Was hat AXPO anders gemacht, dass bei Beznau I der Deckel erst nach 46 Jahren Betrieb ersetzt werde musste?
Axpo war durch die weltweit aufgetretenen Probleme mit gleichen Deckeln bezüglich des Themas Primärwasser-Spannungsrisskorrosion (Primary Water Stess Corrosion Cracking, PWSCC) an den aus rostfreiem Material des Typs Inconel 600 gefertigten Deckeldurchführungen sensibilisiert. In einem Grundlagedokument zum KKB-Betriebsdauermanagement war deshalb auch der Deckelersatz auf Grund solcher eventuell auftretenden Probleme mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit enthalten. Bis zum Entscheid für den Deckelaustausch haben die periodischen Kontrollen aber keine Hinweise auf Spannungsrisskorrosion an den Regelstabdurchführungen ergeben.
Axpo ging damals davon aus, dass die im KKB praktizierte wasserchemische Fahrweise des Primärkreislaufes zu einem genügend negativen elektrochemischen Potential führt, so dass sich ausreichend schützende Oxidoberflächen gegenüber PWSCC bilden konnten und welches mit ein Grund dafür sein kann, dass bisher im KKB keine Indikationen aufgetreten waren. Auch im Vergleich mit anderen amerikanischen Anlagen bestätigte sich diese Vermutung, dass die im KKB optimal gefahrene Wasserchemie für das Nichtauftreten von PWSCC verantwortlich war.
Welche Probleme führten AXPO jetzt (2015) dazu den Reaktor-Deckel zu ersetzen?
Da ein Auftreten von PWSCC-Indikationen auch an den RDB-Deckeln nicht ausgeschlossen werden konnte, entschied sich die Axpo-Geschäftsleitung im Jahre 2008 aus unternehmerischen Gründen für einen proaktiven Austausch der RDB-Deckel.
Als zusätzliche Antwort zur Frage in der Bemerkung „Wer investiert Fr. 100 Mio. für etwas, das intakt (absolut in Ordnung) ist?“:
Da die Vorbereitungsarbeiten für einen Austausch von RDB-Deckeln mindestens 4 Jahre benötigen, wären die Kosten bei einer unvorbereiteten Austauschnotwendigkeit um ein Vielfaches höher gewesen als die investierten 100 Mio. CHF.
Die Spannungsrisskorrosion an den aus rostfreiem Inconel gefertigten Regelstabdurchführungen tritt dabei auf der Innenseite des RDB-Deckels auf, welche im Kontakt mit dem borsäurehaltigen Wasser und dem Druck des Primärkreislaufs steht. Sie hat keinen Bezug zum erwähnten Ereignis vom Januar 1971. Damals war wegen einer fehlerhaft hergestellten Schweissnaht an einem Regelstab-Antriebsstangengehäuse über dem Deckel borsäurehaltiges Wasser ausgetreten und von oben auf die Oberseite des Deckels gelangt. Diese Schweissnaht wurde damals repariert und war seither vollständig dicht.
Bei den neuen RDB-Deckeln wurde neben einer Reihe von kleineren Verbesserungen gemäss dem heutigen Stand der Technik vor allem die Schwachstelle Deckeldurchführungsnaht eliminiert. Zudem wurde das gegenüber PWSCC anfällige Material Inconel 600 durch das gegenüber PWSCC resistente Inconel 690 ersetzt.
Präsentation „Gründe für den Austausch der RDB-Deckel“ z.H. des Technischen Forums Kernkraftwerke vom 4.3.2016