Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI verfolgt die Entwicklung in den belgischen Kernkraftwerken Doel-3 und Tihange-2. Bereits 2012 und 2013 hat die Schweizer Atomaufsichtsbehörde die Überprüfung der Reaktordruckbehälter in den Kernkraftwerken in der Schweiz angeordnet.
Im Sommer 2012 sind in den belgischen Kernkraftwerken Doel-3 und Tihange-2 zahlreiche Befunde im Grundmaterial der geschmiedeten Reaktordruckbehälter festgestellt worden. Die belgische Aufsichtsbehörde Federaal Agentschap voor Nucleaire Controle FANC liess diese detailliert abklären und kam im Frühling 2013 zum Schluss, dass ein Weiterbetrieb der beiden Anlagen aus ihrer Sicht unter Auflagen möglich ist. Im März 2014 beschloss die Betreiberin electrabel, die beiden Werke vorläufig ausser Betrieb zu nehmen, da ein Materialtest unerwartete Resultate ergeben hatte.
Situation Mühleberg
Das Kernkraftwerk Mühleberg, das über geschmiedete Druckbehälterringe verfügt, hat bereits im Sommer 2012 eine Ultraschallprüfung des Grundmaterials vorgenommen. Die Analysen der Prüfresultate durch das ENSI bestätigten, dass der Grundwerkstoff des Reaktordruckbehälters den Qualitätsanforderungen entspricht, die neue Reaktoren erfüllen müssen. Die Ultraschallüberprüfung im KKM ergab keine Hinweise auf Befunde wie im belgischen Kernkraftwerk Doel.
Situation Leibstadt
Für den Reaktordruckbehälter des Kernkraftwerks Leibstadt sind die Untersuchungen der Befunde von Doel-3 und Tihange-2 von geringerer Bedeutung. Das KKL war zwar auf der von der belgischen Aufsichtsbehörde publizierten Liste vom Sommer 2012 aufgeführt, unterscheidet sich aber sowohl bezüglich Hersteller als auch bezüglich Herstellungsprozess von den belgischen Reaktoren. Für die zylindrischen Mantelringe, den gewölbten Boden und für den Deckel des Reaktordruckbehälters wurde kein geschmiedetes sondern gewalztes Material verwendet.
Situation Beznau und Gösgen
Im Januar 2013 hat das ENSI von den Kernkraftwerken Beznau und Gösgen die Zusammenstellung von Informationen über Herstellung, Grundmaterial und Prüfungen der Reaktordruckbehälter-Schmiedeteile verlangt. Inzwischen liegen die Unterlagen vor.
Als Reaktion auf die Befunde in Belgien 2012 empfahl die Western European Nuclear Regulators‘ Association WENRA im Sommer 2013, alle geschmiedeten Reaktordruckbehälter in Europa im Rahmen der regulären Schweissnahtprüfungen überprüfen zu lassen. Entsprechend hat das ENSI die Kernkraftwerke Beznau und Gösgen aufgefordert, im Rahmen der nächsten Wiederholungsprüfung der Schweissnähte des Reaktordruckbehälters auch das Grundmaterial zu prüfen.
Bezüglich der Entwicklungen im März 2014 steht das ENSI in Kontakt mit den belgischen Behörden, um sich informieren zu lassen.
Der Reaktordruckbehälter ist Neutronenstrahlung, grossen Drücken und hohen Temperaturen ausgesetzt. Deshalb muss er robust sein und darf über keine Schwachpunkte verfügen. Aus diesem Grund wird die Entwicklung des Grundmaterials und der Zustand der Schweissnähte der Reaktordruckbehälter in der Schweiz überprüft. Erfüllen der Reaktordruckbehälter vorgegebene Kriterien nicht, muss das Kernkraftwerk unverzüglich ausser Betrieb genommen werden.