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Frage 91: Verhalten von Versiegelungsmaterial

Wie verhält sich das Versiegelungsmaterial Bentonit bzw. Bentonit-Sandgemisch.

  1. Unter den zu erwartenden veränderten Bedingungen wie z.B. Wärme, Poren- oder Wasserdruck?
  2. Über lange Zeiträume von 1 Million Jahre?
  3. Bleibt die Versiegelung dicht, oder bilden sich neue Wasserfliesswege?“
  4. Beim Kontakt mit Fliesswasser?
  5. Beim Kontakt mit aggressivem  Tiefengrundwasser mit hohem Chlorid- und Sulfatgehalt?
Thema , , Bereich
Eingegangen am 19. Oktober 2012 Fragende Instanz Fragen aus der Bevölkerung
Status beantwortet
Beantwortet am 11. November 2014 Beantwortet von ,

Beantwortet von ENSI

Bentonit und Bentonit-/Sandgemische sind natürliche Materialien, deren Eigenschaften helfen, die aufgefahrenen Stollen eines geologischen Tiefenlagers für hochaktive Abfälle wieder so zu verschliessen, dass auch über lange Zeiträume die Ausbreitung radioaktiver Stoffe begrenzt wird. Günstige Eigenschaften sind z.B. das Quellen des Bentonits bei Wasseraufnahme sowie die Rückhaltung radioaktiver Stoffe an seinen Mineraloberflächen. Fliessendes Wasser kommt in den tonreichen potenziellen Wirtgesteinen nicht vor. Das Eindringen von Wasser durch die Zugangsbauwerke auf die Lagerebene muss durch die Standortwahl und die Auslegung der Oberflächenanlage, durch Abdichtmassnahmen und durch Schutzmassnahmen verhindert bzw. beherrscht werden.

Das derzeitige Lagerkonzept der Schweiz sieht für hochaktiven Abfall vor, dass die Tiefenlagerbehälter in Lagerstollen platziert werden, die anschliessend mit Bentonit verfüllt werden. Die Wahl von Bentonit oder einem Bentonit-Sand-Gemisch als Verfüllmaterial wird bestimmt von den notwendigen mechanischen, hydraulischen und chemischen Funktionen, die diese Barriere erfüllen muss. Bentonit ist ein natürlich vorkommendes Material, das zu etwa 80% aus quellfähigen Tonmineralen besteht. Bentonit ist quellfähig, da die Zwischenschichten der Tonminerale Wasser aufnehmen und wieder abgeben können.

Bei Zutritt von Wasser quillt der Bentonit (hydraulische Funktion). Die Volumenvergrösserung führt zum weitgehenden Schliessen der Hohlräume und zu einer deutlichen Verringerung der Wasserleitfähigkeit, so dass sich Wasser im Bentonit nach der Aufsättigung kaum noch bewegen kann. Dies verlangsamt den Stofftransport im Bentonit.

Durch das Quellen des relativ trocken eingebrachten Bentonits wird der Lagerstollen komplett gefüllt. Das weitere Quellen des Bentonits erzeugt einen Quelldruck, der als Gegendruck gegenüber der Auflast des Gebirges wirkt und damit den Lagerstollen stabilisiert (mechanische Funktion). Da das Material vermutlich als kompaktierte trockene Bentonitpellets in die Lagerstollen eingebracht wird, besteht über die Wahl der Stärke der Kompaktion der Pellets (Trockenrohdichte) die Möglichkeit, den resultierenden maximalen Quelldruck einzustellen.

Die chemische Funktion des Bentonits besteht darin, dass die Mehrheit der radioaktiven Stoffe gut an der grossen Oberfläche der Tonminerale im Bentonit haftet. Dieser Vorgang wird als Sorption bezeichnet und reduziert die Ausbreitung der radioaktiven Stoffe. Berechnungen der Nagra (Nagra 2002) haben gezeigt, dass dadurch die meisten radioaktiven Stoffe bereits in der Bentonitschicht zerfallen.

Die Antworten auf die Teilfragen sind thematisch sortiert.

a und b)

Nach Verschluss der Lagerstollen ist der Porenraum im Bentonit zu einem geringen Anteil mit Wasser gefüllt. Über mehrere Jahrzehnte bis Jahrhunderte breitet sich Wasser aus dem Opalinuston in den Bentonit aus, so dass der Wassergehalt im Bentonit steigt und dieser quillt. Dadurch werden die Hohlräume zwischen den Bentonitpellets geschlossen und es entsteht schliesslich eine homogene Bentonitmasse. Mit dem weiteren Quellen des Bentonits steigt der Porenwasserdruck.

Durch die Einlagerung der hochaktiven Abfälle und deren Wärmefreisetzung kommt es zu einer Veränderung der Temperatur in der Umgebung der Abfälle. Dadurch ändert sich auch der Porenwasserdruck. Die hochaktiven Abfälle geben durch den radioaktiven Zerfall Wärme ab, was in der nahen Umgebung der Tiefenlagerbehälter zu einem Temperaturanstieg über einige Jahrhunderte und anschliessend zu einer Temperaturabnahme führt. Mit steigender Temperatur dehnt sich der Bentonit aus und mit sinkenden Temperaturen zieht er sich wieder zusammen. Durch das Quellvermögen des Bentonits wird dabei die Rissbildung unterbunden. Möglich wäre, dass die Quellfähigkeit des Bentonits durch eine Tonmineralumwandlung (Stichwort: Umwandlung des Tonminerals Smektit in Illit) in Folge erhöhter Temperaturen (etwa 60 – 150°C) eingeschränkt wird (SKB 2006). Allerdings laufen die dazu notwendigen Prozesse zu langsam ab, um über einige Jahrhunderte zu einer deutlichen Verschlechterung der Quellfähigkeit des Bentonits zu führen. Natürliche Analoga wie eine Bentonitablagerung in Kinnekulle stützen diese Erfahrung (Posiva 2010). In Kinnekulle hat sich vor etwa 450 Millionen Jahren aus vulkanischer Asche eine Bentonitschicht gebildet. Vor etwa 300 Millionen Jahren war diese Schicht über einen Zeitraum von etwa 1000 Jahre Temperaturen von 90 – 200°C ausgesetzt. Untersuchungen am Bentonit haben gezeigt, dass dieser trotz des sehr langen Zeitraums von mehreren 100 Millionen Jahren immer noch quellfähig ist. Der maximale Quelldruck beträgt am Rand der Schicht etwa 4 MPa (Mega Pascal) und in der Mitte der Schicht 15 MPa. Dies ist verglichen mit dem Quelldruck eines MX-80 Bentonits von etwa 30 MPa immer noch relativ hoch. Um im Tiefenlager die mögliche Tonmineralumwandlung im Bentonit zu reduzieren, kann die maximal zulässige Wärmeleistung pro Tiefenlagerbehälter begrenzt werden. Die Nagra sieht im aktuellen Lagerkonzept vor, die Wärmeleistung auf 1500 Watt zu begrenzen. Damit wird erreicht, dass die Temperatur in der Mitte des Bentonits nur über einen relativ kurzen Zeitraum (ungefähr 100 Jahre) über 100°C steigt.

d)

Im geologischen Untergrund gibt es abgesehen von Karststrukturen kein fliessendes Wasser, welches vergleichbar zu Flüssen wie z.B. Rhein oder Aare wäre. Die Fliessgeschwindigkeit von Flüssen liegt zwischen 0.1 und 6 m/s. Die Fähigkeit der Flüsse zur Erosion des Untergrunds entsteht durch turbulente Strömung (hohe Geschwindigkeit, Wasserwirbel) und durch die mitgerissene Sedimentfracht. Im Vergleich dazu fliesst Grundwasser selbst in sehr guten Grundwasserleitern viel langsamer (Faktor 100 bis 10‘000). Solche guten Grundwasserleiter weisen hydraulische Durchlässigkeiten von etwa 1x.10-3 bis 1x.10-5 m/s auf. Tonreiche Gesteine, wie z.B. der Opalinuston oder die anderen potenziellen Wirtgesteine haben eine noch weit geringere hydraulische Durchlässigkeit (K-Wert von  etwa 1x.10-13 m/s) und verhalten sich als Wasserstauer. Die Fliessgeschwindigkeiten liegen im Bereich von Metern pro Millionen Jahre. Es gibt daher kein „fliessendes“ Wasser in den potenziellen Wirtgesteinen. Die sehr langsame Bewegung des Grundwassers in den potenziellen Wirtgesteinen kann keine Partikel aus dem Kornverband des Wirtgesteins oder des Bentonits herausreissen.  Die „Erosion“ des Bentonits durch freies Quellen in Gesteinsklüften ist im Gegensatz zu kristallinem Gestein für tonreiche Gesteine kaum möglich, da sich die Klüfte durch das Quellen der Tonminerale wieder schliessen.

Eine mögliche Ursache für fliessendes Wasser ist das Eindringen von Wasser über die Zugangsbauwerke auf die Lagerebene. Das muss durch die Standortwahl und die Auslegung der Oberflächenanlage (z.B. Vermeidung der Überflutung), durch Abdichtmassnahmen in den Zugangsbauwerken sowie durch Schutzmassnahmen zum Sammeln und Ableiten eindringenden Wassers verhindert bzw. beherrscht werden.

e)

Stark mineralisiertes Grundwasser (hohe Salinität) kann die Quellfähigkeit des Bentonits reduzieren, da der hohe Salzgehalt im Porenwasser die Fähigkeit der Tonminerale zur Aufnahme von Wasser in die Zwischenschichten vermindert. Die Ursache dafür ist der osmotische Effekt. Ab Salinitäten über der des Meerwassers kommt es zu einer deutlichen Verminderung der Quellfähigkeit. Da die Salinität bisheriger Porenwasseranalysen der potenziellen Wirtgesteine unterhalb der des Meerwassers liegt, ist dadurch kaum eine Einschränkung der Quellfähigkeit der Tonminerale zu erwarten (bei verwendeter Bentonit-Trockenrohdichten von etwa 1500 kg/m3 und höher). Das Vorhandensein stark mineralisierter Wässer (z.B. am Bözberg) deutet auf stark tektonisch beanspruchte Zonen hin, die Wässer aus der Tiefe (aus salzführenden Schichten unter dem Opalinuston) aufsteigen lassen. Solchen Zonen wird bei der Standortsuche ausgewichen.

c)

Die Dichtigkeit von Bentonit wurde und wird in vielen Experimenten im Felslabor Mont Terri wie auch international in vielen anderen Labors untersucht. Die bisherigen Ergebnisse bestätigen die abdichtende Wirkung. Vor Einlagerung der Abfälle muss die Versiegelung im Tiefenlager unter realistischen Bedingungen eingebaut und getestet werden. Das Quellvermögen des Bentonits kann durch mineralisiertes Grundwasser eingeschränkt werden (TFS-Frage 91e). Ausserdem könnte ein Wasserzustrom die Langzeitsicherheit gefährden. Daher müssen die Auswahl des Wirtgesteins (tonreiche gering durchlässige Gesteine), die Standortauswahl und die Lagerauslegung so erfolgen, dass die Bau- und Betriebssicherheit sowie die Langzeitsicherheit gewährleistet sind. Das ENSI wird prüfen, ob die vorgeschlagenen Standorte der Nagra und die Lagerauslegung dem Rechnung tragen.

Referenzen

Nagra (2002). Project Opalinus Clay: Safety Report – Demonstration of Disposal feasibility for spent fuel; vitrified high-level waste and long-lived intermediate level waste (Entsorgungsnachweis). Wettingen, Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle.

Posiva (2010). Long-term stability of Bentonite – A literature review. H. Laine and P. Karttunen. Olkiluoto, Posiva Oy.

SKB (2006). Montmorillonite stability, with special respect to KBS-3 conditions. O. Karnland and M. Birgersson. Stockholm, Swedish Nuclear Fuel and Waste Management Co.

 

 

 

 

 

 

Beantwortet von swisstopo

Die Beantwortung dieser Frage bezieht sich vor allem auf Experimente, die im Felslabor Mont Terri ausgeführt wurden oder immer noch laufen. Unser Fokus liegt auf den hochaktiven Abfällen. Bentonit und Bentonit-Sandgemische entwickeln bei der Aufsättigung unter neutralen pH-Bedingungen, tiefen Salinitäten und Temperaturen kleiner als 100°C, so wie dies bei einer natürlichen Aufsättigung mit Porenwasser aus dem Opalinuston der Fall ist, hervorragende Barriere-Eigenschaften: Es sind dies die grosse Plastizität, gute Quelleigenschaften, relativ hohe Gasdurchlässigkeiten, sehr geringe hydraulische Durchlässigkeit nach der Aufsättigung (Versiegelung bleibt dicht) und hervorragende Sorptionseigenschaften (Rückhaltung von Radionukliden). Aus geologischen Studien über natürliche Bentonit-Analoga lässt sich schliessen, dass die Wirksamkeit der Bentonitbarriere in einem geologischen Tiefenlager über eine Million Jahre gewährleistet ist. Bei hohen pH-Werten, wie dies beim Kontakt des Bentonits mit Beton und Wasser der Fall ist, sind die hervorragenden Quell- und Sorptionseigenschaften nur noch bedingt vorhanden. Hohe und langanhaltende Temperaturen von >100°C wandeln die Smektite im Bentonit in Illite um, womit die Quell- und Sorptionseigenschaften beeinträchtigt sind. Dies gilt auch für hochsaline Wässer, welche bei einer Aufsättigung des Bentonites verwendet werden. Durch geeignete Massnahmen können diese Nachteile abgefedert oder gar eliminiert werden. Es gilt zum Beispiel, die wärmeproduzieren Abfälle bzw. die Kanister in einem Tiefenlager so anzuordnen, dass keine zu hohen langandauernden Temperaturen die Bentonitbarriere schädigen können. Ferner soll in einem Tiefenlager für hochaktive Abfälle die Verwendung von Beton optimiert bzw. die Betonverkleidung in den Einlagerungsstollen minimiert werden. Hochsaline Wässer bei der Aufsättigung der Bentonitbarriere sind sowohl im Mont Terri als auch in den Standortgebieten nicht vorhanden. Abschliessend lässt sich sagen, dass Bentonit eine hochwirksame robuste Barriere in geologischen Tiefenlagern zur Rückhaltung von Radionukliden bildet.

a)

Bentonit ist eine Mischung aus verschiedenen Tonmineralen, die Wasser in grösseren Mengen aufnehmen und langfristig speichern kann. Die Tonminerale stammen aus der Gruppe der Smektite (vor allem Montmorillionit), sind quellfähig (=nehmen im Volumen zu) und sind nur schwer auswasch- und abbaubar. Wichtig ist die grosse Oberfläche der Tonminerale (z.B. die mixed layer Tonminerale haben eine spezifische Oberfläche bis zu 600 m2 pro Gramm Bentonit). Dadurch binden Bentonite Schadstoffe an den Oberflächen der Tonminerale.

Im Felslabor Mont Terri sind in den letzten 15 Jahren mehrere Experimente mit Bentonit bzw. Bentonit-Sandgemischen durchgeführt worden. Einige Experimente sind noch nicht abgeschlossen und laufen weiter. Untenstehende Tabelle gibt davon einen Überblick und beinhaltet auch die entsprechende Fachliteratur, worin die Resultate dieser Experimente dokumentiert sind.

 Übersicht der Mont Terri Experimente, worin Bentonit verwendet wurde
Experiment Titel Kurzbeschreibung Status & Literatur  (Referenzen    s. hinten)
HE-B (Heater I) Experiment Bentonitringe in Heizbohrung,   Sättigung und Beobachtung der Wärmeausbreitung  1998-2003 abgeschlossen Goebel et al., 2007
EB (Engineered Barriers)   Experiment 1:1 Bentonit-Granulat   Verfüllung, künstliche Aufsättigung, nach 10 Jahren Rückbau 2001-2014 abgeschlossen Mayor et al., 2007
CI (Cement Clay Interaction) Experiment Langzeitlicher Einfluss von   Zement und Beton auf Bentonit & Opalinuston 2002-ca. 2030 Laufend
SB (Self-sealing Barriers of Clay/Mineral   Mixtures) Experiment Testen der Eigenschaften von   Sand/Ton-Mischungen als technische Barrieren unter Labor und in-situ   Bedingungen 2005-2012 abgeschlossen Rothfuchs et al., 2013
HE-E (Heater II) Experiment 1:2 Bentonit und Bentonit   Sandgemische, in-situ Heizversuch mit natürlicher Aufsättigung, Ermittlung   des thermo-hydraulisch-mechanischen Verhaltens 2011-2016 Laufend
IC-A (In-situ corrosion of carbon steel in   bentonite) Experiment Bestätigung der anaeroben   Korrosionsrate des rostfreien Stahls in kompaktiertem Bentonit unter in-situ   Bedingungen 2012-2016 Laufend
FE (Full-Scale Emplacement) Experiment 1:1 Heiz- und Aufsättungssversuch,   Testen des Nagra Endlagerkonzeptes für HAA Abfälle Vorbereitungen laufen, Experiment   startet 2015

Die Resultate aus diesen Experimenten lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Bentonite weisen sehr gute Quelleigenschaften auf (Volumenausdehnung, Quelldrucke). Die Höhe der Quelldrucke kann über die Trockendichte der Bentonitfüllung gesteuert werden.
  • Bentonite weisen relativ hohe Gasdurchlässigkeiten und tiefe Gaseintrittsdrucke im ungesättigten und teilweise auch im gesättigten Zustand auf. Mit Sand-Bentonitmischungen lassen sich die Durchlässigkeiten und Drucke einstellen bzw. steuern.
  • Bentonite haben sehr geringe Wasserdurchlässigkeiten im gesättigten Zustand, verhalten sich dabei aber plastisch. Dies resultiert in sehr guten Abdichtungseigenschaften (Hohlräume werden ausgefüllt).
  • Bentonite haben hervorragende Sorptionseigenschaften. Positiv geladene Radionuklide werden an den Tonmineraloberflächen gebunden (sorbiert). Negativ geladende Radionuklide werden nur langsam durch den Bentonit transportiert (molekulare Diffusion).

 Die oben erwähnten positiven Resultate dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Bentonit seine vorteilhaften Eigenschaften auch ändern kann, z.B. bei hohen pH-Werten (Reaktion von Bentonit-Porenwasser mit Beton), aber auch beim Kontakt mit hochsalinen Wässern oder wenn Bentonit hohen Temperaturen ausgesetzt ist. Bei diesen Bedingungen können die Quellkapazität und das Sorptionspotential reduziert werden. Dies muss bei einem geologischen Tiefenlager berücksichtigt werden. Dazu dienen auch die Mont Terri Experimente, um die Wirksamkeit der Bentonitbarriere weiter zu optimieren.

b)

Aussagen über sehr lange Zeiträume in der Grössenordnung von 1 Million Jahre sind nur bedingt möglich und mit Unsicherheiten behaftet. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten:

  1. Man macht Labor bzw. in-situ Experimente kombiniert mit Modellierung, womit man von der Gegenwart in die Zukunft extrapoliert.
  2. Man benützt die sogenannten natürlichen Analoga, mit Hilfe derer man von der Gegenwart in die geologische Vergangenheit schaut. Mit den gemachten Beobachtungen kann man Aussagen über zukünftige Prozesse in einem geologischen Tiefenlager machen.

Beim Verhalten von Bentonit über sehr lange Zeiträume spielt vor allem ein Prozess eine wichtige Rolle: Es ist dies der Prozess der abläuft durch den Kontakt des Bentonites mit hoch-pH Wässern. Solche Wässer entstehen beim Kontakt des Bentonites mit Beton. Am Kontakt entstehen Reaktionssäume, worin neue Minerale ausgefällt aber auch bestehende Minerale in Lösung gehen können. Solche geochemischen Reaktionen können sehr lange andauern (Zehntausende von Jahren) und in den Reaktionssäumen die Rückhalteeigenschaften von Bentonit nachhaltig vermindern. Die Beantwortung dieser Frage b) bezieht sich deshalb auf diese geochemischen Prozesse mit hoch-pH Wässern, so wie sie in einem geologischen Tiefenlager (mit Bentonit und Beton) vorkommen können.

  1. Labor und in-situ Experimente kombiniert mit geochemischer Modellierung: Mittels des sogenannten CI (Cement Clay Interaction) Langzeitexperimentes (20 Jahre) im Felslabor Mont Terri Felslabor werden die Prozesse und Reaktionen an der Grenze Zement (Beton)- Opalinuston und Bentonit untersucht. Mit den experimentellen Daten lassen sich die geochemischen Modelle verbessern und realistischere Prognosen in die Zukunft sind möglich. Die Universität Bern (Gruppe Gestein-Wasser-Wechselwirkung unter der Leitung von Urs Mäder) ist an diesen Experimenten und Modellierungsarbeiten wesentlich beteiligt. Untenstehend sind einige Resultate aufgeführt:
    • Neue gebildete Minerale konnten im Kontaktbereich Bentonit-Beton (Reaktionssäume) experimentell nachgewiesen werden. Dabei hat sich die Porosität vermindert.Im Bentonit haben sich Tonminerale aufgelöst. Dadurch verringert sich die Sorptionskapazität.
    • Für die chemischen Reaktionen konnten Kennwerte hergeleitet werden (z.B. Gleichgewichtskonstanten). Die Reaktionsgeschwindigkeit ist stark abhängig von der Temperatur. Je wärmer desto schneller stellen sich die mineralogischen und physikalischen Änderungen ein.
    • Die Reaktionssäume, wie wir sie aus den laufenden Experimenten kennen, sind sehr klein. Sie bewegen sich im Millimeterbereich.
    • Mittels der geochemischen Modellierung können die chemischen Reaktionen auf Zentausende von Jahren extrapoliert werden. Es hat sich gezeigt, dass die Reaktionssäume räumlich sehr begrenzt sind (im Zentimeter bis Dezimeterbereich).
    • In Zukunft werden noch mehr experimentelle Daten benötigt, um die geochemischen Prognosemodelle zu verfeinern und realistischer zu machen.

    Fazit: Durch die räumliche Begrenzung der Reaktionssäume bleibt die Wirksamkeit der Bentonitbarriere, insbesondere was die Rückhaltung der Radionuklide betrifft, über sehr lange Zeiträume bestehen.

  1. Natürliche Analoga: Darunter versteht man Systeme in der Natur, in denen physikalische und chemische Prozesse ablaufen, wie sie ähnlich in geologischen Tiefenlagern über sehr lange Zeiträume zu erwarten sind. Ein gutes Beispiel ist aus den Philippinen (Mangatarem District) bekannt. Hier lagern natürliche Bentonite direkt auf Serpentingesteinen und Kissenlaven, deren Porenwässer sehr hohe (alkalische) pH-Werte aufweisen. Am Kontakt Bentonit-Serpentin lassen sich Reaktionssäume beobachten, worin in der geologischen Vergangenheit sekundäre Minerale ausgefällt und die Tonminerale ersetzt wurden. Diese Mineralien konnten bestimmt und die Sorptionskennwerte ermittelt werden. Wie schon bei den in-situ Experimenten hat sich auch hier gezeigt, dass diese Reaktionssäume räumlich auf einige Zentimeter bis wenige Dezimeter begrenzt sind.Fazit: Auch aus den natürlichen Analoga lässt sich schliessen, dass die Wirksamkeit der Bentonitbarriere in einem geologischen Tiefenlager über sehr lange Zeiträume gewährleistet ist; die hoch-pH-Reaktionssäume mit verringerter Sorptionskapazität sind räumlich eng begrenzt.

c) und d)

Bei fliessendem Wasser können die feineren Bentonitfraktionen ausgewaschen werden. Das hätte negative Auswirkungen auf die Rückhalteeigenschaften der künstlichen Barriere zur Folge, wie z.B. vermindertes Quellen und auch verminderte Sorptionseigenschaften.

Anzeichen für eine Auswaschung hatten wir beim sogenannten „EB (Engineered Barrier) Experiment“. In einem Stummelstollen lagerten wir einen Kanister ein (ohne Abfälle). Der Hohlraum zwischen dem Kanister und der Tunnelwand wurde mit einem Bentonitgranulat aufgefüllt und der Eingang des Stollens mit einem Betonpfropf vom Felslabor isoliert. Im Granulat eingebaut waren mehrere perforierte PVC-Wasserleitungen. Damit sättigten wir den Bentonit künstlich auf. In einer ersten Phase (einige Wochen im 2001) pumpten wir künstliches Porenwasser (sogenanntes Pearson-Wasser) durch die perforierten Rohre[1]. Wir stellten fest, dass sich das Bentonitgranulat nur sehr lokal sättigte, nämlich dort, wo das Wasser aus den Rohren in den Bentonit auslief. Dieses Wasser floss dann durch den Bentonit direkt an den Tunnelboden und drang dann auch unter dem Betonpfropf in das Felslabor ein. Eine lokale Auswaschung des Granulates konnten wir indirekt nachweisen. Nach ca. 1 Monat verringerten wir die Fliessrate stark. Die zweite Phase mit der geringen Fliessrate dauerte dann mehr als 5 Jahre, woraus eine vollständige Sättigung resultierte (bestätigt durch kontinuierliche Feuchtemessungen im Bentonit). Dies wurde auch Anfangs 2013 während dem Rückbau der Bentonitfüllung bestätigt. Wichtiges Versuchsresultat: Obwohl in der ersten Phase mit hohen Fliessraten lokal eine Auswaschung des Bentonits wahrscheinlich ist, konnte in der zweiten Phase mit geringen Fliessraten eine homogene Sättigung des Bentonits erreicht werden. Beim Rückbau konnten wir keine Spuren einer Auswaschung mehr feststellen.

Obiges Experiment kann nicht auf ein Tiefenlager übertragen werden. Bei der natürlichen Aufsättigung des Bentonits in einem Einlagerungsstollen fliesst nämlich kein Wasser. Die Feuchte dringt sehr langsam in den Bentonit ein. Zuerst wird die Auflockerungszone in der Stollenwand aufgesättigt (Abdichtung der Risse im Opalinuston). Allmählich gelangt dann die Feuchte auch in den Bentonit. Während dieser Aufsättigung quillt der Bentonit, die anfänglich grossen Poren schliessen sich und allfällige Hohlräume im Grenzbereich Stollenoberfläche-Bentonit schliessen sich. Eine solche Aufsättigung geht sehr langsam vor sich und dauert bis zur vollständigen Aufsättigung mehrere Hundert Jahre. Wichtig ist, dass diese Aufsättigung nicht durch externe Ereignisse beeinflusst oder gestört wird. Ein mögliches Störszenarium wäre ein Wassereinbruch längs der Zugangsbauwerke eines Tiefenlagers in der Zeitperiode, wo diese noch nicht versiegelt sind.

Fazit: Nach erfolgter Aufsättigung und ausgeglichenen hydraulischen Druckunterschieden in der Bentonitbarriere fliesst kein Wasser und es bilden sich auch keine neuen Fliesswege. Nach der Aufsättigung ist die Bentonitbarriere dicht  und die Durchlässigkeiten sind vergleichbar mit jenen des Opalinustons. Was aber unbedingt verhindert werden muss, ist ein potentieller Wassereinbruch längs der Zugangsbauwerke in den Tiefenlagergereich, während dem Betrieb eines Tiefenlagers.

e)

Die Zusammensetzung des aufsättigenden Wassers (Porenwasser das vom Opalinuston in den Bentonit transportiert wird) beeinflusst das Porenwasser im Bentonit und wird dabei auch selbst verändert. Im kompaktierten Bentonit wird jedoch die Porenwasserchemie durch die grosse Kationenaustauschkapazität einerseits und die Auflösung von Salzen wie CaSO4 (Anhydrit), NaCl (Kochsalz) sowie CaCO3 (Kalzit) gepuffert. Das heisst, dass das Porenwasser des kompaktierten Bentonits in Kontakt mit Porenwässern aus dem Opalinuston nicht stark variiert und deshalb die guten Quell- und Sorptionseigenschaften beibehalten werden. Dies ist auch dann der Fall, wenn das Porenwasser aus dem Opalinuston variiert (die guten Quell- und Sorptionseigenschaften sind robust und vertragen Schwankungen von niedrig-salinen Wässern). Nur bei extremen Bedingungen, z.B. hochsalinen Wässern mit Konzentrationen deutlich grösser als 100 g/l wird das Quell- und Sorptionsverhalten beeinträchtigt (durch „Zusammendrücken“ der elektrischen Doppelschicht in den Tonmineralien). Dies ist zumindest am Mont Terri nicht der Fall, da die höchsten Konzentrationen etwa 20 g/l betragen und damit schwach-salin sind.

Das Chlorid verhält sich im Bentonit mehr oder weniger konservativ. Das heisst, Chlorid diffundiert ohne Sorption auf Grund des sogenannten Anionenausschlusseffekts (negativ geladene Ionen wie das Chlorid werden an den Tonmineraloberflächen abgestossen). Dies gilt auch für die anderen Halogenide wie Fluorid, Bromid und Jodid.

Zusammenfassung

  • Barriere: Bentonit ist eine hochwirksame Barriere in geologischen Tiefenlagern zur Rückhaltung von Radionukliden. Vorteile: Quellkapazität, Sorptionseigenschaften, diffusiver Stofftransport in gesättigtem Zustand
  • Performance Tiefenlager: Die Performance kann je nach Anforderungen optimiert und angepasst werden (z.B. Quelldrucke durch Einstellung der Trockendichte, Bentonit-Sandgemische bei stark gasproduzierenden Abfällen)
  • Stabilität über lange Zeiträume: Die Voraussetzungen sind einwandfreie Verfüllung der Einlagerungstollen (z.B. homogene Trockendichte), kontinuierliche und gleichmässige Aufsättigung (diffusiver Feuchtetransport), Ausgleich der hydraulischen Gradienten nach Aufsättigung.
  • Spezielles Augenmerk zu richten auf: Bentonit im Kontakt mit Hoch-pH Wässern (Minimierung von Beton), wärmeproduzierende Abfälle (Minimierung Temperaturmaxima).

Referenzen

Göbel I., Alheid, H-J., Alonso E., Ammon Ch., Bossart P., Bühler Ch., Emmerich K., Fernandez A. M., García-Siñeriz J. L., Graf A., Jockwer N., Kaufhold St., Kech M., Klubertanz G., Lloret A., Mayor J. C., Meyer T., Miehe R., Muñoz J. J., Naumann M., Nussbaum Ch., Pletsch Th., Plischke I., Ploetze M., Rey M., Schnier H., Schuster K., Sprado K., Trick Th., Weber H., Wieczorek K., Zingg A. (2007): Heater Experiment: Rock and bentonite thermo-hydro-mechanical (THM) processes in the near field of a thermal source for development of deep underground high level radioac¬tive waste repositories. In: Bossart, P. and Nussbaum, C., (Eds.): Mont Terri Project – Heater Experiment, Engineered Barriers Emplacement and Ventilation Tests. – Rep. Swiss Geol. Surv. 1.

Mayor J.C., García-Siñeriz J.L., Alonso E., Alheid H.-J., Blümling P. (2007): Engineered barrier emplacement : experiment in Opalinus Clay for the disposal of radioactive waste in underground repositories. In: Bossart, P. and Nussbaum, C., (Eds.): Mont Terri Project – Heater Experi¬ment, Engineered Barriers Emplacement and Ventilation Tests. – Rep. Swiss Geol. Surv. 1.

Rothfuchs, T., Czaikowski, O., Hartwig, Hellwald, K., Komischke, M., Miehe, R., and Zhang, C.-L. (2013): SB experiment; Self-sealing Barriers of Clay/Sand Mixtures. Synthesis report, GRS Braunschweig, Germany. Mont Terri Technical Report, TR 2009-03. Swisstopo, Seftigenstrasse 264, 3084 Wabern.

Tsukuda, Y., Fujita, K., Nakabayashi, R., Sato, T., Yoneda, T., Yamakawa, M., Fujii, N., Namiki, K., Kasama, T., Alexander, R., Areilla, C. and Pascua, C. (2009): Natural analogue study for interaction between alkaline groundwater and bentonite at Mangatarem region in the Philippines.

 

 


[1] Der Aufsättigung erfolgte unter konstanten Injektionsdrucken. Zu Beginn waren die Fliessraten hoch, nahmen dann aber kontinuierlich ab. Die maximalen anfänglichen Fliessraten pro Wasserleitungsloch betrugen rund 0.003 Liter/Minute (=3 Milliliter/Minute). Wir hatten rund 100 Löcher; dies entspricht einer gesamten maximalen Fliessrate von 100 x 3 Milliliter/Minute, was 3 Deziliter/Minute ergibt. Am Ende der Aufsättigung war die gesamte Fliessrate auf einen Bruchteil er anfänglichen maximalen Fliessrate geschrumpft.