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Frage 46: Kristallinhoch im Standortgebiet Zürich-Nordost

Tektonisches Inventar (Bruchstrukturen) und seismische Prozesse (III): In ihren Untersuchungen konnte die NAGRA die Existenz eines Hochgebietes im kristallinen Grundgebirge im Raum Benken nachweisen. Die Grenzen dieses Kristallinhochs stehen in Zusammenhang mit regionalen und lokalen Strukturelementen (Flexur von Rafz-Marthalen im Süden und Wildensbucher Flexur im Norden). Im geodynamischen Konzept Nordschweiz steht das Kristallinhoch in enger Beziehung zum „Nordrand der Kompressionszone“. (In den Beilagen 4.5 und 4.6 vom NTB 99-08 ist die Korrelation zwischen den einzelnen Profilen nicht immer gegeben, so z.B. der Schnitt zwischen den Profilen E und I.)

Wie ist die Rolle des Kristallinhochs von Benken und der regionalen und lokalen Strukturen (z.B. Wildensbucher Flexur) für die tektonische Entwicklung im Untersuchungsgebiet Zürcher Weinland einzuschätzen (Einfluss einer Schollentektonik im kristallinen Sockel mit lateralen und vertikalen Versätzen auf das Deckgebirge)?

Thema , , , , Bereich
Eingegangen am 23. Dezember 2005 Fragende Instanz Vertreter des Kantons Schaffhausen
Status beantwortet
Beantwortet am 23. Dezember 2005 Beantwortet von

Beantwortet von Nagra

Kurzfassung

Die unter der Antwort auf TFE-Frage 7 festgehaltene Tatsache, dass das Hoch von Benken eine seit dem mittleren Mesozoikum in sich sehr stabile Zone bildet, begründet die Plausibilität des Szenariums, dass dies mindestens auch für die nächste Million Jahre so bleiben wird. Die möglichen Bewegungen und das Ausmass der Verschiebungen im Bereich der Randstörungen des Hochs von Benken wurden unter TFE-Frage 6 diskutiert. Während die Ostgrenze mit der Neuhauser Störung und in vermindertem Ausmass auch der Nordrand des Hochs entlang der Wildensbucher Flexur als neotektonisch potenziell aktive Elemente anzusehen sind, gibt es für zukünftige Bewegungen am Südrand (Flexur von Rafz – Marthalen) sowie am nicht genauer definierten Westrand keine konkreten Hinweise.

Ausführliche Antwort

Die nördliche Begrenzung der Hochzone von Benken (s. auch S. 139 – 140, NTB 99-08) bildet die Wildensbucher Flexur, der Südrand ist durch die Flexur von Rafz – Marthalen definiert (Beil. 4.1, NTB 99-08). Die in Beil. 4.5 und 4.6 dargestellte Situation eines Kristallin- Hochs, das auf beiden Seiten von Permokarbon begrenzt wird, ist zumindest für den südlichen Bereich gut belegt. Hier können in den 3D-seismischen Daten die für Permokarbonsedimente typische seismische Fazies (hohe Amplitude) und zudem charakteristische, leichte Diskordanzen über grössere Strecken kartiert werden (Birkhäuser et al. 2001, NTB 00- 03). Diese lassen sich auch auf 2D-seismischen Linien erkennen und sind mit dem südlich des Messgebiets der 3D-Seismik liegenden Weiach-Trog korrelierbar. Somit liegt der südliche Teil des 3D-seismischen Messgebiets im Bereich der nördlichen Schulter des Weiach-Trogs. Nördlich der Wildensbucher Flexur treten im Sockel ebenfalls deutliche Reflexionsbänder mit hoher Amplitude, d.h. Permokarbon- Indikationen in Erscheinung; sie können aber nicht eindeutig von multiplen Reflexionssignalen unterschieden werden, wie sie z.B. auch im Sockel unter der Hochzone von Benken vorkommen. Die Existenz des hier postulierten Klettgau-Trogs kann also nicht weiter verifiziert werden. Die Profile des Geologischen Modells (Beil. 4.5 und 4.6) zeigen diese Situation in leicht vereinfachter Form.

Aus den Profilen ist ersichtlich, dass sich die Deformationen an der Flexur von Rafz – Marthalen auf den tieferen Teil des Mesozoikums konzentrieren, am Top Malm aber kaum mehr wahrgenommen werden. Über der Wildensbucher Flexur wird der Malm zwar noch leicht bis deutlich verbogen, aber insgesamt äussert sich die Hochzone von Benken in Oberflächennähe lediglich noch durch eine kaum mehr wahrnehmbare Aufwölbung, die zwar anhand überhöhter seismischer Linien, aber nicht mit den spärlichen Oberflächenaufschlüssen nachgewiesen werden kann (s. a. Birkhäuser et al. 2001, NTB 00-03).

Es fällt also innerhalb der Hochzone von Benken ein grosser Kontrast zwischen dem kleinräumigen Bruchmuster an der Basis Mesozoikum und dem ruhig gelagerten jüngeren Mesozoikum (Dogger-Malm) auf.

Die rund 500 m breite Wildensbucher Flexur ist geprägt von mehreren „en échelon“ angeordneten Kleinstörungen mit jeweils geringen Verwerfungsbeträgen (Beil. 4.1 und Profil D und E in Beil. 4.5, NTB 99-08: An der Basis Mesozoikum wurden 10 kurze, im Sockel gründende Einzelverwerfungen kartiert, die sich nur teilweise bis zum Top Muschelkalk und in das höhere Mesozoikum fortsetzen (Beil. 4.1 – 4.4, NTB 99-08). Die Schichten des mittleren Mesozoikums werden im Bereich der Wildensbucher Flexur von drei gestaffelt angeordneten Abschiebungen (Beil. 4.3) mit einem maximalen Versatz von 17 m gestört. An einzelnen Strukturen der Flexurzone ergeben sich vertikale Versätze von 20 bis maximal 40 m (Profil E in Beil. 4.5 und Profil I in Beil. 4.6).

Die Anordnung der Einzelstörungen an der Wildensbucher Flexur wäre typisch für eine dextrale Lateralverschiebung. Eine entsprechende Bewegung ist aber zumindest im Kontext des heutigen Stressfelds nicht zu erwarten (s. Kap. 4.4). Es wird deshalb vermutet, dass diese Staffelung der Einzelbrüche das Abbild einer älteren Struktur des Sockels darstellt. Gemäss heutigen Kenntnissen ist die Wildensbucher Flexur auf das 3D-seismische Messgebiet beschränkt und scheint nach Osten in die Neuhauser Störung überzugehen. Es wird vermutet, dass es sich dabei um den Ausdruck einer reaktivierten Sockelstörung handelt, die wahrscheinlich in Zusammenhang mit den Abschiebungen an der Neuhauser Störung in einem generell extensiven Regime remobilisiert wurde.

Die Fragesteller weisen richtigerweise auf eine Unstimmigkeit an der Schnittstelle der Profile E und I aus den Beilagen 4.5 und 4.6 im NTB 99- 08 hin. Es betrifft dies die Darstellung des Sockels im Profil I. Zwischen den „en échelon“ angeordneten 2 Kleinstörungen der Wildensbucher Flexur wurde „Permokarbon vermutet“ anstatt „Kristallin“ dargestellt. „Permokarbon vermutet“ sagt aus, dass aufgrund der 3DSeismik nicht klar zu erkennen ist, ob es sich hier um Kristallin oder Permokarbon handelt. Trotzdem hätte wegen der Konsistenz mit dem Profil E zwischen den erwähnten 2 Kleinstörungen „Kristallin“ eingezeichnet werden müssen.

Referenzen:

Birkhäuser, Ph., Roth, Ph., Naef, H. & Meier, B. (2001): 3D-Seismik: Räumliche Erkundung des Wirtgesteins Opalinuston im Zürcher Weinland. Nagra Tech. Ber. NTB 00-03. Nagra, Wettingen.

Müller, W.H., Naef, H. & Graf, H.R. (2002): Geologische Entwicklung der Nordschweiz, Neotektonik und Langzeitszenarien Zürcher Weinland. Nagra Tech. Ber. NTB 99-08.