Schachtkopf-, resp. Nebenzugangsanlagen eines geologischen Tiefenlagers können verschiedene Funktionen wahrnehmen (z.B. Lüftung, Zugang für Personal), radioaktive Abfälle werden aber keine über die Nebenzugangsanlagen ins Tiefenlager verbracht. Dies geschieht einzig über den Hauptzugang in der Oberflächenanlage. Entsprechend sind Schachtkopfanlagen mit Nebenzugängen herkömmlicher Tunnelbauten vergleichbar. Die Grenzwerte der Strahlenschutzverordnung werden selbst bei einem Störfall eingehalten. Die Nebenzugangsanlagen können in einem bestimmten Umkreis über dem untertägigen Haupterschliessungsbereich platziert werden. Dabei können die während des Einlagerungsbetriebs kaum verkehrsintensiven Anlagen theoretisch auch in der Nähe von Wohngebieten errichtet werden.
Ein geologisches Tiefenlager besteht aus Bauwerken und Anlagen auf Lagerebene, aus den Zugangsbauwerken und aus Oberflächeninfrastrukturen. Zu den Oberflächeninfrastrukturen eines geologischen Tiefenlagers zählen die Oberflächenanlage (OFA), die Nebenzugangsanlagen (NZA), die Erschliessungen (z.B. für OFA oder NZA), die Bau-Installationen und die Depots (z.B. für Ausbruchmaterial).
Haupt- und Nebenzugang münden unterirdisch im sogenannten Haupterschliessungsbereich (HEB), worunter ein System von untertägigen Bauwerken und Verbindungen verstanden wird. Auch die unterirdischen Lagerfeldzugänge (Betriebs-, Bau-, Lüftungstunnel) schliessen an den HEB an, resp. werden vom HEB her aufgefahren und erschlossen. Der HEB wurde auch schon als „Fusspunkt der Zugangsbauwerke“ bezeichnet. Gemäss den derzeitigen Konzepten ist pro Lagertyp (HAA-Lager, SMA-Lager oder Kombilager) nur ein HEB vorgesehen (Fig. 126-1).
Bei den Angaben zu den Bauten ist zu beachten, dass die Planungsarbeiten der Nagra für geologische Tiefenlager stufengerecht erfolgen und sich nach den behördlichen Vorgaben und Anforderungen richten. Entsprechend befindet sich die Planung derzeit auf Stufe Vorstudie. Für das Rahmenbewilligungsgesuch, das voraussichtlich Ende 2024 den Behörden eingereicht werden soll, verlangt das Kernenergiegesetz in Artikel 14 die Darlegung der Grundzüge des Projekts (ungefähre Grösse und Lage der wichtigsten Bauten, Kategorien des Lagerguts und maximale Lagerkapazität). Mit dem Projektfortschritt werden dann jeweils stufengerecht und nach den behördlichen Vorgaben die weiteren Details erarbeitet.
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Figur 126-1: Überblick über ein beispielhaftes geologisches Tiefenlager; HEB bezeichnet den Haupterschliessungsbereich.[/caption]
a)
Als Nebenzugänge eines geologischen Tiefenlagers werden grundsätzlich Schächte bevorzugt. Sie stellen die direkteste Verbindung von der Oberfläche zu den Anlagen auf Lagerebene dar und haben daher die geringsten Auswirkungen auf die Umwelt (Ausbruchmengen), auf die Bauzeit und auf die Kosten.
Schächte müssen in der Nähe des Haupterschliessungsbereichs platziert werden, der seinerseits in der Nähe der Lagerfelder liegen sollte. Für die Platzierung einer Schachtkopfanlage (SKA) ist der Spielraum deshalb relativ gering. Falls eine solche SKA-Platzierung in einem Gebiet nicht möglich ist, kann der Nebenzugang über eine Rampe oder einen Blindschacht erfolgen. Diese Variante ist nur sinnvoll für Betriebszugänge, nicht aber für Lüftungszugänge.
Grundsätzlich ist eine Platzierung von Nebenzugangsanlagen auch in unmittelbarer Nähe von Wohngebieten machbar. Vergleichbare Schachtkopf-Baustellen gab es beispielsweise in Zürich (Fig. 126-2).
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Figur 126-2: Installationsplatz für einen Schachtkopf des Weinbergtunnels der Durchmesserlinie in Zürich-Oerlikon.[/caption]
Für ein geologisches Tiefenlager werden Nebenzugangsanlagen aber bevorzugt nicht in solch städtischer Umgebung erstellt. Denkbar ist allenfalls eine Platzierung in einem Industriegebiet, wie dies auch im NTB 16-08 beispielhaft dargestellt ist.
b)
Das Lüftungssystem eines geologischen Tiefenlagers wurde im TFS schon verschiedentlich behandelt, etwa in der TFS-Frage 129.
Das Lüftungssystem erfüllt wichtige Aufgaben zur Gewährleistung der nuklearen als auch konventionellen Sicherheit. Die Lüftung versorgt die Anlagen (speziell die Zugangsbauwerke sowie die Bauwerke auf Lagerebene) mit Frischluft unter Einhaltung geeigneter klimatischer Bedingungen (Sauerstoffkonzentration, Entstaubung, Klimatisierung (Temperatur und Luftfeuchtigkeit)) sowie Vermeidung explosionsgefährdeter bzw. toxischer Gaskonzentrationen. Zudem soll die Lüftung so gestaltet werden, dass ein Eingreifen bei Abweichungen und Störfallen (bspw. Isolation von Bränden durch Brandabschnitte, kontrollierte Entrauchung, Unterdruckluftstaffelung für kontrollierte Zonen) möglich ist, so dass rauchfreie und mit Frischluft versorgte Flucht-, Rettungs- und Evakuierungswege sichergestellt werden können.
Die Konfiguration der Zugangsbauwerke (Schacht/Rampe) hat auf die grundsätzlichen Lüftungswege keinen Einfluss. Die Hauptlüfter zur Unterdruckhaltung der kontrollierten Zonen sind an der Oberfläche beim Hauptzugang in der Oberflächenanlage angeordnet. Damit wird keine Luft unkontrolliert an die Umgebung abgegeben, und die dazu erforderlichen Lüftungsanlagen sind jederzeit gut zugänglich. Die Frischluft wird auf möglichst direktem Weg über den Lüftungsschacht auf das Lagerniveau geführt und von dort in die verschiedenen untertägigen Anlagenbereiche verteilt (Fig. 126-3).
Die Abluft aus der kontrollierten Zone und aus den konventionellen Bereichen wird getrennt abgeführt. So wird die Abluft aus der kontrollierten Zone über die Oberflächenanlage abgeführt, wo sie kontinuierlich auf Kontamination geprüft und bei Bedarf über Filteranlagen geleitet werden kann. Die Abluft aus den konventionellen Bereichen wird über Nebenzugangsanlagen abgeführt. So wird bei einem Ereignis in der kontrollierten Zone eine mögliche Kontamination der konventionellen Bereiche verhindert.
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Figur 126-3: Lüftungswege während des Einlagerungsbetriebs in einem geologischen Tiefenlager mit verschiedenen Zugangskombinationen über Schächte und/oder Rampen. Blau: Frischluftzufuhr; rot: Abluft aus der kontrollierten Zone; grün: Abluft aus den konventionellen Bereichen.[/caption]
Die übersichtliche und einfache Ausgestaltung des Lüftungssystems (nur eine Strömungsrichtung, räumliche Trennung von Zuluft und Abluft aus kontrollierten Zonen und konventionellen Bereichen) sowohl in den Zugängen als auch auf Lagerebene tragen somit zur Sicherheit eines geologischen Tiefenlagers bei.
Die Freisetzung von Kohlenwasserstoffgasen, resp. von Staub mit erhöhtem Kohlenstoffanteil aus dem Opalinuston während der Bauphase, und eine damit verbundene Gefährdung des Personals, liegen aufgrund der Erfahrungen im Felslabor Mont Terri unter der Nachweisgrenze der Gasüberwachungsmessgeräte. Für die Entstehung von Kohlenwasserstoffgasen (insbesondere Methan) sind der Anteil und die Maturität des organischen Materials im Opalinuston zu gering. Zudem wird die Luftqualität bei untertägigen Bauarbeiten aufgrund der gesetzlichen Vorgaben laufend kontrolliert werden.
In den unterirdischen Anlagen wird im Einlagerungsbetrieb eine immer gleich gerichtete Luftführung realisiert, die im Normalbetrieb und auch bei allfälligen Störfällen durch entsprechende Auslegungen (z.B. Redundanzen, Wettertore, Regelungen) aufrechterhalten wird (Fig. 126-4).
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Figur 126-4: Beispielhaftes Lüftungskonzept eines HAA-Lagers.[/caption]
c)
Die unterirdische Abluft aus den kontrollierten Zonen und aus den konventionellen Bereichen wird separat abgeleitet, erstere über die Oberflächenanlage (OFA), weitere über den „Nebenzugang Betrieb“ (NZA-B).
Die Überwachung der Abluft richtet sich in den jeweiligen Phasen nach den gesetzlichen Vorgaben und den Bewilligungsauflagen (z.B. Temperatur, Feuchte, Volumenstrom, Methan, Kohlendioxid, Kohlenmonoxid, Sauerstoff, MAK-Werte (maximale Arbeitsplatz-Konzentration, Sicherstellung des Gesundheitsschutzes), Dosis, luftgetragene radioaktive Stoffe). Gemäss den heutigen Bestimmungen umfasst die Überwachung von kerntechnischen Anlagen auch eine Bilanzierung luftgetragener radioaktiver Stoffe.
Durch die stets aufrecht erhaltene gerichtete Luftführung kann eine radioaktive Kontaminierung auslegungsgemäss ausgeschlossen werden. Die Grenzwerte der Strahlenschutzverordnung werden insbesondere im Normalbetrieb und bei den Nebenzugangsanlagen sehr deutlich unterschritten. Auch bei allfälligen Störfällen werden die Grenzwerte auslegungsgemäss eingehalten.
Referenzen:
NTB 16-08: Generische Beschreibung von Schachtkopfanlage (Nebenzugangsanlagen) geologischer Tiefenlager.
NAB 14-51: Ergänzende Sicherheitsbetrachtungen für die Untertageanlagen der geologischen Tiefenlager in der Betriebsphase: Vorgaben, Vorgehen und Dokumentation der Ergebnisse.
Antwort auf die
TFS-Frage 129 „Folgerung des WIPP Störfalls für Lagerauslegung und Lagerkonzept SMA“.
Antwort auf die
TFS-Frage 115 „Brand im geologischen Tiefenlager“.