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Technisches Forum Entsorgungsnachweis

Frage 55: Entsorgung in einem Kombilager

Verschiedentlich wird diskutiert, zusätzlich zu den abgebrannten Brennelementen und den hochradioaktiven Abfällen auch die schwachradioaktiven Abfälle im gleichen Tiefenlager einzulagern.

  1. Wie steht die HSK zu Überlegungen dieser Art?
  2. Welche Entscheidungswege kämen in Frage, wenn ein solches Ansinnen gestellt würde?
  3. Falls dies nicht in Frage kommt: Welcher Stellenwert wird dem Fehlen eines Entsorgungsnachweises für diese Arten radioaktiver Abfälle beigemessen?
  4. Falls diese Überlegungen nicht grundsätzlich abgelehnt werden: Wie soll sichergestellt werden, dass durch eine solche Ausweitung des Abfallspektrums keine Kompromisse in Sachen Sicherheit gemacht werden?
Thema , , Bereich
Eingegangen am 23. Dezember 2005 Fragende Instanz Klar! Schweiz
Status beantwortet
Beantwortet am 23. Dezember 2005 Beantwortet von

Beantwortet von ENSI

a) Wie steht die HSK zu Überlegungen dieser Art?

Die gemeinsame Lagerung aller radioaktiven Abfallsorten war im Oktober 2002 Gegenstand einer Interpellation (M. Kälin) im Nationalrat. Der Bundesrat hat in seiner Antwort auf die unterschiedlichen Anforderungen an die potentiellen Standorte für schwachaktive Abfälle und für hochaktive Abfälle hingewiesen. Er hat aber eine Prüfung dieser Option im Rahmen der weiteren Entwicklung des Entsorgungskonzeptes in Aussicht gestellt.

Die Gesetzgebung und die Richtlinien der HSK schreiben nicht vor, wie die radioaktiven Abfälle auf einzelne Tiefenlager aufgeteilt werden sollen. Die langfristige Sicherheit jedes Lagers muss aber nachgewiesen werden; die Beurteilungskriterien dazu sind in der Richtlinie HSK-R-21 festgehalten. Bei dem Nachweis der Sicherheit wird naturgemäss auf das Abfallinventar des Lagers Bezug genommen. Dabei ist nicht nur dessen Radioaktivität von Interesse, sondern es werden auch alle wichtigen gegenseitigen Beeinflussungen der Abfälle unter sich und mit den Sicherheitsbarrieren (Bestandteilen des Lagers sowie dem Wirtgestein) betrachtet.

Erfüllt das Tiefenlager die Sicherheitsanforderungen und wird der entsprechende Nachweis von den Behörden als korrekt akzeptiert, kann nach Ansicht der HSK das Lager gebaut werden. An Vor- und Nachteilen der gemeinsamen Lagerung aller Abfallsorten sind gelegentlich genannt worden:

Vorteile:

  1. Zeitgewinn und insgesamt kleinerer Aufwand zur Vorbereitung der Lagerung, da nur ein Standortauswahlverfahren durchgeführt werden muss.
  2. Geringerer Gesamtaufwand bei der Erschliessung des Lagers und dem Bau der benötigten Betriebsgebäude.
  3. Insgesamt eine kleinere Anzahl Zugänge (Zugangstunnel, Schächte) zu den gelagerten Abfällen und dadurch ein vereinfachter Verschluss des Lagers.

Nachteile:

  1. Die Abfälle sind in grösserer Vielfalt an einem Ort vorhanden, wodurch für die Zurückhaltung der Radionuklide nachteilige Wechselwirkungen der Abfälle eher möglich sind.
  2. Ein für Brennelemente und verglaste hochaktive Abfälle gutes Gestein (sehr dichtes Gestein) kann für schwachaktive Abfälle weniger geeignet sein (stärkere Gasgenerierung in den Abfällen). Die Auswahl an Standorten, die für die gemeinsame Lagerung infrage kämen, ist deshalb eingeschränkt.
  3. Die Einlagerung in ein Tiefenlager für hochaktive Abfälle ist voraussichtlich teurer als in ein Lager, das auf die sichere Lagerung von schwachradioaktiven Abfällen ausgelegt ist.

Die Beurteilung und das Abwägen solcher möglicher Vor- und Nachteile kann nach Ansicht der HSK nur anhand konkreter Lagerprojekte geschehen, wo die möglichen sicherheitsrelevanten Prozesse untersucht und die Auswirkungen quantifiziert werden können.

b) Welche Entscheidungswege kämen in Frage, wenn ein solches Ansinnen gestellt würde?

Die Entsorgungspflichtigen müssen die Anzahl benötigter Tiefenlager und die Aufteilung der Abfälle auf diese Lager im Entsorgungsprogramm festhalten, das gemäss Kernenergiegesetz, Art. 32, dem Bundesrat zur Genehmigung vorgelegt wird. Die Standortsuche für die Tiefenlager wird jeweils nach einem Sachplanverfahren durchgeführt (Kernenergieverordnung Art. 5, Raumplanungsgesetz, Art. 13). Ein Tiefenlager wird in Teilschritten bewilligt. Es muss dafür in zeitlicher Reihenfolge eine Rahmenbewilligung, eine Baubewilligung und eine Betriebsbewilligung erteilt werden. Bei jedem Bewilligungsschritt wird die Sicherheit des Lagers erneut aufgrund des inzwischen verbesserten Kenntnisstandes, z.B. bezüglich Standort- und Materialeigenschaften, beurteilt.

c) Falls dies nicht in Frage kommt: Welcher Stellenwert wird dem Fehlen eines Entsorgungsnachweises für diese Arten radioaktiver Abfälle beigemessen?

Das Vorliegen eines Entsorgungsnachweises wurde für alle radioaktive Abfälle verlangt. Mit dem Projekt Opalinuston will die Nagra diesen Entsorgungsnachweis für abgebrannte Brennelemente, verglaste hochaktive Abfälle und langlebige mittelaktive Abfälle führen. Alle anderen Abfälle werden als schwach- und mittelaktive Abfälle bezeichnet. Für diese Abfälle wurde der Entsorgungsnachweis im Rahmen vom Projekt Gewähr 1985 geführt und 1988 vom Bundesrat akzeptiert.

d) Falls diese Überlegungen nicht grundsätzlich abgelehnt werden: Wie soll sichergestellt werden, dass durch eine solche Ausweitung des Abfallspektrums keine Kompromisse in Sachen Sicherheit gemacht werden?

Siehe die Antwort auf die Teilfrage a).