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Frage 169: Anforderungen an die Zugangsbauwerke

Bezüglich der Problematik von Wechselwirkungen zwischen dem HAA-Lager und dem SMA-Lager hat sich das ENSI in den „Sicherheitstechnischen Vorgaben für Etappe 3 des Sachplans geologische Tiefenlager“ geäussert (ENSI 2018). Für ein Kombilager hat das ENSI u.a. folgende Vorgabe gemacht: „Es ist sicherzustellen, dass die möglichen Wechselwirkungen zwischen dem SMA- und dem HAA-Lager eines Kombilagers keine sicherheitsrelevante Beeinträchtigung darstellen. Es ist aufzuzeigen, welche Mindestabstände zwischen den getrennten Lagerteilen für HAA und SMA einzuhalten sind.“ (ENSI 2018, S. 21).

In verschiedenen Arbeitsberichten befasst sich die Nagra mit der Lager-Architektur und darin eingeschlossen auch mit der Konzeption der Zugangsbauwerke (Nagra 2020, Nagra 2022). Dabei fällt auf, dass das Kombilager gemäss Konzeption der Nagra (Nagra 2022) Strukturen beinhaltet, durch welche sowohl HAA als auch SMA geschleust werden. Gemäss Nagra (2022), S. 20 sind dies das Modul „Zugang nach Untertag“ und das Modul „Zentraler Bereich“. Das heisst, dass Störfälle, die sich im Zugangsmodul oder im zentralen Bereich ereignen, sich auf den Betrieb beider Lagerbereiche auswirken können.

Wenn durch eine Trennung der Zugangsbereiche der beiden Lagerteile (HAA-Lager, SMALager) eines Kombilagers sichergestellt werden kann, dass Störfälle in einem Lagerteil oder in dessen Zugangsbereich keinen Einfluss auf den Betrieb und die Betriebssicherheit des anderen Lagerteils haben, dann würde dies die Betriebssicherheit des Kombilagers erhöhen.

Die Frage, ob getrennte Zugänge zu den Lagerbereichen SMA und HAA gegenüber einem gemeinsamen Zugang bei einem Kombilager mit gemeinsamer Oberflächenanlage sicherheitstechnische Vorteile ergeben würden, wurde von der Nagra meines Wissens bisher in keiner ihrer Veröffentlichungen behandelt. Die allfällig vorhandenen sicherheitstechnischen Unterschiede zwischen getrennten Zugangsbauwerken und einem kombinierten Zugangsbauwerk zum SMA-Lagerbereich bzw. zum HAA-Lagerbereich eines Kombilagers wurden z.B. in Nagra (2020) nicht diskutiert.

Inwieweit beurteilen das ENSI bzw. die Nagra die oben aufgeworfene Frage der Trennung der Zugangsbauwerke der beiden Lagerbereiche als sicherheitstechnisch relevant?

Referenzen

ENSI (2018): Präzisierungen der sicherheitstechnischen Vorgaben für Etappe 3 des Sachplans geologische Tiefenlager. Sachplan geologische Tiefenlager, Etappe 3. ENSI 33/649, November 2018.

Nagra (2020): Standortunabhängiger Vergleich eines Kombilagers mit zwei Einzellagern hinsichtlich Bau- und Betriebsabläufe sowie Umwelt. Nagra Arbeitsbericht NAB 19-15, September 2020.

Nagra (2022b): Module der Lagerarchitektur. Nagra Arbeitsbericht NAB 22-35, September 2022.

Thema , Bereich |
Eingegangen am 15. Dezember 2022 Fragende Instanz H. Bühl / Beirat Entsorgung
Status beantwortet
Beantwortet am 19. Juni 2023 Beantwortet von ,

Beantwortet von ENSI

Im Rahmen der Prüfung der Unterlagen zum Rahmenbewilligungsgesuch (RBG) werden gemäss Konzeptteil Sachplan geologische Tiefenlager (SGT) mit der Kriteriengruppe 4 „Bautechnische Eignung“ mehrere Aspekte beurteilt:

  • Einerseits die felsmechanischen Eigenschaften und Bedingungen für Bau, Betrieb, Überwachung und Verschluss des geologischen Tiefenlagers (u. a. Gesteins- und Gebirgsfestigkeiten, Verformungseigenschaften der Gesteine, Tiefenlage und Gebirgsspannungen, Stabilität der Hohlräume, natürliche Gasführung).
  • Sowie die Bedingungen für die Erschliessung der Lagerkavernen und -stollen, insbesondere die bautechnischen und hydrogeologischen Verhältnisse für Erstellung, Betrieb und Unterhalt der Zugangsbauwerke zu den Lagerkavernen und -stollen, inkl. natürlicher Gasführung.

Gemäss Art. 23 KEV sind im RBG der Zweck und die Grundzüge des Projektes darzulegen. Auf Stufe RBG können nur beschränkt Details der Zugangsbauwerke diskutiert werden, aber es muss gewährleistet sein, dass die notwendigen Zugangsbauwerke am Standort realisiert werden können, um den sicheren Betrieb des späteren geologischen Tiefenlagers zu ermöglichen. Gemäss Richtlinie ENSI-G03 ist der Sicherheitsnachweis für die Betriebsphase des geologischen Tiefenlagers inklusive Oberflächenanlage und Nebenzugangsanlagen am gewählten Standort stufengerecht zu erbringen und im Sicherheitsbericht zu dokumentieren.

Entsprechend fordert das ENSI in seinen Präzisierungen der sicherheitstechnischen Vorgaben für Etappe 3 des Sachplans geologische Tiefenlager (ENSI 2018), dass für den Sicherheitsnachweis für die Betriebsphase auf Stufe Rahmenbewilligung eine generische Sicherheitsbetrachtung sowohl für Störfälle mit Ursprung ausserhalb als auch mit Ursprung innerhalb der Anlage durchzuführen ist. Dazu sind Annahmen zu den Störfallabläufen zu treffen und Massnahmen zur Beherrschung der Störfälle unter Berücksichtigung der Dosisgrenzwerte gemäss Art. 123 StSV konzeptuell zu beschreiben. Ferner sind die Auswirkungen der Störfälle auf die Langzeitsicherheit eines verschlossenen geologischen Tiefenlagers darzulegen.

Für das Rahmenbewilligungsgesuch werden daher konzeptuelle Beschreibungen von Anlagen und Systemen sowie generische Sicherheitsbetrachtungen im Sicherheitsnachweis für die Betriebsphase als stufengerecht erachtet, wobei der Fokus auf der Standorteignung für den sicheren Betrieb des geologischen Tiefenlagers liegt (ENSI 2018). Erst im Zuge der Bau- beziehungsweise Betriebsbewilligung werden gemäss Anhang 4 KEV die Auslegung der Anlage sowie die betrieblichen Abläufe festgelegt. Da für die Durchführung der probabilistischen und deterministischen Störfallanalyse die Anlagenauslegung und Arbeitsabläufe bekannt sein müssen, werden auch die Störfallanalysen erst für das Baubewilligungsgesuch verlangt (Anhang 4 KEV).

Mit den Störfallanalysen für das Baugesuch werden die Auswirkungen von Störfällen während der Betriebsphase auf das Personal sowie auf die Bevölkerung und die Umwelt betrachtet und bei Bedarf Schutzmassnahmen getroffen (Erläuterungsbericht zur Richtlinie ENSI-G03, zu Kap 9.1, Bst f). Die Störfallanalysen werden zeigen, ob eine Trennung der Zugangsbereiche der beiden Lagerteile des Kombilagers erforderlich ist.

Daher ist klar, dass mit den für die Rahmenbewilligung geforderten Grundzügen des Projektes aktuell noch keine abschliessende Aussage zur Relevanz einer möglichen Trennung der Zugangsbauwerke möglich ist. Das ENSI wird aber im Rahmen der Prüfung des Rahmenbewilligungsgesuchs beurteilen, ob am gewählten Standort die erforderliche Flexibilität zur späteren Projektierung unterschiedlicher Zugangsvarianten (inkl. Art und Anzahl der Zugänge) gegeben ist.

Beantwortet von Nagra

Die Nagra arbeitet momentan das Rahmenbewilligungsgesuch (RBG) für ein Kombilager in Nördlich Lägern aus. Mit der Rahmenbewilligung werden gemäss Art. 14 KEG u. a. die Grundzüge des Projektes festgelegt. Dazu gehören auch die ungefähre Grösse und Lage der wichtigsten Bauten an der Oberfläche und ein vorläufiger Schutzbereich für die Elemente des Tiefenlagers im Untergrund. Der vorläufige Schutzbereich soll das geologische Tiefenlager inkl. der Zugänge gegen Eingriffe schützen, welche die Sicherheit des Lagers beeinträchtigen könnten. Die Nagra wird einen grosszügigen vorläufigen Schutzbereich vorschlagen, so dass für spätere Verfahrensschritte Flexibilität bestehen bleibt und zukünftige Entwicklungen berücksichtigt werden können. Die Anzahl und die exakte Lage der Zugänge und der Lagerfelder wird mit der Baubewilligung festgelegt. Im Hinblick auf diese Festlegung werden verschiedene Varianten verglichen.

Für den Standortvergleich spielen Zugangsvarianten keine Rolle, da die Zugangsbauwerke in allen Standortgebieten als Schacht oder Rampe sicher erstellt werden können (Nagra 2022a). Bezüglich der Langzeitsicherheit zeigt sich, dass die Zugänge für ein Kombilager und der gemeinsam genutzte Zentrale Bereich einen Vorteil bzgl. Gasspeichervolumen darstellen, da mehr Volumen zur Gasspeicherung zur Verfügung steht, als wenn der SMA-Lagerteil einzeln erstellt würde. Ausserdem wird der einschlusswirksame Gebirgsbereich mit gemeinsamen Zugängen weniger gestört im Vergleich zu getrennten Zugängen, da weniger Zugangsbauwerke benötigt werden. Darüber hinaus sind Bauwerke ausserhalb der Versiegelungen in den Lagerfeldzugängen (d. h. ausserhalb der V2-Siegel in den Bau-, Betriebs- und Lüftungstunneln) aus Sicht der Langzeitsicherheit von geringer Bedeutung, denn sie beeinflussen nur Transportpfade entlang der Zugangsbauwerke.

Für das RBG werden generische Betriebskonzepte und Sicherheitsbetrachtungen zur Betriebssicherheit behandelt. Diese Betrachtungen zeigen, dass das Kombilager mit gemeinsamen Zugängen jederzeit sicher betrieben (z. B. belüftet) werden kann. In den in der Frage angesprochenen Modulen «Zugang nach Untertag» und «Zentraler Bereich» aus Nagra (2022b) können Einlagerungstätigkeiten von parallel stattfindenden Bautätigkeiten räumlich getrennt werden, so dass eine gegenseitige Beeinflussung ausgeschlossen werden kann (Nagra 2020, Nagra 2022c). In den oben genannten beiden Modulen können sowohl ausreichend Flucht-, Rettungs- und Interventionswege zur Verfügung gestellt werden als auch eine Trennung von konventionellem und nuklearem Bereich gewährleistet werden. Störfälle in den genannten, gemeinsam genutzten Bereichen haben bei einer ausreichenden räumlichen Trennung von den Lagerbereichen keine Auswirkungen auf die Sicherheit. Deshalb würden sich aus einer Trennung der Einlagerungsbauwerke (separate Einlagerungszugänge, je einen für SMA-Lagerteil und HAA-Lagerteil) keine Vorteile bzgl. Störfällen/Sicherheit ergeben.

Obwohl gewisse Teilphasen beim Bau und Betrieb eines Kombilagers in der Planung aufwendiger sind, entsprechen die einzelnen Tätigkeiten im Wesentlichen den Vorgängen bei Einzellagern. Nagra (2020) zeigt hingegen, dass der Bau und der Betrieb eines Kombilagers ökonomische und ökologische Vorteile hat und es auch bzgl. Betriebssicherheit Vorteile gibt, da beim Personal von einer besseren Kontinuität und einem grösseren Know-How Aufbau auszugehen ist.

Als Schlussfolgerung hält die Nagra fest, dass eine Trennung der Zugangsbauwerke zu den Lagerbereichen SMA und HAA als sicherheitstechnisch nicht relevant eingestuft wird, da der sichere Bau und Betrieb wie auch eine sichere Nachverschlussphase der SMA- und HAA-Lagerteile sowohl mit gemeinsamen als auch mit getrennten Zugängen und Zentralem Bereich gewährleistet werden kann.

Referenzen

ENSI (2018): Präzisierungen der sicherheitstechnischen Vorgaben für Etappe 3 des Sachplans geologische Tiefenlager. Sachplan geologische Tiefenlager, Etappe 3. ENSI 33/649, November 2018.

ENSI-G03: Geologische Tiefenlager, Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat, Brugg, Dezember 2020.

Erläuterungsbericht zur Richtlinie ENSI-G03: Geologische Tiefenlager, Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat, Brugg, Dezember 2020.

KEG: Kernenergiegesetz vom 21. März 2003 (Stand am 1. Januar 2022), Schweiz, SR 732.1.

KEV: Kernenergieverordnung vom 10. Dezember 2004 (Stand am 1. Februar 2019), Schweiz, SR 732.11.

Nagra (2020): Standortunabhängiger Vergleich eines Kombilagers mit zwei Einzellagern hinsichtlich Bau- und Betriebsabläufe sowie Umwelt. Nagra Arbeitsbericht NAB 19-15, September 2020.

Nagra (2022a): Beherrschung möglicher karstbedingter Wasserzutritte während des Baus und Betriebs eines geologischen Tiefenlagers. Nagra Arbeitsbericht NAB 22-41, Dezember 2022.

Nagra (2022b): Module der Lagerarchitektur. Nagra Arbeitsbericht NAB 22-35, September 2022.

Nagra (2022c): Betriebskonzept für die geologische Tiefenlagerung. Nagra Arbeitsbericht NAB 21-06, November 2022.

Sachplan Geologische Tiefenlager – Konzeptteil. 2. April 2008 (Revision vom 30. November 2011).