Die Entsorgung von radioaktiven Abfällen in einem geologischen Tiefenlager, das tief unter der Erdoberfläche (d.h. weit entfernt von der menschlichen Einflusssphäre) und in einem Gebiet ohne spezielle Rohstoffvorkommen oder anderen speziellen absehbaren zukünftigen Nutzungsmöglichkeiten platziert wird, minimiert die Wahrscheinlichkeit eines künftigen unbeabsichtigten menschlichen Eindringens (absichtliches menschliches Eindringen ins geologische Tiefenlager muss gemäss der gültigen HSK-Richtlinie R-21 nicht behandelt werden in einer Sicherheitsanalyse).
Die Wahrscheinlichkeit eines künftigen unbeabsichtigten menschlichen Eindringens wird weiter minimiert, wenn zukünftige Gesellschaften über das geologische Tiefenlager informiert sind. Es gibt zwei hauptsächliche Strategien, die für diesen Zweck entwickelt worden sind: Archivierung der Information und die Erstellung von so genannten Markern über dem geologischen Tiefenlager [1-3]. Es muss aber mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass z.B. nach einer Eiszeit oder als Folge von grossen gesellschaftlichen Instabilitäten (Krieg, Unruhen, …) die Informationen über das geologische Tiefenlager irgendwann einmal verloren gehen. Falls dies eintrifft, müsste eine Gesellschaft, die nach einem solchen Ereignis z.B. eine Probebohrung abteufen möchte, zuerst wieder über die notwendige Technologie verfügen. Es wird betont, dass in der Zeitspanne zwischen der Einlagerung der Abfälle und einem allfälligen unbeabsichtigten menschlichen Eindringen ins geologische Tiefenlager aufgrund des radioaktiven Zerfalls die Radiotoxizität der Abfälle abnimmt, und zwar umso stärker, je länger diese Zeitspanne dauert.
Für eine eventuelle künftige geothermische Nutzung gibt es aus heutiger Sicht grundsätzlich zwei Möglichkeiten:
- Erdwärmesonden Erdwärmesonden für Wärmetauscher werden typischerweise in Bohrungen mit einer Tiefe von etwa max. 200 m eingebracht. Da die Opalinustonschicht im Zürcher Weinland in einer Tiefe von 600 – 700 m liegt und das geologische Tiefenlager in der Mittelebene dieser Schicht platziert würde, würde eine Bohrung für eine Erdwärmesonde die Integrität des Lagers in keiner Weise in Frage stellen.
- Deep Heat Mining Beim Deep Heat Mining werden Bohrungen bis zu ca. 5000 m abgeteuft (Temperatur ca. 200 °C), um Wärme zu gewinnen z.B. zur Stromproduktion.
Es kann angenommen werden, dass eine Gesellschaft, die über die notwendige Technologie verfügt, um ein solches Deep Heat Mining- Projekt erfolgreich zu realisieren, zunächst eine Standortevaluation durchführt, um sicherzustellen, dass der gewählte Standort optimal ist in Bezug auf die Energieausbeute. Betrachtet man z.B. die Karte der thermischen Leistung in der 500 m mächtigen Verwitterungsschicht des Kristallins [4], so ist ersichtlich, dass das Zürcher Weinland deutlich weniger günstig ist als z.B. das untere Aaretal; d.h. auch in Bezug auf eine eventuelle künftige geothermische Nutzung ist die einleitend angegebene Bedingung („Wirtgestein ohne spezielle Rohstoffvorkommen oder anderen speziellen absehbaren zukünftigen Nutzungsmöglichkeiten“) für den Opalinuston im Zürcher Weinland erfüllt.
Der Fall, in dem trotz allen Vorsichtsmassnahmen ein unbeabsichtigtes Anbohren des geologischen Tiefenlagers erfolgt, wurde im Sicherheitsbericht zum Entsorgungsnachweis evaluiert. Selbst im extremsten aller betrachteten Fälle (Durchbohren eines LMA-Tunnels 500 Jahre nach Ende der Abfalleinlagerung, hydraulischer Kurzschluss zwischen den unterhalb und oberhalb der Opalinustonschicht liegenden Aquiferen mit entsprechendem Wasserfluss, hypothetische Radionuklidfreisetzung aus dem LMA-Tunnel via Bohrloch direkt in die Biosphäre) resultiert eine Dosis, die unterhalb dem Schutzziel der HSK-R-21 liegt.
Auf den Einbau einer mechanisch resistenten Schutzschicht oder einer Warnschicht über den eingelagerten Abfällen wird im vorgeschlagenen Konzept bewusst verzichtet, da eine solche Schicht einerseits die für die Radionuklidrückhaltung günstigen Eigenschaften des geologischen Tiefenlagers beeinträchtigen könnte, ohne andererseits im Falle eines Anbohrens einen entscheidenden zusätzlichen Beitrag zur Sicherheit zu leisten. Es wird in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass die massiven Stahlbehälter für abgebrannte Brennelemente rsp. für verglaste hochaktive Abfälle selbst schon einen mechanischen Schutz bieten. Ein unbemerktes Durchbohren eines solchen Stahlbehälters mit heutiger Bohrtechnik, solange seine mechanische Integrität erhalten ist (> 10’000 Jahre), wird nicht als möglich eingestuft.
Referenzen
[1] Jensen, M.: Conservation and retrieval of information: Elements of a strategy to inform future societies about nuclear waste repositories: Final report of the Nordic Nuclear Safety Research Project KAN-1.3. Nordic Nuclear Safety Research, 1993.
[2] International Atomic Energy Agency: Maintenance of records for radioactive waste disposal. IAEA-TECDOC 1097. IAEA, Vienna, 1999.
[3] Trauth, K.M., Hora, S.C. & Guzowski, R.V.: Expert judgement on markers to deter inadvertent human intrusion into the Waste Isolation Pilot Plant. Sandia Report SAND92-1382. Sandia National Laboratories, Albuquerque, 1993.
[4] Signorelli, S., Andermatten Berthoud, N. & Kohl, T.: Geothermischer Atlas der Schweiz, Jahresberichte 2004, Schweizerische Geophysikalische Kommission SGPK.