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Frage 31: Selbstabdichtungsvermögen von Opalinuston

Frage zur Seismik/Opalinuston: Werden bei seismischen Ereignissen verheilte Störungen im Opalinuston reaktiviert oder ist diese Verheilung so stark, dass neue Störungen an anderen Orten angelegt werden?

Thema , Bereich
Eingegangen am 9. Oktober 2009 Fragende Instanz Kanton Zürich
Status beantwortet
Beantwortet am 4. November 2010 Beantwortet von ,

Beantwortet von Nagra

Die Nagra verwendet die Terminologie, die wegen der unterschiedlichen Handhabung der Begriffe im Rahmen eines EC-Clusters erarbeitet wurde:

  • Abdichtung beziehungsweise Selbstabdichtung ist eine Reduktion der Transmissivität eines Bruchs durch hydromechanische, hydrochemische oder hydrobiochemische Prozesse
  • Heilung beziehungsweise Selbstheilung ist eine Abdichtung mit Verlust der Erinnerung an den Zustand vor der Heilung (z.B. in wenig konsolidierten, plastischen Tone, Steinsalz)

Für den Opalinuston muss der Begriff Selbstabdichtung verwendet werden, weil Bruchstrukturen auch bei einer vollständigen hydraulischen Abdichtung immer sichtbar bleiben (vergleichbar mit einer Narbe).

Selbstabgedichtete Störungen im Opalinuston bleiben eine mechanische Schwachstelle, welche bei einer Deformation des Gebirges von tektonischen Differenzialbewegungen bevorzugt wird. Aus diesem Grund würden in Bereichen, wo signifikante Störungszonen einen HAA-Lagerstollen durchschlagen, keine Behälter eingelagert, das heisst der betreffende Stollenabschnitt würde nur mit Bentonit verfüllt, damit – im Falle einer allfälligen späteren Reaktivierung der Störung – keine Behälter direkt im Bereich von Störungszonen liegen.

Es kann allerdings nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass über sehr lange Zeiträume eine neue Störung im bisher ungestörten Gestein entsteht (z.B. durch ein grosses seismisches Ereignis an einer grossen Störung im Grundgebirge; vgl. Frage 32). Aufgrund des Selbstabdichtungsvermögens des Opalinustons würde auch eine solche neugebildete Störung keinen bevorzugten Fliesspfad für Radionuklide bilden. Um die Robustheit der Argumentation zu erhöhen wurde der bisher noch nie beobachtete Fall einer unvollständigen Selbstabdichtung der Störung im Rahmen der Sicherheitsanalyse zum Entsorgungsnachweis sowie in den orientierenden Sicherheitsbetrachtungen für SGT Etappe 1 mit einem sogenannten ’What if?’ -Fall mit einer transmissiven Störung analysiert, welche alle Lagerstollen durchschlägt und durch welche die Radionuklide aus den im Bereich der Störung liegenden Behältern freigesetzt werden. Auch unter diesen Umständen liegt das resultierende Dosis­maximum noch eine Grössenordnung unterhalb des gesetzlichen Schutzziels. Dies ist auf die sehr günstigen Barriereneigenschaften des Opalinustons zurückzuführen (sehr gute Sorptionseigenschaften, Diffusion von Radionukliden aus der Störung in den angrenzenden ungestörten Opalinuston). Solche ‘What if?’-Fälle werden auch in Sicherheitsanalysen der folgenden Etappen des Sachplans Geologische Tiefenlager betrachtet.

Beantwortet von swisstopo

Swisstopo beschränkt sich bei der Beantwortung der Frage 31 auf Erkenntnisse aus den Untersuchungen im Felslabor Mont Terri (siehe auch Antwort der Nagra mit Bezug zu weiteren Untersuchungen in der Nordschweiz).

  • Die Selbstabdichtung („Verheilung“) von Störungen ist keine Selbstheilung s.str., wie dies z.B. bei Salzgesteinen durch Rekristallisation des Gefüges der Fall ist. Beim Tongestein werden offene Klüfte und Bruchflächen durch die aufquellenden Tonminerale verschlossen und abgedichtet, es entstehen aber im Unterschied zum Salz „Narben“. Die Druck- und Zugfestigkeit dieser Narben sind im Vergleich zum intakten Matrixgestein des Opalinustons reduziert und somit kann davon ausgegangen werden, dass abgedichtete planare Strukturen bei seismischen Ereignissen bevorzugt reaktiviert werden können. Es gab bisher jedoch am Mont Terri kein Experiment, welches die felsmechanischen Kennwerte von abgedichteten Klüften und Bruchflächen ermittelt. Wichtig zu erwähnen ist die Reduzierung der Durchlässigkeit bei einer Abdichtung von Klüften. Selbstabdichtungstests in der Auflockerungszone im Felslabor Mont Terri haben bestätigt, dass die Durchlässigkeiten innerhalb von 3 Jahren um 2 bis 3 Zehnerpotenzen reduziert wurden. Durch das Schwellen des Bentonits (simuliert mit einer Presse, welche an die Stollenwand gedrückt wurde), wird die Durchlässigkeit nochmals um die gleiche Grössenordnung reduziert. Damit kommen die Durchlässigkeiten in selbstabgedichteten Klüften und Brüchen in die gleiche Grössenordnung wie diejenige der undeformierten Tongesteinsmatrix zu liegen.
  • Spannungsmessungen in Bohrlöchern (Hydraulic Fracturing) haben gezeigt, dass sich bei erhöhtem Wasserdrücken im Bohrloch primär Schichtflächen öffnen können. Abgedichtete Klüfte und Bruchflächen sind Anisotropieflächen mit reduzierten Festigkeiten, wie dies bei Schichtflächen auch der Fall ist, weshalb es nahe liegt, dass Schichtflächen ebenfalls bevorzugt reaktiviert werden.

Auch wenn eine abgedichtete Kluft, tektonische Bruchfläche oder Schichtfläche reaktiviert werden sollte, wird ihre Durchlässigkeit, unabhängig von der Fazies, nach wie vor sehr gering sein, da die Selbstabdichtungsprozesse wieder aktiviert werden (Selbstabdichtung; siehe Frage 30). Auch die Rückhalteeigenschaften (Sorption an Tonmineralien) solcher Zonen sind nach wie vor intakt aufgrund der frischen neuen Oberflächen.

Fazit

Eine im Vergleich zum ungestörten Matrixgestein präferenzielle Reaktivierung von abgedichteten Klüften und Bruchflächen kann nicht ausgeschlossen werden. Die hydraulische Durchlässigkeit solch reaktivierter Strukturen ist jedoch vergleichbar mit jener des undeformierten Matrixgesteins, da die reaktivierten Strukturen durch Selbstabdichtungsprozesse hydraulisch wieder verschlossen und abgedichtet werden.