Frage zur Seismik/Opalinuston: Werden bei seismischen Ereignissen verheilte Störungen im Opalinuston reaktiviert oder ist diese Verheilung so stark, dass neue Störungen an anderen Orten angelegt werden?
Beantwortet von Nagra
Die Nagra verwendet die Terminologie, die wegen der unterschiedlichen Handhabung der Begriffe im Rahmen eines EC-Clusters erarbeitet wurde:
- Abdichtung beziehungsweise Selbstabdichtung ist eine Reduktion der Transmissivität eines Bruchs durch hydromechanische, hydrochemische oder hydrobiochemische Prozesse
- Heilung beziehungsweise Selbstheilung ist eine Abdichtung mit Verlust der Erinnerung an den Zustand vor der Heilung (z.B. in wenig konsolidierten, plastischen Tone, Steinsalz)
Für den Opalinuston muss der Begriff Selbstabdichtung verwendet werden, weil Bruchstrukturen auch bei einer vollständigen hydraulischen Abdichtung immer sichtbar bleiben (vergleichbar mit einer Narbe).
Selbstabgedichtete Störungen im Opalinuston bleiben eine mechanische Schwachstelle, welche bei einer Deformation des Gebirges von tektonischen Differenzialbewegungen bevorzugt wird. Aus diesem Grund würden in Bereichen, wo signifikante Störungszonen einen HAA-Lagerstollen durchschlagen, keine Behälter eingelagert, das heisst der betreffende Stollenabschnitt würde nur mit Bentonit verfüllt, damit – im Falle einer allfälligen späteren Reaktivierung der Störung – keine Behälter direkt im Bereich von Störungszonen liegen.
Es kann allerdings nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass über sehr lange Zeiträume eine neue Störung im bisher ungestörten Gestein entsteht (z.B. durch ein grosses seismisches Ereignis an einer grossen Störung im Grundgebirge; vgl. Frage 32). Aufgrund des Selbstabdichtungsvermögens des Opalinustons würde auch eine solche neugebildete Störung keinen bevorzugten Fliesspfad für Radionuklide bilden. Um die Robustheit der Argumentation zu erhöhen wurde der bisher noch nie beobachtete Fall einer unvollständigen Selbstabdichtung der Störung im Rahmen der Sicherheitsanalyse zum Entsorgungsnachweis sowie in den orientierenden Sicherheitsbetrachtungen für SGT Etappe 1 mit einem sogenannten ’What if?’ -Fall mit einer transmissiven Störung analysiert, welche alle Lagerstollen durchschlägt und durch welche die Radionuklide aus den im Bereich der Störung liegenden Behältern freigesetzt werden. Auch unter diesen Umständen liegt das resultierende Dosismaximum noch eine Grössenordnung unterhalb des gesetzlichen Schutzziels. Dies ist auf die sehr günstigen Barriereneigenschaften des Opalinustons zurückzuführen (sehr gute Sorptionseigenschaften, Diffusion von Radionukliden aus der Störung in den angrenzenden ungestörten Opalinuston). Solche ‘What if?’-Fälle werden auch in Sicherheitsanalysen der folgenden Etappen des Sachplans Geologische Tiefenlager betrachtet.