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Technisches Forum Kernkraftwerke

Frage 30: Schäden an den Brennelementen im KKL

Das KKL ist seit Juli abgeschaltet. Bei der Revision wurden Schäden an Brennelementen festgestellt. Anfangs ging man davon aus, die Probleme in acht Wochen gelöst zu haben. Jetzt dauert es Presseberichten zu Folge bis mindestens Februar 2017.

  1. Wie sind die Schäden entdeckt worden?
  2. Anfangs hieß es, 8 Brennelemente seien betroffen. Wieviel Brennelemente sind jetzt betroffen?
  3. Was für Schäden sind es?
  4. Warum müssen die Brennelemente ausgetauscht werden?
  5. Was ist die Ursache für die Schäden?
  6. Gab es diese Schäden schon in vorherigen Betriebszyklen?
  7. Gibt es einen Zusammenhang mit den Schäden an Brennelementen, über die 1994 bzw. 1997 im Rahmen der Leistungserhöhung berichtet wurde?
  8. Wenn nein, warum nicht?
  9. Sind Brennelemente eines bestimmten Herstellers betroffen?
  10. Wo liegen weltweit gleiche oder ähnliche Schäden vor?
  11. Welche Schritte unternimmt KKL, um die aktuellen Schäden zu beheben, aber auch zu verhindern, dass zukünftig wieder solche Schäden auftreten.
Thema , Bereich
Eingegangen am 12. Dezember 2016 Fragende Instanz Vertreter Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. / D
Status beantwortet
Beantwortet am 3. März 2017 Beantwortet von ,

Beantwortet von Kernkraftwerk Leibstadt

Frage 1: Wie sind die Schäden entdeckt worden?

Erstmals wurde im Betriebszyklus 2013/2014 ein Brennelementschaden entdeckt, der auf einen Local Dryout zurück zu führen war. Dabei handelte es sich um einen einzigen Brennstab von über 62‘000. Dieser Befund wurde nach eingehenden Untersuchungen im Frühjahr 2015 festgestellt. Das ENSI wurde darüber korrekt informiert. Der Schaden war unter anderem auch Thema im Geschäftsbericht 2014.

Nach dem Betriebszyklus 2014/2015 wurde erneut eine stärkere Oxidation an derselben lokalen Stelle festgestellt. In der Folge wurde der massgebliche Sicherheitsgrenzwert (das minimale kritische Leistungsverhältnis «MCPR») durch Optimierung des Kühlmitteldurchflusses erhöht und umfassende Untersuchungen an den Brennelementen initiiert.

Während der Jahreshauptrevision im August 2016 (nach dem Betriebszyklus 2015/2016) stellten die Spezialisten an denselben Orten erneut erhöhte Oxidschichten fest. Zur vertieften Analyse und erweiterten Inspektion von Brennelementen wurde die Revision verlängert. Bei den darauf folgenden umfangreichen Untersuchungen wurden insgesamt 204 Brennelemente aus verschiedenen Betriebszyklen untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass es seit 2011/2012 zu Local Dryouts an Brennelementen gekommen war. Diese führten jedoch zu keinen Brennelementschäden, sondern lediglich zu einem visuell sichtbaren Zuwachs der Oxidschicht.

Frage 2: Anfangs hiess es, acht Brennelemente seien betroffen. Wie viele Brennelemente sind jetzt betroffen?

Es stimmt, dass im Rahmen der Jahreshauptrevision im August 2016 erhöhte Oxidationen an zunächst acht Brennelementen entdeckt wurden. Das KKL beschloss, die Jahreshauptrevision zu verlängern, um alle einjährigen Brennelemente sowie eine repräsentative Anzahl weiterer Brennelemente an verschiedenen Kernpositionen untersuchen zu können.

Seit August 2016 wurden insgesamt 204 Brennelemente aus den vergangenen Betriebszyklen untersucht. In der Folge wiesen 22 Brennelemente von insgesamt 648 (à 96 Brennstäbe) aus dem letzten Betriebszyklus einen Befund auf. Erhöhte Oxidationen traten ausschliesslich bei einjährigen Brennstäben auf, wobei jeweils nur Nebeneckstäbe (sogenannte Next-to-Corner-Rods) betroffen waren. Die Oxidationen traten stets an der gleichen axialen Position des Brennelementes auf. In der Folge wurden in den betroffenen Brennelementen insgesamt 32 Brennstäbe (von 62‘208) durch Zirkonium-Stäbe ohne Uranpellets ersetzt.

Frage 3: Was für Schäden sind es?

Bei allen Befunden handelt es sich um lokale Oxidationen am Hüllrohrmaterial, das aus Zirkalloy besteht. Die Oxidationen sind zwischen wenigen Millimetern bis maximal 26 Zentimeter lang. Die Gesamtlänge eines Brennstabs beträgt 4,1 Meter. Die Oxidationstiefe beträgt maximal 0,27 Millimeter.

Frage 4: Warum müssen die Brennelemente ausgetauscht werden?

Es gilt zwischen Brennelementen und Brennstäben zu unterscheiden. Der Reaktorkern besteht aus 648 Brennelementen. Ein Brennelement besteht wiederum aus 96 Brennstäben. Daraus resultieren insgesamt 62‘208 Brennstäbe.

Brennelemente wurden aufgrund der Befunde keine ausgetauscht. Es wurden indessen 32 Brennstäbe mit Stäben ohne Brennstoff ersetzt.

Frage 5: Was ist die Ursache für die Schäden?

Aktuell gehen sowohl das KKL als auch das ENSI davon aus, dass ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren zu einem sogenannten Local Dryout, das heisst einer lokalen und temporären Verschlechterung des Wärmeübergangs und damit der Kühlung, geführt hat, die wiederum eine stärkere Ausbildung der Oxidschicht begünstigt. Es muss erwähnt werden, dass auch im normalen Betrieb bei auslegungsgemässen Kühlungsbedingungen eine langsame Bildung einer Oxidschicht erfolgt.

Von einem Local Dryout spricht man, wenn Brennstäbe aufgrund des Strömungsverhaltens des Kühlmediums oder aufgrund von Wasserdampfblasen kurzzeitig nicht mehr vollständig mit einem Wasserfilm bedeckt sind, was zu höheren Temperaturen am Hüllrohrmaterial führt. Durch periodisches Rewetting wird das Hüllrohr immer wieder mit Wasser benetzt. So kommt es zwar zu einem Zuwachs der Oxidschicht, nicht aber zu einer Schädigung der Brennelemente.

Im Reaktorkern werden ein- bis fünfjährige Brennelemente verwendet. Während der Jahreshauptrevision werden die fünfjährigen Brennelemente jeweils durch neue ersetzt. Im ersten Brennzyklus entwickelt ein Brennstab die höchste thermische Leistung. Die von den Oxidationen betroffenen Brennstäbe waren erst seit einem Jahr im Einsatz und gegen Ende des Betriebszyklus nahe an ihrem Leistungspeak. Inwiefern das Strömungsverhalten des Wassers, das Design des Brennelements oder andere Effekte einen allfälligen Local Dryout am Hüllrohr einzelner Brennstäbe begünstigt, ist Teil der weiterlaufenden Untersuchungen.

Frage 6: Gab es diese Schäden schon in vorherigen Betriebszyklen?

Siehe Antwort zu Frage 1.

Frage 7: Gibt es einen Zusammenhang mit den Schäden an Brennelementen, über die 1994 bzw. 1997 im Rahmen der Leistungserhöhungen berichtet wurde?

Die Schäden aus den 90er-Jahren und bis 2013 stehen in keinem Zusammenhang mit der aktuellen Thematik. Als Schadensursachen dieser früheren Brennelementschäden wurden eindeutig andere Mechanismen (wie zum Beispiel Fremdkörper) identifiziert. Ein Zusammenhang der aktuellen Befunde mit der thermischen Leistungserhöhung, welche im Jahr 2002 abgeschlossen wurde, kann nicht hergestellt werden.

Frage 8: Wenn nein, warum nicht?

Die Schäden aus den 90er-Jahren und bis 2013 entstanden praktisch ausschliesslich durch Fremdkörperreibung, sogenanntes Fretting. Dabei reiben sich im Reaktorwasser Kleinstteile am Hüllrohr des Brennstabs und können es dadurch schädigen. Die Brennstofffilter wurden seither derart optimiert, dass Fretting-Schäden stark abnahmen.

1998 gab es einen Brennelementschaden durch eine erhöhte lokale Korrosion im Bereich der Abstandshalter. Dabei handelte es sich um ein Materialproblem, eine sogenannte Shadow-Corrosion.

Frage 9: Sind Brennelemente eines bestimmten Herstellers betroffen?

Seit der Inbetriebnahme 1984 bezieht das KKL ihren Brennstoff von verschiedenen Herstellern. Im aktuellen Kern sind hauptsächlich Brennelemente eines Herstellers enthalten. Die Befunde betreffen daher nach heutiger Erkenntnis nur die Brennelemente eines Herstellers. Inwiefern das Brennelementdesign, der Brennstoff oder die Strömungsführung Einfluss auf das beobachtete Phänomen der Local Dryouts haben, ist ein weiterer Teil der laufenden, vertiefenden Untersuchungen.

Frage 10: Wo liegen weltweit gleiche oder ähnliche Schäden vor?

Bislang wurde das Phänomen der erhöhten Oxidation an Brennstäben aufgrund von Local Dryout in keinem anderen KKW festgestellt. Jedoch werden die Betreiber von typgleichen Siedewasserreaktoren aufgrund der Erkenntnisse im KKL bei ihren nächsten Revisionen nun zusätzliche Inspektionen vornehmen, um allfällige ähnliche Oxidationen an Brennstäben zu identifizieren.

Frage 11: Welche Schritte unternimmt das KKL, um die aktuellen Schäden zu beheben, aber auch zu verhindern, dass zukünftig wieder solche Schäden auftreten?

Aufgrund der umfassenden Brennelementinspektionen wurde eindeutig festgestellt, unter welchen Betriebsbedingungen die erhöhten Oxidationen auftreten. Damit konnte auch identifiziert werden, dass die Oxidationen bei reduzierter Brennelementleistung und einem begrenzten Kerndurchsatz nicht auftreten.

Nach dem Ersatz von 32 betroffenen Brennstäben durch Zirkonium-Stäbe ohne Uran-Pellets wurde die Kernauslegung einschliesslich aller erforderlichen Störfallanalysen komplett überarbeitet. Bei dieser neuen Kernauslegung wurden die relevanten Betriebsparameter derart eingegrenzt, dass ein erneutes Auftreten der Befunde nach aller Kenntnis ausgeschlossen ist. Hierzu reduzierte das KKL die lokale Leistung bei allen 84 neu eingesetzten Brennelementen und limitierte den Kerndurchsatz über den Betriebszyklus. Beide Massnahmen zusammen bewirken eine – über den Zyklus abgestufte – Reduktion der Reaktorleistung auf zirka 90 Prozent.

Weiterhin läuft eine vertiefte Ursachenanalyse, gemeinsam mit internationalen, unabhängigen Fachexperten anderer KKW, den Herstellern der Brennelemente und des Reaktors sowie mit Universitäten und Forschungsinstitutionen (ETH, PSI). Untersucht werden das Brennelement-Design, die Wasserströmungsverhältnisse im beziehungsweise zum Brennelement, die Leistung der einzelnen Brennelemente, die Position im Kern sowie das Alter der Brennelemente. Hierbei geht es um eine detaillierte Analyse der technischen und physikalischen Zusammenhänge sowie um eine Untersuchung aller relevanten betrieblichen Parameter.

Weitere Informationen

Beantwortet von ENSI

Zusätzliche Fragen

Im Rahmen des Technischen Forums Kernkraftwerke vom 3. März 2017 wurden die folgenden zusätzlichen Fragen zu den Schäden an den Brennelementen im Kernkraftwerk Leibstadt angenommen:

  1. Wurde der Schaden von 2014 metallographisch untersucht?
  2. Wo und vom wem?
  3. Gibt es dazu eine Schadensanalyse?
  4. Wie ist das Loch von ca. 3 bis 4 mm entstanden?
  5. Welche Temperatur ist dabei offenbar aufgetreten?
  6. Kann man einen Schadensbericht dazu bekommen bzw. einsehen?

Brennstabschaden im KKL aus dem Jahr 2014

Der betreffende Schaden aus dem Jahr 2014 wurde nach einer ausführlichen Ursachenanalyse des Herstellers 2015 auf Dryout zurückgeführt. Der Brennstabschaden wurde noch nicht metallographisch untersucht, da die zugehörige Logistik (Transportbehälter und freie Kapazitäten im Hotlabor) nicht zur Verfügung stand. Im August 2017 soll der Nachbarstab, der ähnliche Anzeichen von Dryout hatte, allerdings ohne seine Integrität zu verlieren, ans PSI transportiert werden. Der geschädigte Stab selbst soll nicht untersucht werden. Das Loch im Hüllrohr führte zu Sekundärschäden und damit zu einer weiteren Schwächung des Hüllrohrs, sodass auf eine weitere, nicht unabdingbare Handhabung möglichst verzichtet werden soll. Am PSI wird eine umfassende Analyse des Nachbarstabs im Hotlabor durchgeführt werden. Als Ursache für das Loch wird verstärkte Oxidation durch Dryout gesehen, wobei nicht klar ist, wieso dieser eine Brennstab deutlich stärker oxidiert war als alle weiteren identifizierten Dryout-Befunde. Deshalb werden weitere Untersuchungen erfolgen. Die Experten gehen aber auch für diesen Stab von Temperaturen unter 800°C aus.