart.
Huber-Aleffi, M & Huber-Aleffi, A. (1984): Das Kristallin des Südschwarzwaldes. Nagra Tech. Ber. NTB 84-30. Nagra, Wettingen.
Metz, R. & Rein, G. (1958): Erläuterungen zur Geologisch-petrographischen Übersichtskarte des Südschwarzwaldes 1:50’000. Alemann. Inst. in Freiburg i.Br. in Verbindung mit dem Schwarzwaldverein. Moritz Schauenburg Verl., Lahr/ Schwarzwald.
Müller, W.H., Naef, H. & Graf, H.R. (2002): Geologische Entwicklung der Nordschweiz, Neotektonik und Langzeitszenarien Zürcher Weinland. Nagra Tech. Ber. NTB 99-08.
NAGRA (2002): Projekt Opalinuston – Synthese der erdwissenschaftlichen Untersuchungsergebnisse. Nagra Tech. Ber. NTB 02- 03. Nagra, Wettingen.