a) Weitere Forschungs- und Entwicklungsarbeiten:
Entsorgungsprogramm
Die Kernenergieverordnung schreibt in Art. 52 die Einreichung eines Entsorgungsprogramms vor. Die Entsorgungspflichtigen haben im Entsorgungsprogramm Angaben zu machen über:
- Herkunft, Art und Menge der radioaktiven Abfälle;
- die benötigten geologischen Tiefenlager einschliesslich ihres Auslegungskonzepts;
- die Zuteilung der Abfälle zu den geologischen Tiefenlagern;
- den Realisierungsplan für die Erstellung der geologischen Tiefenlager;
- die Dauer und die benötigte Kapazität der zentralen und der dezentralen Zwischenlagerung;
- den Finanzplan für die Entsorgungsarbeiten bis zur Ausserbetriebnahme der Kernanlagen, mit Angaben über die zu tätigenden Arbeiten die Höhe der Kosten und die Art der Finanzierung.
- das Informationskonzept
Die Entsorgungspflichtigen haben das Programm alle fünf Jahre anzupassen. Zuständig für die Überprüfung und für die Überwachung der Einhaltung des Programms sind das ENSI und das Bundesamt für Energie.
Die Nagra hat im Oktober 2008 den Bericht NTB 08-01 „Entsorgungsprogramm 2008 der Entsorgungspflichtigen“ eingereicht. Eine Stellungnahme des ENSI wird voraussichtlich Ende 2010 vorliegen.
Offene Fragen aus dem Entsorgungsnachweis
Der Bundesrat hat in seinem Entscheid über den Entsorgungsnachweis am 28. 6. 2006 verfügt, dass die Kernkraftwerkgesellschaften gleichzeitig mit dem Entsorgungsprogramm nach Artikel 32 des KEG dem Bundesrat einen Bericht zu unterbreiten haben, der alle in den Gutachten und Stellungnahmen von HSK, KNE, KSA und den OECD/NEA – Experten enthaltenen offenen Fragen, Hinweise und Empfehlungen systematisch erfasst und aufzeigt, wie diese im weiteren Verfahren zeit- und sachgerecht beantwortet werden.
Die Nagra ist diesem Auftrag mit dem Einreichen des Berichts NTB 08-02 im Oktober 2008 nachgekommen. Dieser Bericht wird gegenwärtig vom ENSI überprüft. Eine Stellungnahme wird voraussichtlich Ende 2010 vorliegen (nachträglich eingefügter Link: ENSI 33/070: Sicherheitstechnisches Gutachten zum Vorschlag geologischer Standortgebiete, Sachplan geologische Tiefenlager, Etappe 1, Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat, Brugg, 2010).
Forschungs- und Entwicklungsarbeiten
Welche weiteren Forschungs- und Entwicklungsarbeiten die Nagra vorsieht, ist im Bericht NTB 09-06 dokumentiert. Die Nagra hält dort fest: „Die Lagerrealisierung erfolgt in einem schrittweisen Prozess, der sich über mehrere Jahrzehnte erstreckt, was eine umfassende Planung der wissenschaftlichen und technischen Arbeiten erforderlich macht; diese Planung ist im vorliegenden Forschungs-, Entwicklungs- und Demonstrations-Plan (‚Research, Development & Demonstration’, engl. Abkürzung RD&D) dokumentiert. Das Hauptziel des RD&D-Plans liegt in der Festlegung des Zwecks, des Umfangs, der Art und der zeitlichen Abfolge der verschiedenen zukünftigen RD&D-Aktivitäten, basierend auf den entsprechenden Anforderungen und Planungsannahmen für die Lagerrealisierung.“
Projekte der regulatorischen Sicherheitsforschung
Das ENSI hat im Mai 2010 die drei Projekte „Auslegung und Inventar des Pilotlagers“, „Monitoringkonzept und -einrichtungen“ und „Lagerauslegung“ unter Beizug von Vertretern von Bundesbehörden und externen Experten gestartet. Ziel aller Projekte ist eine breite Auslegung des national und international vorhandenen Wissens und der existierenden Konzepte und das Evaluieren von Tongestein-spezifischen Anforderungen. Die in den Projekten erarbeiteten Resultate sollen dann zur Festlegung von Anforderungen an ein zukünftiges Geologisches Tiefenlager verwendet werden und können mittelfristig in die Richtlinie ENSI-G03 einfliessen. Die Projekte sollen im Sommer 2012 (Pilotlager, Lagerauslegung) beziehungsweise Ende 2013 (Monitoring) abgeschlossen werden.
Pilotlager
Ein Geologisches Tiefenlager umfasst das Hauptlager, das Pilotlager und die Testbereiche (Art. 64 KEV) sowie die erforderlichen unterirdischen Zugangsbauwerke. Ein Geologisches Tiefenlager und dessen Oberflächenanlagen sind auf die Umsetzung der Leitsätze zur Erreichung des Schutzziels und die Einhaltung der Schutzkriterien auszulegen. Es gelten die in der Kernenergiegesetzgebung festgehaltenen Grundsätze der nuklearen Sicherheit und Sicherung.
Das Pilotlager geht auf eine Empfehlung der Expertengruppe Entsorgungskonzept für radioaktive Abfälle (EKRA) zurück, die darin die Möglichkeit erkannte, die mutmasslichen physikalischen und chemischen Vorgänge im Hauptlager an einer kleineren, aber realistischen Nachbildung zu beobachten. Für diesen Zweck muss das Pilotlager in der Bauweise und im Inventar für das Hauptlager repräsentativ sein und mit Überwachungseinrichtungen instrumentiert werden. Im Pilotlager und seiner Umgebung sollen die Wirksamkeit des Barrierensystems überwacht und, durch Übertragung der Ergebnisse, Folgerungen über das korrekte Funktionieren des Hauptlagers gezogen werden.
Die Überwachung im Pilotlager dient dazu, die Prozesse bezüglich der Abfälle und der Sicherheitsbarrieren vor Ort beobachten zu können. Die Resultate dieser Überwachung liefern Grundlagen für den Verschluss des geologischen Tiefenlagers. Die Überwachung im Pilotlager beginnt nach dessen Beschickung mit Abfällen und endet mit Beginn des ordnungsgemässen Verschlusses des geologischen Tiefenlagers.
Um möglichst frühzeitig auf allfällige warnende Erkenntnisse aus der Beobachtung des Pilotlagers reagieren zu können, sollen die Beschickung und die Überwachung des Pilotlagers vor dem Beginn der Einlagerung im Hauptlager erfolgen.
Bei der Auslegung des Pilotlagers sind folgende Grundsätze (KEV, Art. 66, Abs. 3) zu beachten:
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Die geologischen und hydrogeologischen Verhältnisse müssen mit denjenigen des Hauptlagers vergleichbar sein
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Das Pilotlager muss vom Hauptlager räumlich und hydraulisch getrennt sein
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Die Bauweise des Pilotlagers und die Art der Einlagerung der Abfälle und der Verfüllung müssen dem Hauptlager entsprechen
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Das Pilotlager muss eine repräsentative kleine Menge von Abfällen enthalten
Damit die Auswirkungen der im Pilotlager auftretenden Prozesse und die daraus gewonnenen Erkenntnisse auf das Hauptlager übertragbar sind, müssen im Pilotlager die für das Hauptlager geplante Auslegung der Lagerstollen und Verfüllung übernommen und eine repräsentative Auswahl der Abfallgebinde eingelagert werden. Die Anzahl, Art und Lagerungsweise der Abfallgebinde müssen die Verhältnisse im Hauptlager möglichst gut abbilden.
Um die Verhältnisse im Pilotlager zu verfolgen, können z.B. folgende Aspekte überwacht werden:
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zeitliche Entwicklung der Temperaturverteilung
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Wasseraufsättigung
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hydraulische Druckverhältnisse
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felsmechanisches Verhalten des Gebirges und Mikroseismizität
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chemische Parameter der Poren- und Kluftwässer
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Anzeichen von ungünstiger Wechselwirkung benachbarter Barrieren
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Gasentwicklung aus den Abfallgebinden
Viele der im Hauptlager erwarteten Prozesse laufen zu langsam ab, als dass sie während der Dauer der Beobachtungsphase im Pilotlager erfasst werden könnten. Es ist daher zu erwarten, dass nur ausgewählte Aspekte des Sicherheitsnachweises bestätigt werden können. Die Überwachung kann aber die Gewissheit geben, dass keine unerwarteten Vorgänge beobachtet werden konnten. Sie bestätigt damit das erwartete Verhalten des Pilotlagers.
Die Überwachungseinrichtungen könnten die langfristige Wirkung der Barrieren des Pilotlagers beeinträchtigen und damit dessen Langzeitsicherheit gefährden. In einem solchen Fall ist vorzusehen, dass die in das Pilotlager eingebrachten Abfälle zurückgeholt und ordnungsgemäss in das Hauptlager eingelagert werden.
Die Nagra sieht vor (NTB 08-01, Seite 109), die Ausgestaltung des Pilotlagers (inkl. Instrumentierung) und der weiteren Elemente der Überwachung für das Rahmenbewilligungsgesuch als Konzepte vorzulegen. Die detaillierte Ausgestaltung erfolgt für das nukleare Baubewilligungsgesuch
Die Nagra hält in NTB 08-01, Seite 60 zum Betrieb des Pilotlagers folgendes fest: „Im Anschluss an die Baubewilligung werden die für die Aufnahme des Einlagerungsbetriebs notwendigen Anlagen erstellt und das Gesuch für die nukleare Betriebsbewilligung ausgearbeitet und zur Bewilligung eingereicht. Nach Erhalt der Betriebsbewilligung beginnt der Einlagerungsbetrieb. Zuerst werden die Abfälle des Pilotlagers eingelagert, dann diejenigen des LMA-Lagers. Dann beginnt die Einlagerung der BE und HAA. Parallel zur Einlagerung werden weitere BE/HAA-Lagerstollen erstellt. Nach Abschluss der Einlagerung beginnt die Beobachtungsphase. Für Planungszwecke wird gemäss SEFV Art. 3 von einer Beobachtungsphase von 50 Jahren ausgegangen; deren Dauer kann aber bei Bedarf angepasst werden. Während der ganzen Beobachtungsphase müssen das Pilotlager zugänglich und die Rückholung der Abfälle mit vertretbarem Aufwand möglich sein. Nach Abschluss der Beobachtungsphase wird nach Anordnung des Verschlusses durch den Bundesrat die Anlage vollständig verschlossen und versiegelt; anschliessend wird voraussichtlich die Überwachung von der Oberfläche weitergeführt.“
b) und c) Vorgehensweise & Alternativkonzepte
Die Expertengruppe EKRA kam in ihrem Schlussbericht (Januar 2000) zum Schluss, dass einerseits Zwischenlager das Ziel der Langzeitsicherheit nicht erfüllen und andererseits die geologische Endlagerung die einzige Methode zur Entsorgung der radioaktiven Abfälle ist, welche den Anforderungen an die Langzeitsicherheit (bis zu mehr als 100 000 Jahren) entspricht.
Die Empfehlungen der EKRA sind in das Kernenergiegesetz (KEG, 2003) eingeflossen. Die Entsorgungspflichtigen und die Aufsichtsbehörden erfüllen ihre Aufträge gemäss der Kernenergiegesetzgebung (KEG, KEV). Zur Entsorgungspflicht gehören die notwendigen Vorbereitungsarbeiten wie Forschung und erdwissenschaftliche Untersuchungen sowie die rechtzeitige Bereitstellung eines geologischen Tiefenlagers.
Die Entsorgungspflicht ist gemäss Kernenergiegesetz Art. 31 erst erfüllt, wenn die Abfälle in ein Geologisches Tiefenlager verbracht worden sind und die finanziellen Mittel für die Beobachtungsphase und den allfälligen Verschluss sichergestellt sind. Sollte es sich zeigen, dass das Konzept der geologischen Tiefenlagerung an den im Sachplanverfahren gewählten Standorten nicht umsetzbar ist, müsste der Gesetzgeber das weitergehende Vorgehen bestimmen