Ergänzungen der Nagra zu Frage 71
Ausbaukonzepte für HAA-Lagerstollen
Grundsätzlich teilt die Nagra die Beurteilung der KNE in Bezug auf die bautechnische Machbarkeit von HAA-Lagerstollen im Opalinuston in grosser Tiefe. Mit den Aufsichtsbehörden sind denn auch bereits im Verlauf der Überprüfungsphase mögliche bautechnische Massnahmen diskutiert und in einem ergänzenden Bericht ( NAB 09-07) dokumentiert worden. Die Vorschläge der Nagra basierten bezüglich der Machbarkeit von Lagerstollen in Tiefen bis 900 m, insbesondere in Gebieten mit weniger günstigen Gebirgseigenschaften, von Anfang an auch mit der Annahme, dass Lagerstollenausbauten erforderlich sein könnten.
Bezüglich Ausbaukonzept und Bauvorgang wurden mehrere Ansätze aufgezeigt, wie die Stollen, vor allem auch im Fokus der Langzeitsicherheit, erstellt und gesichert werden können. Insbesondere wurde die Möglichkeit untersucht, nach etwa jedem zehnten Behälter einen grösseren Abstand zwischen zwei Behältern vorzusehen, um dort mit speziellen Massnahmen (Einbau einer Zwischenversiegelung) allfällige Fliesswege im Grenzbereich Bentonit / Ausbau / Wirtgestein wirkungsvoll zu unterbinden. Das ENSI hat im Rahmen seiner Überprüfung der Nagra-Vorschläge (zu SGT-Etappe 1) u.a. auch entsprechende Fragen an die Nagra gerichtet. In ihren Antworten hat die Nagra die Ansätze ihrer Ausbaukonzepte dargelegt und dokumentiert (vgl. untenstehende Figur 7-1; Figur 5 aus dem NAB 09-29).
[caption id="attachment_13333" align="alignnone" width="458"]

Figur 7-1 (aus NAB 09-29): Ausbaukonzept BE/HAA-Lagerstollen mit Zwischenversiegelung.[/caption]
Die langfristig potenziell unerwünschten Auswirkungen alkalischer Porenwässer (von degradierenden zementhaltigen Ausbauten) auf das Wirtgestein waren bereits vor bald zehn Jahren im Rahmen der Arbeiten für den Entsorgungsnachweis Gegenstand eingehender Untersuchungen. Die Nagra konnte darlegen, dass die Auswirkungen auf den Opalinuston räumlich sehr beschränkt sind und die Eigenschaft des Wirtgesteins als effiziente Transportbarriere (in vertikaler Richtung) nicht beeinträchtigen (z.B. NTB 02-03, Kapitel 7.5.2). Trotzdem werden bereits seit 2005 im Rahmen von internationalen Forschungs- und Entwicklungsprogrammen diese Fragen, einschliesslich der möglichen Wirkung auf Bentonit, weitergehend untersucht. Die Arbeiten umfassen namentlich die Entwicklung von Niedrig-pH-Zement und -Beton (‚ESDRED: Low pH Shotcrete For Rock Support‘). Dazu gehören auch umfangreiche Eignungs- und Demonstrationsversuche mit Niedrig-pH-Spritzbeton zur Felssicherung (u.a. 2006 im Versuchsstollen Hagerbach; siehe NAB 07-02).
Die Verwendung von Niedrig-pH-Spritzbeton wurde schliesslich im Felslabor Mont Terri (bei seiner Erweiterung im Jahr 2008) getestet und demonstriert: Im „Experiment SR“ (‚Low pH Shotcrete for Rock Support‘) konnte der Einsatz dieses Betons für die Ausbruchsicherung (von Nische 4) erfolgreich aufgezeigt werden; die Publikation der Ergebnisse ist in Bearbeitung.
Die Weiterentwicklung von alternativen Ausbaukonzepten für Lagerstollen bleibt ein zentrales Element der Nagra – Planung auf dem Gebiet „Forschung und Entwicklung“ (vgl. NTB 09-06, Seite 96: „Conceptual design studies will be carried out to develop alternative tunnel lining and support designs as well as to define optimised construction methods. The safety requirements will be incorporated into the design studies, including assessment of interactions of low pH shotcrete with bentonite.”). So wurden z.B. im Rahmen der Entwicklung von Niedrig-pH-Spritzbeton oder -Zementen bereits weiterführende Projekte in Angriff genommen (‚The pH measuring project‘, Joint venture SKB, Posiva, Enresa, Nagra, NUMO & JAEA). Zurzeit in Planung ist schliesslich der Grossversuch „Full emplacement experiment“ (FE), wo im Felslabor Mont Terri im Massstab 1:1 die Behältereinlagerung sowie das Langzeitverhalten von Bentonitverfüllung und Wirtgestein getestet werden sollen; die Vorbereitungsarbeiten untertage beginnen voraussichtlich noch im Jahr 2010.
Diese Entwicklungsarbeiten erlauben im Zuge der weiteren Vertiefung und Reifung der Projekte, die Ausbaukonzepte schrittweise präziser und vor allem stufengerecht zu spezifizieren, nicht zuletzt unter Berücksichtigung der mit zunehmender Projektdauer ergänzten Datenlage der geomechanischen Randbedingungen (SGT Etappe 3).
Könnte die Möglichkeit des Baus eines Tiefenlagers in tieferen Lagen zu einer Vergrösserung der Auswahl an geologischen Standortgebieten führen?
In ihrer Antwort zu Frage 7 schreibt die KNE: „Die HAA-Gebiete Jura Ost und Nördlich Lägern werden im Süden durch den Faltenjura begrenzt. Südlich des Faltenjuras liegt der geringermächtige Opalinuston in einer Tiefe von 1100-1400 Metern und mehr.“
[caption id="attachment_14903" align="alignnone" width="458"]

Figur 7-2: Figur 5.2-6 aus NTB 08-04: Isopachenkarte des Opalinustons. Dargestellt sind die Mächtigkeiten des Opalinustons (inklusive Murchisonae-Schichten in Opalinuston-Fazies) vor der partiellen postmolassischen Erosion. Das Modell berücksichtigt somit die Mächtigkeitsabnahme im Ausibssbereich nicht. Auch tektonische Verdickungen und Ausdünnungen sind nicht berücksichtigt.[/caption]
Diesem Befund schliesst sich die Nagra an (siehe
Figur 7-2; Figur 5.2-6 aus dem NTB 08-04).
Zudem verweist die Nagra auf ihre Antwort zur
TFS-Frage 1. Darin wurde bereits erläutert, nach welchen Gesichtspunkten und Vorgaben die maximalen Tiefenlagen unter Terrain hergeleitet worden sind (geomechanische Bedingungen, in-situ-Temperaturen). Im letzten Punkt der Nagra – Antwort zu
TFS-Frage 1 steht denn auch bereits: „Die Nagra hat die Sensitivität der Tiefenlage geprüft und festgestellt, dass bei einer Erhöhung der maximalen Tiefenlage um 100-200 m keine grundsätzlich neuen Standortgebiete dazu kommen“.
Referenzen
NAB 09-07: Standortunabhängige Grundlagen Anlagen und Betrieb SGT-ZE / SUG 2.3 Alternatives Ausbaukonzept („Liner concept“) für BE/HAA-Lagerstollen (November 2009).
NAB 07-02: ESDRED: Low pH Shotcrete for Rock Support. Spraying Tests in the Hagerbach Test Gallery (August 2007).
NTB 02-03: Projekt Opalinuston: Synthese der geowissenschaftlichen Untersuchungsergebnisse. Entsorgungsnachweis für abgebrannte Brennelemente, verglaste hochaktive sowie langlebige mittelaktive Abfälle (Dezember 2002).
NTB 09-06: The Nagra Research, Development and Demonstration (RD&D) Plan for the Disposal of Radioactive Waste in Switzerland (November 2009).
NAB 09-29: SGT Etappe 1. Fragen des ENSI und seiner Experten und zugehörige Antworten der Nagra.
1 Gemäss Protokoll der 3. TFS-Sitzung wünschen die Vertreter des LK Waldshut (K. Eschbach) und Österreichs (H. Hirsch) ergänzende Kommentare der Nagra betreffend die Antwort der KNE auf Frage 7.