Die EGT hat sich schon früher zur Teilfrage b) tektonischen Beanspruchung der Nordschweiz geäussert und nimmt hier Stellung zu den Themen c) «Ressourcenkonflikte in Standortregionen für HAA (inklusive Teilfrage a) « Relevanz des Permokarbontrogs»), Fossile Energieträger, Geothermie» sowie d) «Lange Zugangsstollen statt kurzer Minischächte».
Es zeigt sich, dass ein geplantes geologisches Tiefenlager die Nutzung möglicher geologischer Ressourcen im tieferen Untergrund kaum ernsthaft einschränkt. Der Ressource Trinkwasser und dem damit einhergehenden Nutzungskonflikt muss bei der konkreten Standortwahl eine geologischen Tiefenlagers explizit Rechnung getragen werden. Ausserdem muss sichergestellt werden, dass ein geologisches Tiefenlager so markiert wird, dass dieses nicht versehentlich (u. a. bei der Suche nach natürlichen Ressourcen) angebohrt und damit in seiner sicherheitstechnischen Funktion (Barrierenwirkung) eingeschränkt wird. Die Möglichkeiten einer solchen Markierung wurden in der Antwort zur TFS-Frage 67 sowie TFS-Fachsitzung vom 1. Dezember 2011 zum Fachthema «Markierung und Langzeitdokumentation» erörtert. Die in Etappe 2 SGT relevanten sicherheitstechnischen Aspekte der zukünftigen Nutzung von tiefen Ressourcen im Untergrund werden von anderen Experten des TFS behandelt und die EGT schliesst sich grundsätzlich deren Bewertung an. Die Schlussfolgerungen der EGT sind im Einzelnen:
- Die schweizerischen KKW haben während der letzten 40 Jahre mindestens 20 mal mehr elektrische Energie erzeugt als im Falle von Kohle auf der Fläche eines Tiefenlagers – sofern in dieser Tiefe jemals vorhanden – hätte gefördert werden können (insofern steht dem Verzicht auf eine allfällige Kohleförderung ein Energiemehrwert im Faktor 20 gegenüber.)
- Die maximal nutzbare geothermische Energie, die aus der Fläche eines geologischen Tiefenlagers während des typischen Zeitraumes für das Abklingen der Radioaktivität von hoch- und mittelaktiven Kernabfällen (105 ‑ 106 Jahre) bezogen werden kann, ist deutlich kleiner als die bis heute durch die KKW umgesetzte elektrische Energie.
- Die Realisierung eines geologischen Tiefenlagers schränkt die Nutzung der natürlichen Ressourcen im Permokarbon-Trog nicht wesentlich ein, da wegen seiner Grösse genügend Platz zur Ressourcennutzung vorhanden ist, ohne den Perimeter eines geologischen Tiefenlagers zu tangieren.
Bezüglich der Hohlraumstabilität stellt die EGT fest, dass einzig Unterschiede bestehen könnten, welche auf der Anisotropie der durchfahrenen Schichten basieren (es ist grundsätzlich einfacher, Hohlräume quer zur Schichtung aufzufahren). Eine Untersuchung der Zugangsstollen oder Schächte bezüglich solcher Anisotropie-Aspekte steht noch aus. Die kürzlich von der Nagra im Entwurf präsentierte bautechnische Risikoanalyse zeigt, dass die Länge der durchfahrenen Schichten (bei den Stollen zwangsmässig höher), die bautechnischen Risiken beeinflussen. Die Lebensdauer von Schächten ist nach Ansicht der EGT nicht höher als jene von Stollen (in gleichen geologischen Verhältnissen).
c)
Die TFS-Frage 103 behandelt einige Aspekte, die W. Wildi in seinem Memorandum «Ressourcenkonflikte und geologische Risiken» angeschnitten hat. Diese Antwort lässt sich im Wesentlichen auf die Frage reduzieren, ob sich die Gesellschaft durch die Standortwahl für ein geologisches Tiefenlager in der Nutzung natürlicher Ressourcen einschränkt.
Präambel
Das Kriterium «Nutzungskonflikte (2.4)» des Sachplans zur Standortwahl eines geologischen Tiefenlagers beurteilt folgende Aspekte:
«Beurteilt werden die nutzungswürdigen Rohstoffe und die sich daraus allfällig ergebenden Nutzungskonflikte. Insbesondere wird beurteilt, ob im oder unterhalb des Wirtgesteins bzw. des einschlusswirksamen Gebirgsbereiches aus heutiger Sicht wirtschaftlich nutzungswürdige Rohstoffe (z.B. Salz, Kohlenwasserstoffe, Geothermie, Mineralquellen, Thermen) im besonderen Masse vorkommen. Beurteilt wird ferner, ob die Erschliessung und Nutzung der Rohstoffe Barrierenwirkungen des Wirtgesteins beeinträchtigen (Schichtverletzungen) oder das Lager direkt treffen könnte.»
Zur Bewertung der Nutzungskonflikte, die sich durch die Standortwahl für ein geologisches Tiefenlager ergeben, haben sich unterschiedliche ExpertInnen geäussert, so auch im Technischen Forum Sicherheit (Frage 21, Frage 22, Frage 48, Frage 58 und Frage 94, sowie weitere Stellungsnahmen durch ESchT und ENSI). In ihrer Eingrenzung in Etappe 1 des Sachplans hat die Nagra Nutzungskonflikte stärker gewichtet als dies der deutsche Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte (AkEnd) oder die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) tun.
Damit sind alle Argumente bekannt und wurden aus Sicht der EGT in Etappe 1 in der gebührenden fachlichen Tiefe beurteilt. Die in Etappe 2 SGT relevanten sicherheitstechnischen Aspekte der zukünftigen Nutzung von tiefen Ressourcen im Untergrund werden von anderen Experten des TFS behandelt und die EGT schliesst sich grundsätzlich deren Bewertung an. Die EGT hat sich deshalb entschlossen, die Diskussion um einige allgemeine Aspekte zu ergänzen, um Nutzungskonflikte im Kontext einer übergreifenden Güterabwägung zu beurteilen.
EGT Einschätzung
Nutzungskonflikte lassen sich auch als Güterabwägung auffassen. Hierbei wird der bis heute eingetretene Nutzen der umgesetzten Energie aus Kernkraftwerken (KKW), deren Abfall im geologischen Tiefenlager eingelagert wird, dem Verlust gegenüber gestellt, der durch den Bau eines geologischen Tiefenlagers entsteht, wenn dadurch der «Abbau» natürlicher Ressourcen verunmöglicht wird.
Rationalisieren lässt sich eine solche Gewichtung, indem
- die Energieumsätze aus schweizerischen KKW und aus natürlichen Ressourcen verglichen werden, und
- der Flächenbedarf eines geologischen Tiefenlagers der Fläche des Permokarbontrogs, in dem das grösste Potenzial für Kohle und Geothermie zu erwarten sind, gegenüber gestellt wird.
Vorgabe: Nach Aussagen der Nagra und des ENSI beträgt der typische Flächenbedarf eines geologischen Tiefenlagers etwa 4 km2. Diese Fläche liegt den untenstehenden Ausführungen zu Grunde.
a. Energieumsatz
Aus der Homepage des Interessenverbands der Schweizerischen Stromverbundunternehmen (swisselectric) und ihrer Untergruppe für Kernenergie (swissnuclear, [1]) sind Daten über den Energieumsatz der schweizerischen KKW zu entnehmen [2]. So setzten die schweizerischen KKW seit Inbetriebnahme gemeinsam mehr als 800 TWh (> 3.1018 J) an elektrischer Energie um (Beznau: > 224.106 MWh seit 1969, Gösgen: 250.106 MWh seit 1984, Leibstatt: > 228.106 MWh seit 1984, Mühleberg: > 98.106 MWh seit 1972). Da der Wirkungsgrad von KKW etwa 30% beträgt, ist die effektiv umgesetzte Energie (elektrisch und thermisch) rund drei mal grösser (etwa 1019 J).
- Natürliche Ressource: Kohle
Die thermische Energie aus Kohle, die einem Kohleflöz mit einer Fläche eines geologischen Tiefenlagers (4 km2) und einer 1 m Mächtigkeit bei vollständigem Abbau entnommen werden kann, entspricht 1.6.1017 J (Heizwert Steinkohle: etwa 30 MJ/kg [3], Dichte Steinkohle: 1300 kg/m3 [4]).
Die schweizerischen KKW haben während der letzten 40 Jahre mindestens 20 mal mehr elektrische Energie umgesetzt als jene aus der Kohle, die wegen der Realisierung eines geologischen Tiefenlagers nicht genutzt werden kann.
Der Wärmefluss im Bereich der Standortregionen für ein zukünftiges geologisches Tiefenlager beträgt etwa 0.14 W/m
2 [5]. Eine Fläche, die dem geplanten geologischen Tiefenlager entspricht (4 km
2), liefert jährlich maximal 1.8
.10
13 J an thermischer Energie. Die Wärmekapazität von Granit beträgt 0.8 Joule pro Gramm und Kelvin. Wenn wir 500mx500mx500m Granit um 50 Grad abkühlen, bekommen wir eine Energie von 1.7E16 Joule. Dies ist die Idee der EGS Systeme, welche über eine begrenzte Zeit viel mehr Energie liefern können als der stationäre Wärmefluss. Es gibt nahezu beliebig viele solcher potenziell nutzbaren Granitkörper im Untergrund der Nordschweiz.
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Figur 103-5: Räumliche Verteilung des geothermischen Wärmeflusses in der Schweiz (nach www.vgka.ch)[/caption]
Die maximal nutzbare geothermische Energie, die aus der Fläche eines geologischen Tiefenlagers während des typischen Zeitraumes für das Abklingen der Radioaktivität von hoch- und mittelaktiven Kernabfällen (105 ‑ 106 Jahre) bezogen werden kann, beträgt etwa 2.1018 J. Wird berücksichtigt, dass Erdwärme nie vollständig umgesetzt werden kann (Wirkungsgrad << 100%), ist die geothermische Energie, die wegen des geologischen Tiefenlagers nicht oder nur eingeschränkt genutzt werden kann, deutlich kleiner als die bis heute durch die KKW umgesetzte elektrische Energie.
b. Flächenbedarf eines geologischen Tiefenlagers (Figur 103-6).
Der Flächenbedarf eines zukünftigen geologischen Tiefenlagers (4 km2) ist klein im Vergleich zum Perimeter der vorgeschlagenen Standortregionen und demzufolge verschwindend klein im Vergleich zur Ausdehnung des Permokarbontrogs, der sich über weite Teile des schweizerischen Mittellandes erstreckt (Figur 103-6).
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Figur 103-6: Flächenvergleich zwischen den Permokarbontrögen und den Perimetern für die vorgeschlagenen Standortregionen und die geologischen Tiefenlager (reproduziert nach Nagra Vorlage)[/caption]
Die Realisierung eines geologischen Tiefenlagers schränkt die Nutzung der natürlichen Ressourcen im Permokarbontrog nicht wesentlich ein, da wegen seiner Grösse genügend Platz zur Ressourcennutzung vorhanden ist, ohne den Perimeter eines geologischen Tiefenlagers zu tangieren.
Zusammenfassung
Die angeführten allgemeinen Argumente zeigen, dass ein geplantes geologisches Tiefenlager die Nutzung möglicher geologischer Ressourcen im tieferen Untergrund kaum ernsthaft einschränkt, da
- die zu erwartenden Ausdehnungen möglicher Ressourcen im Permokarbon viel grösser sind als sie typischen Abmessungen eines möglichen geologischen Tiefenlagers. Damit schränkt der Bau eines geologischen Tiefenlagers den Zugang zu den untertägigen Ressourcen kaum ein (Figur 103-6), und
- sich aus dem unmittelbaren Perimeter eines geologischen Tiefenlagers weit weniger Energie umsetzen lässt als die elektrische Energie, welche die schweizerischen KKW bis heute umgesetzt haben und deren Abfälle im geologischen Tiefenlager entsorgt werden sollen.
Die Einschätzungen der EGT hinsichtlich Nutzungskonflikte deckt sich weitgehend mit der Bewertung anderer ExpertInnengremien (siehe Präambel). Abschliessend ist auf einen Punkt zu verweisen, der der EGT im Zusammenhang mit den angeführten Argumenten als kritisch erscheint und entsprechend vertieft analysiert werden sollte.
Flache Grundwasserressourcen über einem geologischen Tiefenlager
Die Schweiz bezieht rund 60% ihres Trinkwassers aus flachem Grundwasser und Quellen. Der Ressource Trinkwasser und dem damit einhergehenden Nutzungskonflikt muss bei der konkreten Standortwahl für ein geologisches Tiefenlager explizit Rechnung getragen werden.
Der Trinkwasserschutz wird dabei im Rahmen des Gewässerschutzgesetzes speziell bewertet.
[1] Beznau: > 224
.10
6 MWh seit 1969, Gösgen: 250
.10
6 MWh seit 1984, Leibstatt: > 228
.10
6 MWh seit 1984, Mühleberg: > 98
.10
6 MWh seit 1972
d)
Konkret geht es um die Diskussion folgender Aussagen im Memorandum von W. Wildi:
«Vertikale Schächte sind in fragilen Gesteinen stabiler und haben grössere Lebenserwartung als horizontale Stollen. Dies liegt ganz einfach an der geringen Druckfestigkeit horizontaler Hohlräume unter hohem Gesteinsdruck.»
Zusammenfassend stellt die EGT fest, dass bezüglich der Hohlraumstabilität einzig Unterschiede bestehen könnten, welche auf der Anisotropie der durchfahrenen Schichten (es ist grundsätzlich einfacher, Hohlräume quer zur Schichtung aufzufahren) und der Anisotropie der Primärspannungen basieren. Eine Untersuchung der Zugangsstollen oder Schächte bezüglich solcher Baugrundanisotropie-Aspekte steht noch aus. Bautechnische Risikoanalysen zeigen, dass die Länge der durchfahrenen Schichten (bei den Stollen zwangsmässig höher), die bautechnischen Risiken beeinflussen. Die Lebensdauer von Schächten ist nach Ansicht der EGT nicht höher als jene von Stollen (in gleichen geologischen Verhältnissen).
Stabilität von Schächten und Tunneln in fragilen Gesteinen
Die Beanspruchung des Gebirges infolge Herstellung eines Hohlraumes hängt im Wesentlichen von folgenden Faktoren ab:
- Primärspannungssituation
- Hohlraumgeometrie
- Orientierung des Hohlraumes in Bezug zu den Primärspannungen
- Anisotropie des Gebirges relativ zur Hohlraumorientierung
Während es in Umfangsrichtung in der Regel zu Spannungserhöhungen gegenüber der Primärspannung kommt, muss zwangsläufig bei nicht ausgekleideten Tunneln in radialer Richtung (normal zur Hohlraumlaibung) die Spannung am Hohlraumrand Null sein.
Im Folgenden sollen einige Beispiele den Einfluss der unterschiedlichen Faktoren auf die Spannung um einen Schacht und einen Tunnel illustrieren. Die Beispiele berücksichtigen nicht eine Plastifizierung des Gebirges (Bildung einer „Excavation Damaged Zone EDZ“) und anisotrope Verhältnisse.
Spannungverteilung im Querschnitt um einen Stollen und Schacht
Angenommen wurde ein Hohlraum mit einem Durchmesser von 10 m und kreisförmigem Querschnitt. Weiter wurde ein hydrostatischer Primärspannungszustand mit einer Grösse von 10 MPa gewählt (entspricht einer Überlagerung von etwa 400 m). Ein elastisches Materialverhalten wird angenommen.
Figur 103-7 zeigt den Verlauf der Spannungen in Umfangsrichtung (tangentiale Spannungen) und in radialer Richtung (radiale Spannungen). Dabei ist zu erkennen, dass für den gewählten Fall die Umfangsspannungen am Hohlraumrand die doppelte Grösse der Primärspannungen erreichen und mit zunehmender Entfernung vom Hohlraumrand wieder zum Niveau der Primärspannung konvergieren. Die Radialspannungen sind am Hohlraumrand Null und steigen mit zunehmender Entfernung wieder auf das Niveau der Primärspannungen an.
[caption id="attachment_16105" align="alignnone" width="458"]

Figur 103-7: Verteilung der Radial- und Umfangsspannungen bei hydrostatischem Primärspannungszustand und kreisförmigem Tunnel[/caption]
Im Folgenden wird gezeigt, wie sich die Primärspannungssituation auf die Umfangsspannungen am Hohlraumrand jeweils bei einem Tunnel und einem Schacht bei gleicher Teufe auswirken.
Scenario 1
Ausgegangen wird wieder von einem kreisförmigen Tunnel und Schacht.
- Primäre Vertikalspannung: 10 MPa
- Primäre Horizontalspannung in Richtung x: 10 MPa
- Primäre Horizontalspannung in Richtung y: 10 MPa
Daraus ergeben sich folgende Verteilungen von Umfangsspannungen um die jeweiligen Hohlräume (Figur 103-8):
[caption id="attachment_16106" align="alignnone" width="700"]

Figur 103-8: Umfangsspannungen am Hohlraumrand bei hydrostatischem Primärspannungszustand[/caption]
Man sieht, dass in diesem Fall sowohl beim Tunnel als auch beim Schacht die Umfangsspannung an der Laibung über den Umfang gleiche Grösse, und zwar in Höhe der doppelten Primärspannung aufweist. Es besteht in diesem Fall kein Unterschied zwischen Schacht und Tunnel in gleicher Teufe.
Scenario 2
Ausgegangen wird wieder von einem kreisförmigen Tunnel und Schacht.
- Primäre Vertikalspannung: 10 MPa
- Primäre Horizontalspannung in Richtung x: 7 MPa
- Primäre Horizontalspannung in Richtung y: 7 MPa
Daraus ergeben sich folgende Verteilungen von Umfangsspannungen um die jeweiligen Hohlräume (
Figur 103-9):
[caption id="attachment_16107" align="alignnone" width="700"]

Figur 103-9: Umfangsspannungen am Hohlraumrand infolge anisotropen Primärspannungszustands (Horizontalspannung geringer als Vertikalspannung)[/caption]
Man sieht, dass im Fall von geringeren Horizontal- als Vertikalspannungen die Umfangsspannungen beim Tunnel an der Ulme (Seitenwand) etwa das 2,3 fache der vertikalen Primärspannung erreichen, während in der Firste (Decke) nur eine Erhöhung von rund 10% festzustellen ist. Beim Schacht ist die Umfangsspannung wieder gleichmässig um den Umfang in der Höhe der doppelten primären Horizontalspannung.
Scenario 3
Ausgegangen wird wieder von einem kreisförmigen Tunnel und Schacht.
- Primäre Vertikalspannung: 10 MPa
- Primäre Horizontalspannung in Richtung x: 10 MPa
- Primäre Horizontalspannung in Richtung y: 12 MPa
Daraus ergeben sich folgende Verteilungen von Umfangsspannungen um die jeweiligen Hohlräume (
Figur 103-10):
[caption id="attachment_16117" align="alignnone" width="700"]

Figur 103-10: Umfangsspannungen am Hohlraumrand infolge anisotropen Primärspannungszustands (Horizontalspannung in Richtung y höher als Vertikalspannung)[/caption]
Bei einer Orientierung der Tunnelachse in Richtung y ergibt sich wieder wie bei Scenario 1 eine isotrope Spannungsverteilung um den Hohlraumrand in einer Grösse der doppelten primären Vertikalspannung. Bei einer Orientierung der Tunnelachse in Richtung x ergeben sich an der Firste höhere Spannungen, während sie an der Ulme geringer sind. Beim Schacht ergibt sich eine mit dem Tunnel in x-Richtung idente Spannungssituation.
Scenario 4
Ausgegangen wird wieder von einem kreisförmigen Tunnel und Schacht.
- Primäre Vertikalspannung: 10 MPa
- Primäre Horizontalspannung in Richtung x: 15 MPa
- Primäre Horizontalspannung in Richtung y: 12 MPa
Daraus ergeben sich folgende Verteilungen von Umfangsspannungen um die jeweiligen Hohlräume (
Figur 103-11):
[caption id="attachment_16116" align="alignnone" width="700"]

Figur 103-11: Spannungsverteilung um den Hohlraum bei richtungsbetonten höheren Horizontal- als Vertikalspannungen[/caption]
Bei Ausrichtung des Tunnels in y-Richtung ergeben sich an der Firste die grössten Spannungen, während sie an den Ulmen in Höhe der primären Horizontalspannung in Richtung x liegen. Bei Orientierung der Tunnelachse in x-Richtung ergibt sich eine wesentlich gleichmässigere Spannungsverteilung, wobei immer noch in der Firste die höchste Spannung festzustellen ist. Beim Schacht liegt die maximale Spannung im Bereich dessen, was beim Tunnel mit Achsenrichtung y zu erwarten ist, allerdings sind die Spannungen in der zweiten Achse höher als beim Tunnel.
Scenario 5
Ausgegangen wird von einem flachovalen Tunnel und kreisrunden Schacht.
- Primäre Vertikalspannung: 10 MPa
- Primäre Horizontalspannung in Richtung x: 15 MPa
- Primäre Horizontalspannung in Richtung y: 12 MPa
Daraus ergeben sich folgende Verteilungen von Umfangsspannungen um die jeweiligen Hohlräume (
Figur 103-12):
[caption id="attachment_16115" align="alignnone" width="700"]

Figur 103-12: Spannungsverteilung um den Hohlraum bei richtungsbetonten höheren Horizontal- als Vertikalspannungen und hochovaler Tunnelgeometrie[/caption]
Es ist deutlich zu erkennen, dass die Veränderung der Tunnelgeometrie zu einer gleichmässigeren Spannungsverteilung am Hohlraumrand führt.
Schlussfolgerung
Wie oben gezeigt wurde, wird die Beanspruchung des Gebirges in der Nähe des Hohlraumes durch die primäre Spannungssituation und die Hohlraumform beeinflusst. Eine eindeutige Präferenz für einen Schacht oder Tunnel ist in Bezug zur Gebirgsbeanspruchung nicht abzuleiten. Insbesondere auch deshalb, da bei Tunneln sowohl die Orientierung, als auch die Hohlraumform innerhalb gewisser Grenzen veränderbar ist. Man ist also in der Lage, in Bezug zu den Spannungen ungünstige Orientierungen zu vermeiden, und die Hohlraumgeometrie entsprechend anzupassen.
Die Anisotropie und nicht-elastischen Verformungen müssen zusätzlich berücksichtigt werden. Für horizontale Tiefenlagerstollen und Kavernen wie auch für vertikale Schächte wurden im Rahmen von SGT Etappe 1 und 2 umfangreiche Detailstudien zur Abschätzung der Auflockerungszone im Umfeld dieser Bauwerke durchgeführt. Grundsätzlich ist bei einer subhorizontalen Schichtung die vertikale Orientierung der Schächte vorteilhafter als die horizontale Lage von Stollen.
Lebenserwartung von Tunneln und Schächten
Grundsätzliche Aspekte
Die aufwändigen Sanierungsarbeiten im Belchentunnel sind auf Schäden aus quellendem Gebirge (Opalinuston und Gipskeuper) zurückzuführen. Solche Quellprobleme unterscheiden sich nicht grundsätzlich zwischen einem Schacht und einem Tunnel. Bei der Quellproblematik stellen sich bei einer Detailanalyse Fragen zur Vortriebsmethode (trocken oder mit Brauchwasser) und dem Einbau von Stützmitteln, zur Lokalität von natürlichen Wasserzutritten, Abdichtung von Wasserzutritten, den Fliesswegen von Wasser um die Hohlräume (z. B. bevorzugt in der Sohle von horizontalen Stollen) sowie der künstlichen Erzeugung von Wasserfliesswegen durch Rissbildung. Die vorgesehenen Zugangsbauwerke durchqueren den Gipskeuper nicht.
Viele Sanierungsarbeiten in nicht quellenden Gesteinen sind auf erhöhte Sicherheitsanforderungen und nicht auf geologische Ursachen zurückzuführen. In wenigen Fällen verursachten hohe Porenwasserdrücke oder ‑salinitäten Schäden an den Tunnelauskleidung. Bei sachgemässer Herstellung- welche hier vorausgesetzt werden kann – ist kein Unterschied bei der Wartung und Unterhalt von Tunneln oder Schächten zu erwarten. Hier mag vielleicht der subjektive Eindruck täuschen, da ja jedermann häufig Tunnels benützt, aber kaum jemand regelmässig Schächte. Daher kann leicht der Eindruck entstehen, dass Tunnels wartungsanfälliger als Schächte sind.
Die Wartung von Schächten ist jedenfalls problematischer als jene von Tunnels und Stollen, da diese nur von abgehängten Arbeitsbühnen ausgeführt werden kann.
Langzeitbeständigkeit von Ausbaumaterialien
In Österreich läuft derzeit eine Untersuchung zur Langzeitbeständigkeit von Stützmitteln. In den 1970er und 1980er Jahren wurde eine Reihe von Strassentunneln einröhrig errichtet. Seit etwa 2005 werden die zweiten Röhren bei einigen Tunneln gebaut. Im Zuge dieser Bauarbeiten werden Querschläge zu den bereits seit 30 bis 40 Jahren in Betrieb befindlichen Röhren hergestellt. Dies ermöglichte, Proben der Stützmittel zu entnehmen und zu untersuchen. Unter anderem wurden Proben des Spritzbetons, der Betoninnenschale und der Felsbolzen aus 10 Tunnels untersucht. Die Versuchsergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Die Ergebnisse der bisher untersuchten Betonproben von Aussen- und Innenschalen aus den unterschiedlichen Tunnelbauwerken zeigen keine Verschlechterung der Betoneigenschaften. Es konnten bei den untersuchten Proben nach zirka 30 Jahren unter Belastung keine geringeren Festigkeiten festgestellt werden. Ganz im Gegenteil wurden vereinzelt erhöhte Festigkeiten gemessen, was auf eine Nachhydratisierung schliessen lässt. Die Analyse der vermörtelten Felsbolzen zeigt an den Oberflächen der Anker lokal deutliche korrosive Angriffe, aufgrund der beobachteten Festigkeiten und Härtewerte sowie der Gefügeuntersuchungen ist jedoch nicht davon auszugehen, dass die Proben von den äusseren korrosiven Angriffen signifikant beeinträchtigt wurden.
Bei den untersuchten Spritzbetonproben ergab sich eine durchschnittliche einachsiale Druckfestigkeit von rund 54 MPa, bei den Innenschalenbetonproben eine einachsiale Druckfestigkeit von durchschnittlich rund 38 MPa.
Aus den Untersuchungen lässt sich ableiten, dass Beton mit zunehmendem Alter in der Regel an Festigkeit zunimmt. Keine der Proben zeigte eine niedrigere Festigkeit, als beim Bau spezifiziert worden war. Dies ist in den folgenden beispielhaften Illustrationen dargestellt (Figur 103-13, Figur 103-14, Figur 103-15, Figur 103-16, Figur 103-17, Figur 103-18 und Figur 103-19).
[caption id="attachment_16114" align="alignnone" width="372"]

Figur 103-13: Foto von Spritzbetonprobe LST_T1_EQ01_02[/caption]
[caption id="attachment_16113" align="alignnone" width="492"]

Figur 103-14: Spannungs-Dehnungsdiagramm für Spritzbetonprobe LST_T1_EQ01_02[/caption]
[caption id="attachment_16112" align="alignnone" width="200"]

Figur 103-15: Bild von Innenschalenbetonprobe EQ 01/15[/caption]
[caption id="attachment_16111" align="alignnone" width="368"]

Figur 103-16: Spannungs-Dehnungsdiagramm für Probe EQ 01/15[/caption]
[caption id="attachment_16110" align="alignnone" width="458"]

Figur 103-17: Typischer Zustand eines vermörtelten Felsbolzens[/caption]
[caption id="" align="alignnone" width="416"]

Figur 103-18: Typischer Zustand eines vermörtelten Felsbolzens[/caption]
[caption id="attachment_16108" align="alignnone" width="548"]

Figur 103-19: Spannungs-Dehnungsdiagramm von Zugversuchen an Felsbolzen[/caption]
Referenzen
[1] http://www.energienucleaire.ch/de/home.html
[2] http://www.energienucleaire.ch/de/atomkraftwerke.html
[3] http://de.wikipedia.org/wiki/Heizwert
[4] nach Schön (1983), Petrophysik, Akademie-Verlag, Berlin
[5] http://www.vgka.ch/index.php?id=34#c57