Inwieweit lässt sich voraussagen, wo – d.h. in welcher Talung resp. entlang welchem Hügelzug – in einer der nächsten Eiszeiten starke Geländeveränderungen, wie Akkumulationen und/oder Eintiefung/ Auskolkung, erfolgen werden?
Beantwortet von Nagra
Die Verbreitung der glazialen Übertiefungen ist weitgehend auf Gebiete mit Molasse- Untergrund beschränkt. Im Norden der Kantone Aargau und Zürich enden sie in den meisten Fällen im Bereich der relativ weichen Molassegesteine (NTB 99-08, Fig. 2.13). Die übertiefte Rinne des Hochrheins endet östlich von Schaffhausen, wo sie auf Malmkalke trifft (Graf & Hofmann 2000: Zur Eiszeitgeologie des oberen Klettgaus).
In Gebieten mit Molasseablagerungen hat die glaziale Übertiefung offenkundig ein deutlich grösseres Erosionspotenzial als in solchen mit überwiegend erosionsresistenten (harten) Formationen des Mesozoikums.
Seit der Entstehung der tiefsten Rinnen während der „grössten Eiszeit“ sind die späteren Gletschervorstösse stets den bestehenden Haupttälern gefolgt. Dieses Prinzip einer im wesentlichen lagekonstanten Weiterentwicklung der fluviatialen und glazialen Tiefenerosion ist in NTB 99-08, Beilagen 5.1 bis 5.3 dargestellt und im Kapitel 5.2.2 ausführlich beschrieben. Siehe auch NTB 02-03, Kap. 8.3.3, S. 547.
Glaziale Übertiefung erfolgt aufgrund einer Analyse der bestehenden Übertiefungen und aufgrund glazialmechanischer Überlegungen unter folgenden Voraussetzungen:
- vorzugsweise entlang dem Vektor der basalen Schubspannung (Benz 2003: Der würmeiszeitliche Rheingletscher- Maximalstand), d.h. parallel zur Vorstossachse,
- wenn der Gletscher in seiner seitlichen Ausdehnung behindert wird. Ein seitliches Hindernis muss nicht Fels sein, es genügen auch resistente Schotterablagerungen. Beispiele: Aaretal bei Stilli, würmzeitliche südliche Glatttalrinne bei Wallisellen.
- wenn ein temperierter Gletscher längere Zeit in einer erreichten Position verharrt, erfolgt Tiefenerosion unmittelbar hinter der Gletscherstirn (Habbe 1996: Überlegungen zum Bewegungsmechanismus vorstossender kaltzeitlicher Gletscher und zur glazialen Erosion und Übertiefung).
- bei leicht erodierbarem Substrat, d.h. dort, wo schon ein See (oder Seesedimente) existiert haben. Die Tiefenerosion wird noch verstärkt, wenn sich dies an derselben Stelle bei mehreren aufeinanderfolgenden Eiszeiten repetiert. Beispiele: Walensee, Zürichsee, Reusstal, Seetal, Glattal und Thurtal.