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ENSI-Strahlenschutzseminar 2025: Gesundheitliche Auswirkungen ionisierender Strahlung

Wie wirkt ionisierende Strahlung auf den Menschen? Wie erhöht sich das Erkrankungsrisiko? Und ab wann kommt es zu einer Krebserkrankung? Diesen und anderen Fragen ging das sechste ENSI-Strahlenschutzseminar vom 29. Oktober in Lenzburg nach.

Im Fokus stand dieses Jahr die «Strahlen-Epidemiologie», die sich mit den gesundheitlichen Auswirkungen von ionisierender Strahlung auf den Menschen beschäftigt. Untersuchungen zur Strahlen-Epidemiologie liefern einen wichtigen Beitrag zur wissenschaftlichen Basis, auf welcher die Strahlenschutzgesetzgebung und entsprechende Grenzwerte beruhen. Ihr Ziel ist es, den Zusammenhang zwischen Strahlenexposition und Erkrankungen – insbesondere Krebs – statistisch zu erfassen. Dafür werden unter anderem grosse Personengruppen, welche ionisierender Strahlung ausgesetzt waren, untersucht.

Das ENSI vermittelt grundlegende Einführung in die Thematik

Als erste Referentin des Seminars gab Luana Hafner, Strahlenschutz-Fachexpertin im ENSI, den Teilnehmenden eine Einführung in die theoretischen Grundlagen des Fachgebiets. Neben einer Beschreibung der grundlegenden Methodologie ging sie auch auf verschiedene Studien ein, welche untersuchen, wie das Erkrankungsrisiko mit der Strahlenexposition zusammenhängt. So erforschte etwa die Life Span Study (LSS) über Jahrzehnte die Langzeitfolgen der Strahlenexposition von Überlebenden der beiden Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki.

Eine Software zur Risikobestimmung

Im Anschluss referierte Peter Scholz-Kreisel vom deutschen Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) über die Entwicklung einer Software zur Berechnung der Zusammenhangswahrscheinlichkeit zwischen einer Erkrankung und einer Strahlenexposition («ProZES»). Dieses Programm wird in Deutschland dazu eingesetzt, um die Wahrscheinlichkeit zu bestimmen, bei welcher eine Krebserkrankung mit einer beruflich bedingten Strahlenexposition zusammenhängt.

Die Auswirkungen akkumulierter Strahlendosen

Wolfgang-Ulrich Müller, Strahlenbiologe und langjähriges Mitglied sowie Vorsitzender der deutschen Strahlenschutzkommission, beschrieb in seinem Vortrag die Wirkmechanismen, welche nach einer Strahlenexposition theoretisch zu einer Erkrankung führen können. So kann ionisierende Strahlung im menschlichen Körper durch physikalische Prozesse Zellen beschädigen. Zwar verfügen diese über komplexe Reparaturmechanismen. Deren Effektivität ist aber abhängig vom Ausmass der Schädigung.

Studien im Niedrigdosisbereich

Am Nachmittag referierte Linda Walsh, eine ausgewiesene Expertin für Strahlenepidemiologie, die in vielen Expertengremien, darunter beispielsweise der WHO, IAEA oder ICRP, involviert war, über Resultate der «Million Person Study» (MPS). In dieser noch immer andauernden nordamerikanischen Studie, welche beruflich strahlenexponierte Personen aus verschiedenen Tätigkeitsfeldern erfasst, werden die gesundheitlichen Auswirkungen ionisierender Strahlung im Niedrigdosisbereich untersucht. Damit können Unsicherheiten in aktuellen Strahlenschutzmodellen besser verstanden werden. Nebst den Risiken für Krebserkrankungen werden auch Risiken für andere Krankheiten wie zum BeispielHerz-Kreislauferkrankungen oder Parkinson untersucht.

Strahlenrisiken in der Raumfahrt

Der Strahlenschutz spielt auch in der bemannten Raumfahrt eine wichtige Rolle. Dies zeigte Linda Walsh im zweiten Teil ihres Vortrags auf. Auf der Erde schützt die Atmosphäre vor dem Einfluss kosmischer Strahlung. Auf bemannten Raumflügen oder an Bord der internationalen Raumstation ISS sind die Strahlenrisiken aufgrund der fehlenden Atmosphäre höher als auf der Erde. Thomas Berger, Leiter der Abteilung Strahlenbiologie des deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, stellte dafür Resultate des Matroshka AstroRad Radiation Experiments («MARE») vor. Dabei wurden zwei menschenähnliche Phantome (Dummies) mit jeweils ca. 6000 passiven Strahlensensoren ausgestattet, um bei einer Mondumkreisung Daten über kosmische Strahlung zu sammeln. Die Auswertungen lieferten wichtige Daten für den Strahlenschutz zukünftiger bemannter Mond- oder Marsmissionen.

Das ENSI-Strahlenschutzseminar – ein Beitrag zur Fortbildung

Am diesjährigen Strahlenschutzseminar haben rund 40 Expertinnen und Experten der Schweizer Kernanlagen, des Paul-Scherrer-Instituts, des Bundesamts für Strahlenschutz, des deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, der Universität Zürich sowie des ENSI teilgenommen.

Auch ausserhalb der Vorträge kam es zu einer regen Diskussion zwischen den Teilnehmenden. Dabei zeigte sich: Das Strahlenschutzseminar des ENSI hat sich mittlerweile als Plattform für den Fachaustausch etabliert und wird von den Teilnehmenden geschätzt. Das jährliche Seminar gilt als anerkannte Fortbildung für Schweizer Strahlenschutzfachleute. Gemäss Strahlenschutz-Ausbildungsverordnung müssen sich diese entsprechend ihrer Verantwortung und Tätigkeit mindestens alle drei Jahre fortbilden.

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