Tritium könnte in der „Heissen Zelle“ beim Umlagern freigesetzt werden. Welche Gefahren bestehen in der OFA und im Tiefenlager durch Tritium?
Beantwortet von ENSI
Bei Arbeiten mit radioaktiven Substanzen müssen strikte gesetzliche Vorgaben zum Schutz der Beteiligten und der Bevölkerung eingehalten werden. Diese Vorgaben umfassen bauliche und organisatorische Aspekte, aber auch Planung und Durchführung der Arbeiten selbst. So sollen Dosisgrenzwerte eingehalten werden, die so angesetzt wurden, dass dadurch keine gesundheitlichen Auswirkungen zu erwarten sind.
Als radioaktives Isotop von Wasserstoff würde sich Tritium besonders in flüssiger Form, im menschlichen Stoffwechsel verteilen. In einer Oberflächenanlage ist nicht mit einer grösseren Menge an frei werdendem Tritium zu rechnen und die dadurch verursachten, in Modellrechnungen ermittelten Dosen sind gering. Die im Normalbetrieb von laufenden Kernanlagen verursachte Dosis ist um mehrere Grössenordnungen niedriger als die zulässigen Grenzwerte.
Grundsätzliches zum Strahlenschutz bei Arbeiten mit Radioaktivität
Für Tätigkeiten mit radioaktiven Stoffen sind gesetzlich vorgeschriebene, spezifische Bedingungen zu erfüllen und Vorkehrungen zum Schutz der Beteiligten und der Bevölkerung zu treffen. Massgebend ist die Strahlenschutzgesetzgebung, in der die einzuhaltenden Dosisgrenzwerte festgeschrieben sind. Deren Werte liegen in einem Bereich, in dem keine schädlichen Auswirkungen zu erwarten sind. Laut Gesetz und nach Abgabereglementen dürfen Kernanlagen geringe Mengen radioaktiver Stoffe nach aussen abgeben. Die erlaubten Mengen sind aber so bestimmt, dass sie keine Dosisgrenzwerte in der Umgebung verletzen. Für die Bevölkerung in der Umgebung von Kernanlagen, zu denen auch eine Oberflächenanlage eines geologischen Tiefenlages (OFA) gehört, gilt ein so genannter quellenbezogener Dosisrichtwert von 0,3 mSv pro Jahr. Dies bedeutet, dass durch die entsprechende Kernanlage höchstens diese Dosis verursacht werden darf. In der Regel ist die im Normalbetrieb von Kernanlagen verursachte Dosis um mehrere Grössenordnungen niedriger; siehe dazu die ENSI-Jahresberichte.
Tätigkeiten mit radioaktiven Stoffen sind bewilligungspflichtig, sobald Aktivitätsgrenzen aus der Strahlenschutzverordnung überschritten werden. Für eine Bewilligung sind unter Anderem bauliche und organisatorische Bedingungen zu erfüllen. Eine grundsätzliche Vorgabe ist die kontrollierte Zone, die laut Artikel 58 der Strahlenschutzverordnung zur Begrenzung und Kontrolle der Strahlenexposition einzurichten ist. Der Zutritt und Aufenthalt ist vom Bewilligungsinhaber zu kontrollieren. In organisatorischer Hinsicht besteht die Pflicht, ausgebildetes Strahlenschutzpersonal zur Überwachung einzusetzen. Ebenso haben diejenigen Personen, die für die Arbeiten mit radioaktiven Stoffen vorgesehen sind, den Status von beruflich strahlenexponiertem Personal.
Die in der Strahlenschutzgesetzgebung geforderten Anforderungen an Gebäude oder allgemein an Räumlichkeiten, in denen mit radioaktiven Stoffen gearbeitet werden darf, werden in der Richtlinie R-07 des ENSI genauer spezifiziert. Beim Zutritt zu kontrollierten Zonen mit Kontaminationsgefahr muss man sich komplett umkleiden und es besteht generell eine Pflicht zum Tragen von Dosimetern. Die kontrollierte Zone selbst muss ebenfalls mehrere Bedingungen erfüllen: so müssen die Oberflächen (Wände, Böden etc.) leicht dekontaminierbar sein und es muss ein Unterdruck gegenüber der „Aussenwelt“ herrschen, damit in einem Kontaminationsfall keine Radioaktivität nach aussen gelangen kann. Innerhalb der kontrollierten Zone gibt es noch weiter abgestufte Zonentypen, je nachdem welche Oberflächen- oder Luftkontamination zu erwarten ist. Die Übertritte zwischen den einzelnen Zonentypen sind vom Strahlenschutz zu überwachen. Verlässt man die Kontrollierte Zone, so muss man zwei Barrieren („Grenzen“) passieren, wo mittels Monitoren eine eventuelle Kontamination erfasst werden kann.
In der kontrollierten Zone werden laufend die Luftwerte in Bezug auf Kontaminationen überwacht, ebenso wird die externe Strahlung (Ortsdosisleistung) erfasst. Eine „Heisse Zelle“ darf nur innerhalb einer kontrollierten Zone betrieben werden. Käme es zu einem Zwischenfall, bei dem z.B. Tritium austritt, so werden verschiedene Alarme ausgelöst. Im Beispiel der Heissen Zelle würde ein Alarm ausgelöst, wenn innerhalb der Zelle vordefinierte Dosisleistungen überschritten würden. Sollte ausserhalb der Zelle Aktivität gemessen werden, so wird der kontaminierte Bereich evakuiert und abgeschottet. Radioaktives Gas wird über Filter abgesaugt, radioaktive Flüssigkeiten werden von geschultem Personal aufgenommen. Bevor der betroffene Bereich wieder für die Arbeiten freigegeben werden kann, muss ihn der Betriebsstrahlenschutz freimessen, das heisst, als nicht-kontaminiert deklarieren. Dies geschieht mit standardisierten Methoden.
Bei der praktischen Arbeit sind die Grundlagen (vier „A“) des Strahlenschutzes einzuhalten. Dazu gehören die Abschirmung der Strahlenquelle, eine möglichst kurze Aufenthaltszeit im Strahlenfeld, ein möglichst grosser Abstand zur Strahlenquelle und die spezifische Ausbildung.
Als praktische Faustregel zum Abschätzen von Aktivitäten in Bezug auf die Halbwertszeiten des jeweiligen Isotops kann angegeben werden, dass nach 7 Halbwertszeiten noch ungefähr 1% der Anfangsaktivität vorhanden sein wird (50% nach 1HWZ, 25% nach 2HWZn, 12,5% nach 3 HWZn, 6,25% nach 4 HWZn, 3,125% nach 5 HWZn, 1,56% nach 6 HWZn und schliesslich 0,78% nach 7 HWZn).
Tritium
Tritium ist insofern ein Spezialfall, da es als Isotop des Wasserstoffs überall am Stoffwechsel mitwirken kann, wo sonst Wasserstoff vorkommt. Der Stoffwechsel unterscheidet nicht zwischen radioaktiven und nicht-radioaktiven Verbindungen. Im Unterschied zu Isotopen, welche sich spezifisch in gewissen Zielgeweben anreichern, verteilt sich Tritium im ganzen Körper. Im menschlichen Stoffwechsel wird elementarer Wasserstoff aber nicht gebraucht, somit wird reines, gasförmiges Tritium, wenn es aufgenommen wird, nur zu einem sehr kleinen Teil im Blut gelöst. Der grösste Teil wird wieder als Gas abgeatmet. Wird hingegen Tritium als Teil eines Wassermoleküls aufgenommen, so wird es sich relativ schnell mit dem schon im Körper vorhandenen Wasser vermischen. In den Urin gelangt es mit einer Halbwertszeit von etwa 10 Tagen. Somit ist die Aufnahme von flüssigem Tritium wesentlich gefährlicher als diejenige von gasförmigem. Im praktischen Strahlenschutz ist es ein zentrales Anliegen, jegliche Art von Aufnahme einer radioaktiven Substanz in den Körper zu vermeiden. Generell kann gesagt werden, dass sich Tritium überall dort „in den Stoffwechsel einmischen“ kann, wo eigentlich Wasserstoff gebraucht würde. Also kann es sich auch in Moleküle einlagern.
Kommt es trotzdem zu einer Aufnahme, ist die biologische Wirkung abhängig von der chemischen Form der aufgenommenen radioaktiven Substanz. Dies gilt auch für Tritium. Bewegt sich ein radioaktiver Partikel in den Körper, so wird die von ihm ausgehende Strahlung die Gewebe in der Umgebung betreffen. Liegt die radiaoaktive Substanz in einer Form vor, welche an einem bestimmten Ort mechanisch oder stoffwechselbedingt länger verweilt, so wird sich in dieser Umgebung die Dosis entsprechend erhöhen.
Im Bereich von kleinen Dosen können Mutationen oder die Entstehung von Krebs die Folge sein, wobei sich deren Wahrscheinlichkeit mit der Dosis erhöht. Bei höheren Dosen überwiegen akute Effekte, die bei einer Erhöhung der Dosen immer schwerwiegender werden.
Tritium selbst lässt sich nicht einfach durch Filter zurückhalten, es besteht aber die Möglichkeit, das Tritium chemisch an Zirkonium zu binden. Nach einer Freisetzung bietet sich damit die Möglichkeit, Tritium zu sammeln und in kleinen Einheiten, im Rahmen der in den Abgabereglementen festgeschriebenen zulässigen Mengen, abzugeben. Da Tritium eine physikalische Halbwertszeit von etwas mehr als 12 Jahren hat, ist das „Abklingen lassen“ für den Normalbetrieb von Kernkraftwerken keine praktikable Option.
In der OFA ist die Tritiumkonzentration gering, da praktisch kein Wasser aus den Brennelement-Lagerbecken der Kernkraftwerke transportiert wird. Ausserdem ist vielfach der umzuladende Brennstoff bereits viele Jahre trocken gelagert.
Die weltweit grösste Tritiumaktivität wird in der Atmosphäre durch Wechselwirkung mit Teilchen aus der Sonne gebildet. In der Schweiz werden in Niederschlägen meistens weniger als 5 Bq pro Liter gemessen (BAG-Jahresbericht 2012), die Maxima bewegen sich im Bereich von etwa 40 Bq pro Liter. Das Tritium stammt vorwiegend aus Tritium-verarbeitenden Firmen. Der Grenzwert in öffentlich zugänglichen Gewässern liegt laut Strahlenschutzverordnung bei 12000 Bq pro Liter. Die Dosen für die Bevölkerung, welche anhand der gemessenen Tritium-Abgaben berechnet wurden, liegen unterhalb von 0,001 Millisievert pro Jahr (ENSI-Strahlenschutzbericht 2012).
Es wird immer wieder davor gewarnt, dass im Strahlenschutz wie auch in der Gesetzgebung das Tritium in seiner Wirkung unterschätzt würde und dass demnach Grenzwerte zu hoch angesetzt seien. Nach dem aktuellen Kenntnisstand in Bezug auf das Verhalten von Wasserstoff im Stoffwechsel und in Bezug auf die physikalischen Eigenschaften des Tritiums kann aber davon ausgegangen werden, dass Aktivitäten und die sich daraus ergebenden Dosen nach neuesten Methoden berechnet sind und dass durch die Grenzwerte die Schutzziele erfüllt sind.
Die Eidgenössische Kommission für Strahlenschutz und Überwachung der Radioaktivität (KSR) kommt auch zum Schluss, dass die International Commission on Radiation Protection (ICRP), auf deren Empfehlungen auch die Schweizerischen Grenzwerte im Strahlenschutz hauptsächlich beruhen, nach wie vor als verlässliche Referenz zu betrachten ist.