Am 13. Juli 2009 fand an der ETHZ (IGT) im Rahmen der „Euratom Research And Training Programme On Nuclear Energy: Thermal Impact On The Damaged Zone Around A Radioactive Waste Disposal In Clay Host Rock“ ein Kolloquium zum Thema „A thermo-hydro-mechanical stress-strain framework for modelling the performance of clay barriers in deep geological repositories for radioactive waste“ statt. Referent war Prof. L. Laloui von der EPFL.
Darin wurde aufgezeigt, wie in einem HAA/BE-Lager gemäss Modell die Verformung und Austrocknung des Wirtgesteins und der Bentonit-Barriere vor sich geht, wie anschliessend die Aufsättigung mit Wasser einsetzt und wie sich dies auf die Festigkeit der Bentonit-Barriere auswirkt.
In der anschliessenden Diskussion wurde die Frage gestellt, ob damit zu rechnen sei, dass die Wärme abgebenden Lagerbehälter nach wenigen Tausend Jahren Lagerzeit nicht mehr im Zentrum der Bentonit-Barriere sind, sondern am Kavernen-Boden des Stollens liegen werden. Herr Prof. Laloui hat dies bejaht; die Behälter würden sich durch den Bentonit-Gürtel hindurch bewegt haben und dann auf dem Wirtgestein liegen.
Die HAA/BE-Behälter ihrerseits sollen gemäss Nagra rund 10 000 Jahre dicht bleiben. Danach würde gemäss den Berechnungen von Prof. L. Laloui der HAA/BE-Behälter zum Zeitpunkt seines Undichtwerdens nicht mehr in der Bentonit-Barriere liegen, sondern zwischen dem Wirtgestein (beziehungsweise in der Auflockerungszone des Wirtgesteins) und dem deformierten Bentonit.
Fragen:
Sind diese Modellierungs-Ergebnisse in die Sicherheitsberechnungen eingeflossen?
Hat die KNS Kenntnis von diesen modellierten Vorgängen? Wie ist die mittelfristige Wirksamkeit der Bentonit-Barriere zu beurteilen?
Ist die Aussage in NTB 08-01, Seiten 27 und 28 (jeweils Mitte) noch zutreffend, dass die Bentonit-Verfüllung als Sicherheits-Barriere günstige Bedingungen für die Langzeitstabilität der Endlagerbehälter schafft?
Genügt die geplante Bentonit-Verfüllung als Sicherheits-Barriere dem Leitsatz „Sicherheitsbarrieren“ der Richtlinie ENSI-G03, Kapitel 4.2ff oder wird dieser Leitsatz verletzt?
Falls er verletzt wird: ist damit die Vorgabe von Art.11 Abs.2 Bst.b KEV noch eingehalten?
Sind diese Modellierungs-Ergebnisse in die Sicherheitsberechnungen eingeflossen?
Die Frage des Absenkens eines HAA-Endlagerbehälters in trockenem und gesättigtem Bentonit wurde seitens des ENSI bereits in seinem Gutachten zum Entsorgungsnachweis (HSK 35/99, Seite 154 – 156) betrachtet. Dort kommt das ENSI zum Schluss, dass sich ein Absinken des Endlagerbehälters, umgeben von einer ca. einen Meter dicken Hülle von Bentonitgranulat (= getrockneter, dann zu einem Granulat hochdruckverpresster Bentonit) beziehungsweise auf einem Sockel von hochdruckverpressten Bentonitblöcken (vgl. HSK 35/99, Figur 4.5-1) auch über einen Zeitraum von einer Million Jahren auf wenige Millimeter beschränkt. Es wird im Gutachten jedoch darauf hingewiesen, dass die heute vorhandenen Modelle zur Behälterabsenkung in Zukunft weiterzuentwickeln seien, um die tatsächlich ablaufenden Prozesse im Lagerstollen noch besser abzubilden. Das ENSI geht davon aus, dass die entsprechenden Arbeiten während des Sachplanverfahrens weitergeführt werden.
Die Untersuchung des Aufsättigungsprozesses im Verfüllmaterial und im Wirtgestein soll gemäss der Nagra (NTB 08-02, Seite 20) zunächst im Rahmen des EU-Projektvorschlags PEBS1 erfolgen. Die Verifikation des Prozessverständnisses ist im Rahmen des geplanten 1:1 Einlagerungs-Demonstrationsversuchs unter realistischen Bedingungen am Mont Terri geplant. Beide Versuche werden durch entsprechende numerische Modellierungen begleitet.
Für das schwedische Tiefenlagerprogramm in Auftrag gegebene Berechnungen (SKB 2006) zeigen ebenfalls, dass auch bei einer Lagerung von Behältern in vertikalen Bohrungen die Behälter nur wenige Millimeter bis Zentimeter absinken können.
Die Nagra hält in ihrem Bericht zum Umgang mit den Empfehlungen in den Gutachten und Stellungnahmen zum Entsorgungsnachweis (NTB 08-02, Seite 29) fest, dass diese Resultate von der Nagra überprüft, auf das Lagerkonzept der Nagra (horizontale Lagerung der Behälter) übertragen und im Hinblick auf das Rahmenbewilligungsgesuch neu beurteilt werden. Eine Verifikation der Modellierungsergebnisse kann voraussichtlich zumindest teilweise für isotherme Bedingungen mit den Daten des Versuchs EB im Felslabor Mont Terri (ENRESA 2005) erfolgen. Für nicht-isotherme Bedingungen wird eine Verifikation mit Hilfe der Daten aus dem geplanten EU-Projekt PEBS und dem 1:1 Einlagerungs-Demonstrationsversuch angestrebt.
Wie ist die mittelfristige Wirksamkeit der Bentonit-Barriere zu beurteilen?
Das ENSI hat für ein HAA-Lager im Wirtgestein Opalinuston mit eigenen Berechnungen die Auswirkungen einer dünneren Bentonitbarriere berechnet (HSK 35/100). Dabei wurde die Dicke der Bentonitumhüllung von 62.5 cm auf 10 cm reduziert. Da die Dosen von gutlöslichen, schlecht sorbierenden und langlebigen Nukliden bestimmt wird, erhöht sich die maximale Dosis gegenüber dem Fall mit einer intakten Umhüllung nicht (siehe Figur 25-2).
Nur anfänglich, für Zeiten < 400 000 Jahre, zeigen sich geringfügig unterschiedliche Dosen. Der Grund für dieses Verhalten ist, dass das Wirtgestein Opalinuston aufgrund seiner Rückhalteeigenschaften (Sorption, homogen poröses Gestein ohne hydraulisch aktive Klüfte) den massgebenden Beitrag zur Radionuklidrückhaltung liefert.
Ist die Aussage in NTB 08-01, Seiten 27 und 28 (jeweils Mitte) noch zutreffend, dass die Bentonit-Verfüllung als Sicherheits-Barriere günstige Bedingungen für die Langzeitstabilität der Endlagerbehälter schafft?
Die Resultate von Prof. Lalouis Arbeiten und weiteren Untersuchungen, wie SKB 2006 und SKB 1999 zeigen, dass mit keinem Absinken des Endlagerbehälters bis zum Wirtgestein zu rechnen ist.
Das ENSI betrachtet die Verwendung von Bentonit als Verfüllmaterial für ein HAA-Lager als vorteilhaft. Die Bentonitverfüllung übernimmt eine mechanische Schutzfunktion für den Endlagerbehälter gegen innen sowie das Wirtgestein gegen aussen und schafft eine günstige geo-chemische Umgebung. (ENSI 33/070, Gutachten, Seite 27).
Genügt die geplante Bentonit-Verfüllung als Sicherheits-Barriere dem Leitsatz „Sicherheitsbarrieren“ der Richtlinie ENSI-G03, Kapitel 4.2f oder wird dieser Leitsatz verletzt? Falls er verletzt wird: Ist damit die Vorgabe von Art.11 Abs.2 Bst.b der Kernenergie-Verordnung noch eingehalten?
Das ENSI beurteilt das von der Nagra vorgesehene Mehrfachbarrierensystem als geeignet, um den im KEG und in der Richtlinie ENSI-G03 geforderten dauernden Schutz von Mensch und Umwelt zu gewährleisten (ENSI 33/070, Gutachten, Seite 27).
HSK 35/100: Projekt Entsorgungsnachweis: Prüfung ausgewählter Ausbreitungsberechnungen der Nagra, Würenlingen, Januar 2006
ENRESA 2005: Engineered barrier emplacement experiment in Opalinus Clay for the disposal of radioactive waste in underground repositories. Mayor J.-C., García-Siñeriz J.-L., Alonso E., Alheid H.-J. & Blümling P., Publicación tecnica 02/2005. Empresa Nacional de Residuos Radiactivos (ENRESA), Madrid, Spain. Auch in: Reports of the Swiss Geological Survey 1, 115-179.
NTB 08-02: Bericht zum Umgang mit den Empfehlungen in den Gutachten und Stellungnahmen zum Entsorgungsnachweis, Wettingen 2008
SKB 1999: Creep in buffer clay, SKB Technical Report TR-99-32, Stockholm, Sweden
SKB 2006: Canister displacement in KBS-3V: A theoretical study, SKB Technical Report TR 06-04, Stockholm, Sweden
Statement by Prof. L. Laloui (EPFL Lausanne) concerning question n° 25
Lausanne, March 15th, 2010
The colloquium which is cited in reference did not happen as described in the question. The seminar given by Prof. Laloui at the ETHZ was an invited seminar at the Geotechnical Institute of ETHZ and not part of the „Euratom Research And Training Programme On Nuclear Energy: Thermal Impact on the Damaged Zone Around a Radioactive Waste Disposal in Clay Host Rock“ (even if Prof. Laloui is an active member of this Euratom project). The presentation given was introducing the main concepts for the thermo-hydro-mechanical performance of nuclear underground facilities with a particular focus on the effects of saturation and temperature.
The discussed simulation in the question was related to the analysis that was made for the Spanish concept (FEBEX experiment, ENRESA, 2000). The presented results, hypothesis and discussion of this case study constituted the keynote lecture of the Prof. Laloui at the Computational Geomechanics conference Com-Geo in 2009 and are available in the paper by François & Laloui (2009).
The asked question was whether it could happen after a long time period that the heat emitting canisters would not be located any more in the center of the emplacement tunnel, but would have sunk to the bottom of the tunnel. Prof. Laloui replied that without running a thermo-hydro-mechanical analysis for a specific design and including the main physical mechanisms as well as taking into account the weight of the canister, nobody could answer this question, and it is not excluded that a canister sinking could happen. So contrary to what it is written in the question, the Prof. Laloui never confirmed that the canister would not be located any more in the centre of the bentonite barrier when it leaks, and would be located at the interface between the host rock and EDZ. This is simply due to the fact that the presented results of the FEBEX design were neither taking into account the gravity effect nor the stress relaxation after the excavation stage. It should also be added that at that time, at our knowledge nobody had performed a calculation including all couplings and phenomena, such as thermo-plasticity, swelling, hydro-plasticity, gravity, creep… Given all those premises, it was stated by Prof. Laloui that canister sinking could not be ruled out in the then-current state of knowledge.
Simulations have now been performed by Prof. Laloui and his group where thermo-plasticity, swelling, hydro-plasticity and gravity are taken into account. Only visco-plasticity is not taken into account at this stage. These simulations have been made on a Nagra’s repository design. With the current knowledge on the behaviour of bentonite (blocks and pellets), it has been found that the canister is slightly heaved (more than 1 cm) during the resaturation of the bentonite barrier. The swelling pressures developed in the bentonite are of greater magnitude that the other phenomena included in the simulation (including thermo-plasticity), and ensure the stability of canister position. The internal stresses due to suction (around 10 MPa) are two orders of magnitude greater than those due to canister weight (around 100 kPa). So based on the considered hypothesis and knowledge, it is possible now to confirm that in the Nagra’s design there is no real problem with canister sinking.
Referenzen
ENRESA. (2000). “Febex Project: Full-scale engineered barriers experiment for a deep geological repository for high level radioactive waste in crystalline host rock”. Publicación técnica 1/2000.
François B., Laloui L. “Behaviour of an engineered clay barrier involved in a prospective nuclear waste isolation system“. Proceedings of the 1st international symposium Com-Geo (Computational methods in Geomechanics), Juan-Les-Pins, France, 2009.
1 Long-term performance of Engineered Barrier Systems (vorgeschlagenes EU-Projekt und Versuch im Felslabor Mont Terri).
Beantwortet von KNS
Fragen über den Einbau von Bentonit im Tiefenlager beschäftigen die Fachwelt seit geraumer Zeit. Die von Prof. Laloui aufgeworfene Problematik ist dabei nicht die einzige. Es ist deshalb angezeigt, in Etappe 2 des Sachplans alle technischen Fragen der Lagerauslegung eingehend abzuklären. Dazu gehören auch die Fragen zum Einbau des Bentonit, zu seiner chemischen Reaktivität und zu seiner thermo-mechanischen Stabilität. Alle lagerbedingten Einflüsse, welche die Sicherheit eines Tiefenlagers beeinträchtigen können, müssen ausgeschlossen werden können oder beherrschbar sein. Dem Absinken der Behälter kann auch durch geeignet Wahl der Behälter und Behältermaterialien entgegengewirkt werden. Grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, dass der Bentonit die Aufgabe eines Verfüllmaterials und einer zusätzlichen Barriere hat; die wichtigste Barriere bildet aber das Wirtgestein.