Sicherheitsanalyse «Kristallin-I» der Nagra
Die Sicherheitsanalyse «Kristallin-I» ist eine von der Nagra erstellte Bewertung des kristallinen Grundgebirges der Nordschweiz. Die Analyse stützt sich auf die bis 1994 durchgeführten Untersuchungen des Grundgebirges und zieht Schlussfolgerungen im Hinblick auf die Sicherheit eines geologischen Tiefenlagers für verglaste hochaktive Abfälle in diesem Gestein. Die Sicherheitsanalyse «Kristallin-I» und die dazugehörige Dokumentation schliessen die Phase der regionalen Untersuchungen der Nagra im kristallinen Grundgebirge der Nordschweiz ab.
Die Nagra kommt zum Schluss, dass das kristalline Grundgebirge der Nordschweiz eine geeignete Umgebung für ein geologisches Tiefenlager für hochaktive Abfälle bieten kann. Weitergehende Untersuchungen wären aber nötig, um mögliche Standorte zu identifizieren.
Die Nagra hat die Dokumentation zu «Kristallin-I» den Behörden im Jahr 1995 vorgelegt und sie gleichzeitig veröffentlicht. Damit kam sie der Verpflichtung zur Berichterstattung nach, die ihr das Departement UVEK (damals EVED) nach dem Entscheid des Bundesrats zu «Gewähr» im Jahr 1988 auferlegt hatte.
Stellungnahme der HSK
Die Überprüfung der Unterlagen zu «Kristallin-I» durch die HSK wurde vor kurzem abgeschlossen. Dabei hat die HSK die wesentlichen Aussagen auf Basis ihrer eigenen Interpretation der erdwissenschaftlichen Daten und ihrer eigenen Bewertung der technischen Barrieren untersucht. Die HSK hat in ihre Beurteilung teilweise auch neuere Ergebnisse und technische Berichte der Nagra miteinbezogen.
Generell stellt die HSK fest, dass die Nagra eine hochwertige Sicherheitsanalyse erarbeitet hat. Die Sicherheitsanalyse stützt sich auf eine gut dokumentierte Synthese der erdwissenschaftlichen Kenntnisse über das kristalline Grundgebirge der Nordschweiz ab.
Die Stellungnahme der HSK ist ein technisches Dokument, das sich in erster Linie an die Nagra richtet. Darin weist die HSK auf offene Fragen hin, die beantwortet werden müssen, falls die Option Kristallin weiter verfolgt wird. Die HSK nimmt auch zu methodischen Fragen sowie zu den technischen Barrieren Stellung; die diesbezüglichen Aussagen der HSK sind auf andere Tiefenlagerprojekte anwendbar. Durch diese Zielsetzungen erhalten die Kritikpunkte in der Stellungnahme der HSK weit mehr Gewicht als die vielen positiven Aspekte.
Die HSK kommt zum Schluss, dass die Sicherheit eines geologischen Tiefenlagers für verglaste hochaktive Abfälle gewährleistet ist, wenn ein genügend grosser Gesteinskörper mit den in der Sicherheitsanalyse «Kristallin-I» beschriebenen Eigenschaften gefunden wird. Dies trifft auch dann zu, wenn pessimistischere Annahmen über die hydrogeologische Situation getroffen werden, als es die Nagra macht. Die HSK ist aber der Ansicht, dass sich seit dem Projekt «Gewähr» die Aussichten kaum verbessert haben, einen genügend grossen Gesteinskörper mit der erforderlichen Zuverlässigkeit zu finden und dessen Eigenschaften schlüssig nachzuweisen.
Geschichtlicher Hintergrund
Gemäss Bundesbeschluss zum Atomgesetz von 1978 gilt bezüglich der Entsorgung der radioaktiven Abfälle das Verursacherprinzip: Wer radioaktive Abfälle erzeugt, hat auf eigene Kosten für deren sichere Beseitigung zu sorgen. Die Eigentümer der Kernkraftwerke sowie der Bund, der für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle aus Medizin, Industrie und Forschung verantwortlich ist, haben diese Aufgabe der Nagra übertragen.
Im Hinblick auf die Entsorgung der hochaktiven und langlebigen mittelaktiven Abfälle untersuchte die Nagra zwischen 1982 und 1994 das kristalline Grundgebirge in der Nordschweiz. 1985 reichte sie das Projekt „Gewähr“ ein, welches aufzeigen sollte, dass die radioaktiven Abfälle in der Schweiz entsorgt werden können. Der Bundesrat stellte 1988 fest, dass für hochaktive und langlebige mittelaktive Abfälle der Sicherheitsnachweis, nicht aber der Standortnachweis erbracht ist. Er wies die Nagra deshalb an, ihre Untersuchungen auch auf Sedimente auszudehnen.
Nach einem breit angelegten Auswahlverfahren mit sukzessiver Einengung aufgrund sicherheitsgerichteter Kriterien wählte die Nagra 1993 den Opalinuston im Zürcher Weinland zur Durchführung der Sedimentuntersuchungen. Die zuständigen schweizerischen Behörden haben dieser Wahl zugestimmt. Auch eine Expertengruppe aus Deutschland bestätigte, dass das Auswahlverfahren die Anforderungen erfüllte, die international an ein solches Verfahren gestellt werden.
Zusätzlich zur Sondierbohrung Benken und zur 3D-Seismik im Zürcher Weinland führte die Nagra Experimente im Felslabor Mont Terri (JU) durch. Ende 2002 reichte sie den Entsorgungsnachweis zum Opalinuston im Zürcher Weinland ein.
Weiteres Vorgehen
Die Stellungnahme der HSK zu Kristallin-I sowie die Gutachten und Stellungnahmen zum Projekt Opalinuston im Zürcher Weinland werden im Jahr 2005 öffentlich aufgelegt. Alle Betroffenen erhalten so Gelegenheit, zu technischen und politischen Aspekten Stellung zu nehmen. Nach Abschluss der öffentlichen Auflage wird der Bundesrat voraussichtlich 2006 über den Entsorgungsnachweis und das weitere Vorgehen entscheiden.
Die Stellungnahme der HSK ist zugänglich unter: www.hsk.ch