Radioaktive Isotope wie das Cäsium-137 können im Sediment aller Seen der Schweiz nachgewiesen werden. Die Quellen dafür sind vielfältig. Neben den Kernkraftwerken gibt es Abgaben der Industrie, Forschung und Medizin. Auch aus dem Ausland können über die Luft radioaktive Isotope in die Schweiz getragen werden. Dies wurde bereits durch verschiedene wissenschaftliche Forschungsprojekte untersucht.
Der wissenschaftliche Artikel, auf den sich der Artikel in der SonntagsZeitung und im Le Matin dimanche abstützt, zeigt denn auch, dass es bereits vor und seit der Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Mühleberg im Sediment im Bielersee immer wieder Ablagerungen von Cäsium-137 gab. Spitzen gab es 1963, 1976 und 1986.
Die beiden grössten spezifischen Aktivitäten im Sedimentbohrkern aus dem Bielersee stammen von Ereignissen, die nicht im Zusammenhang mit dem Kernkraftwerk Mühleberg stehen:
- Die Spitze im Jahr 1963 mit über 120 Becquerel pro Kilogramm wird mit dem Fallout infolge der Atombombentests in der Atmosphäre erklärt.
- Die mit Abstand grösste Spitze mit über 160 Becquerel pro Kilogramm stamme aus dem Jahr 1986 und stehe im Zusammenhang mit der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl.
- Der Anstieg 1976 auf 95 Becquerel pro Kilogramm kann mit Brennelementschäden im Kernkraftwerke Mühleberg in Zusammenhang gebracht werden.
Abgaben sind dokumentiert und publiziert
„Der Fund von Cäsium im Bielersee überrascht uns nicht“, erklärt Georges Piller, Leiter des Fachbereichs Strahlenschutz beim Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI. „Unsere Untersuchungen zusammen mit der EAWAG zeigten bereits 1995, dass die abgegebenen Radionuklide in den Gewässern und den Sedimenten unterhalb der Kernkraftwerke nachgewiesen werden können. Die für das Jahr 2000 gemessenen 41 Becquerel pro Kilogramm sind eine vergleichsweise kleine Erhöhung des Cäsiumwerts im Bielersee und korrelieren mit den erhöhten Cäsium-Abgaben des Kernkraftwerks Mühleberg, welche wir in den Jahren 1998 und 1999 festgestellt haben.“ Diese Abgaben sind in den veröffentlichten Jahresberichten der Hauptabteilung für die Sicherheit von Kernanlagen HSK (der Vorgängerorganisation des ENSI), des Bundesamtes für Gesundheit BAG und der Eidgenössischen Kommission zur Überwachung der Radioaktivität KUeR dokumentiert.
Die Cäsium-Abgaben des Kernkraftwerks Mühleberg im genannten Zeitraum waren leicht höher als in den Jahren zuvor und danach jedoch tiefer als der Durchschnitt in den ersten rund zwanzig Betriebsjahren. „Auch in diesen beiden Jahren wurden die Grenzwerte deutlich eingehalten“, betont Georges Piller. „Seither sind die Abgaben stetig weiter zurückgegangen.“
Die Ursache für die erhöhten Abgaben sind nicht auf Zwischenfälle zurückzuführen, sondern auf die endlagerfähige Konditionierung von Altharzen aus dem Zwischenlager mit der im Jahr 1995 in Betrieb genommenen Verfestigungsanlage CVRS. Der Betrieb dieser Anlage wurde in den Folgejahren weiter optimiert und damit die Cäsiumabgaben wieder verringert.
Trotz dieses naheliegenden Zusammenhangs zum Kernkraftwerk Mühleberg können nicht alle gemessenen Cäsiumspuren eindeutig und ausschliesslich Kernkraftwerken zugeordnet werden. Ähnliche und teils höhere Werte finden sich auch in den Sedimenten anderer Schweizer Seen, die nicht am Unterlauf eines Kernkraftwerks liegen.
Im Tessin beispielsweise sind um ein Vielfaches höhere Werte weit verbreitet. Auch in Berner Seen wurden höhere Werte gemessen. Die Autoren der Studie, welche die SonntagsZeitung und Le Matin dimanche als Grundlage verwendet haben, haben auch den Brienzer- und den Thunersee untersucht, die oberhalb des Kernkraftwerks Mühleberg liegen. In beiden Seen wurde im betreffenden Zeitraum ebenfalls Cäsium-137 im Sediment gefunden. Im Brienzersee wurden für die späten 1990er-Jahre Werte zwischen 50 und 100 Becquerel pro Kilogramm gemessen, also höhere Werte als im Bielersee unterhalb von Mühleberg.
Keine Gesundheitsgefährdung
Die gemessenen Cäsium-137-Werte im Sediment der Schweizer Seen sind nicht gesundheitsgefährdend und liegen weit unter den Grenzwerten, wie sie in der Verordnung des Eidgenössischen Departements des Innern EDI über Fremd- und Inhaltsstoffe in Lebensmitteln festgeschrieben sind.
Grenzwert in Becquerel pro Kilogramm | |
Lebensmittel von geringer Bedeutung | 12’500 |
Lebensmittel allgemein | 1’250 |
Flüssige Lebensmittel | 1’000 |
Säuglingsanfangs- und Folgenahrung | 400 |
Zum Vergleich: Würde jemand ein Kilogramm des gefunden Sediments im Bielersee verschlucken, würden dem Körper 41 Becquerel zugeführt. Die damit verursachte Dosis ist weit entfernt von Werten, die in irgendeiner Weise gesundheitlich problematisch sein könnten. Zudem ist das Cäsium im Sediment fixiert, sodass die Trinkwasserversorgung nicht gefährdet wäre.
Grenzwerte müssen eingehalten werden
Aus allen Anlagen, in denen mit radioaktiven Stoffen gearbeitet wird, erfolgen Abgaben von radioaktiven Stoffen über die Abluft und das Abwasser. Diese dürfen jedoch keine Gefahr für Mensch und Umwelt darstellen und müssen deshalb unterhalb der Grenzwerte liegen.
Auch das Kernkraftwerk Mühleberg hat seit der Inbetriebnahme kontrolliert radioaktive Stoffe an die Aare abgegeben. Das ENSI hat diese in seinen und in den Jahresberichten des BAG publiziert. Die gesetzlichen Grenzwerte wurden von KKM stets eingehalten. Seit der Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Mühleberg wurden mehrere Verbesserungsmassnahmen umgesetzt. Dadurch konnte die Abgabe von Cäsium-137 in den letzten Jahren gesenkt werden.
Für die Überwachung der Umweltradioaktivität ausserhalb der Standorte von Kernanlagen ist das Bundesamt für Gesundheit BAG zuständig. Auch diese Messungen bestätigen, dass von den schweizerischen KKW keine unzulässigen Radioaktivitätsmengen abgegeben wurden.
Becquerel
Becquerel ist eine Einheit für die Aktivität eines radioaktiven Stoffs. Ein Becquerel bedeutet, dass in einer Sekunde ein Atomkern eines radioaktiven Stoffes zerfällt. Benannt ist die Einheit nach dem Physiker Antoine Henri Becquerel, der die Radioaktivität 1896 entdeckte, als er eher zufällig bemerkte, dass natürliches Uran in der Lage ist, fotografische Platten zu schwärzen.
Cäsium-137
Cäsium 137 ist ein künstliches, radioaktives Isotop. In der Natur kommt nur das stabile Isotop Cäsium-133 vor. Cäsium-137 hat eine Halbwertszeit von 30 Jahren und entsteht bei der Kernspaltung, wie sie in einem Kernkraftwerk stattfindet. Es wird unter anderem auch in der Strahlentherapie für die Behandlung von Krebserkrankungen eingesetzt.
Weitere Informationen
- Fachartikel „Human impact on the transport of terrigenous and anthropogenic elements to peri-alpine lakes (Switzerland) over the last decades“ (PDF 789KB)
- Supplemental information „Human impact on the transport of terrigenous and anthropogenic elements to peri-alpine lakes (Switzerland) over the last decades“ (PDF 762KB)
- Kernanlagen müssen Grenzwerte einhalten
- Das ENSI überwacht die Radioaktivität aus Kernanlagen
- Verhalten von Radionukliden aus Kernkraftwerken in Aare und Rhein (PDF 11,3MB)
- 13.5049 – Fragestunde. Frage Nationalrat Antonio Hodgers: Radionuklide im Bielersee – Antwort des Bundesrates