Swisstopo hat in der Antwort auf die TFS-Frage 130 empfohlen, anstelle eines 1:1-Experimentes zur Rückholung im Felslabor Mont Terri gewisse relevante Teilaspekte der Rückholung mit bestehenden oder neuen Experimenten zu untersuchen. Welche dieser Untersuchungen wurden inzwischen gemacht bzw. sind geplant?
Welche Erkenntnisse wurden bisher daraus gewonnen?
Welche baulichen Herausforderungen stellen sich für die sehr gross dimensionierte SMA-Kaverne bezüglich Bau und Rückholung?
Die verschiedenen Experimente in den Felslaboren liefern wertvolle Informationen über die Materialeigenschaften im Hinblick auf die Demonstration der Rückholung vor der Betriebsphase. Derartige Informationen können aber auch mit Feldversuchen erlangt werden. Zum Beispiel wurde kürzlich ein Feldversuch mit einem Verfüllmörtel durchgeführt. Aus diesen Untersuchungen können ebenfalls relevante Informationen und Erkenntnisse für die Entwicklung von Konzepten zur Rückholung gewonnen werden.
Hochaktive Abfälle (HAA): Experimente
In den Felslabors Mont Terri und Grimsel wurden und werden mehrere grossmassstäbliche Experimente durchgeführt, die verschiedene Aspekte des Baus, der Einlagerung, der Verfüllung und der Rückholung behandeln.
Das EB-Experiment (García-Siñeriz et al. 2008) im Felslabor Mont Terri (Figur 176-1) und das FEBEX-Experiment (Kober et al. 2021) im Felslabor Grimsel (Figur 176-2) wurden bereits vollständig aus- bzw. rückgebaut. Es konnten dabei auch relevante Erfahrungen bzgl. Rückholung für HAA-Lagerteile durch diese Experimente gesammelt werden. In den nächsten Jahren werden aus den laufenden Felslaborexperimenten weitere Informationen gewonnen, die auch für die weitere Entwicklung der Rückholung relevant sind. Vor allem zu erwähnen sind das FE-Experiment (Figur 176-3) und das HE-E Experiment (Gaus et al. 2014) im Felslabor Mont Terri sowie das HotBENT (Kober et al. 2023) im Felslabor Grimsel.
Schwach- und mittelaktive Abfälle (SMA): M1-Versuch
Auf dem Betriebsgelände eines Betonherstellers wurden verschiedene Schalungswände aus dem sogenannten M1-Mörtel (Monokornmörtel) errichtet, der als Verfüllung der SMA- Kavernen dem aktuellen Lagerprojekt zugrunde liegt (Figur 176-4a). Ziel des Versuches war es, die Materialeigenschaften und die Materialentwicklung zu untersuchen. Im Rahmen des Versuches konnte erprobt werden, dass der Mörtel gebohrt (Figur 176-4b) und gesägt werden konnte (Figur 176-4c). Abbruch- und Sägearbeiten sind in der beispielhaften Umsetzung der SMA-Rückholung (Nagra 2022) vorgesehen.
b)
Erkenntnisse der HAA-Experimente
Bei der Planung des Rückholungskonzeptes wurden die Ergebnisse der zwei bereits rückgebauten Experimente berücksichtigt. Beim EB-Experiment hat man das Verfüllmaterial (Bentonitgranulat) eines nachgebauten HAA-Lagerstollens künstlich gesättigt und die Entwicklung im Experimentstollen für mehr als 10 Jahre mit Sensoren übermacht. Dabei wurde Wasser über Bewässerungsschläuche hinzugefügt, weil eine natürliche Aufsättigung über den Opalinuston aufgrund der sehr geringen Porenwasserzutritte sehr langsam geht (Vollsättigung nach einigen Jahrhunderten). Beim FEBEX-Experiment, das ein 18 Jahre dauerndes Heizexperiment war, wurden Bentonit-Formsteine als Verfüllung eines nachgebauten HAA-Lagerstollens verwendet. Da sich das Experiment im Felslabor Grimsel befindet, waren die natürlichen Wasserzutritte aus dem umliegende Granit-Gebirge hier hoch genug, so dass der Bentonit auf natürlichem Wege gesättigt wurde. Beide Experimente lieferten Erkenntnisse zu den langfristigen Eigenschaften (z. B. Festigkeiten, Wassergehalt, etc.) einer gesättigten Bentonitverfüllung für den Betrachtungsmassstab eines HAA-Lagerstollens.
Anfang 2024 wurden im laufenden Experiment HE-E nach ca. 13 Jahren Laufzeit Bohrkerne für eine Zustandscharakterisierung der Bentonitverfüllung entnommen, die beim HE-E natürlich aufsättigt. Das Material lag dabei noch sehr trocken vor mit einem sehr geringen Grad der Festigung. Von den laufenden Grossversuchen FE und HotBENT werden weitere relevante Informationen zur Festigkeitsentwicklung, zum Sättigungsgrad und zur Behältersituation erwartet.
Für das Rückholungskonzept (Nagra 2022) des Rahmbewilligungsgesuchs wurden die Parameter des vollständig gesättigten Bentonits angenommen. Die entsprechend hohe Festigkeit entspricht konservativen bzw. abdeckenden Anforderungen. Die Ergebnisse des HE-E Experiments zeigen hingegen, dass die Entnahme der Verfüllung der HAA-Lagerstollen einfacher ist, als es in der konservativen Planung des Rückholungskonzept berücksichtigt wurde. Deshalb wird während der Beobachtungsphase des geologischen Tiefenlagers bis zum Gesamtverschluss, in der eine Rückholung ohne grossen Aufwand möglich sein muss (vgl. Art. 37 Abs. 1 Bst. b KEG), nur eine geringe Sättigung und Festigkeit der Bentonitverfüllung erwartet.
Erkenntnisse des SMA-Versuchs
Im Rahmen des Feldversuchs mit dem M1-Mörtel wurden die Materialeigenschaften und die Entwicklung des M1-Mörtels untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass die Festigkeit des M1-Mörtels deutlich geringer ist als die Festigkeiten der bewehrten SMA-ELB. Die deutlich tiefere Festigkeit des M1-Mörtels ermöglicht es, z.B. Schneidarbeiten mit technischen und/oder organisatorischen Massnahmen so durchzuführen, dass ein unabsichtliches Ansägen der Behälter vermieden wird. Die Bewahrung der Behälterintegrität stellt ein wichtiges Bemessungsziel während der Rückholung dar. Zudem konnte nachgewiesen werden, dass das Sägeverfahren eine geeignete Methode zur Rückholung darstellt. Damit wurde die Annahme des Rückholungskonzepts (Nagra 2022) bestätigt.
c)
Die bautechnischen Herausforderungen der SMA-Kavernen des aktuellen Lagerprojekts werden mit der Frage 171 beantwortet. Die Rückholung entspricht einer Umkehrung der Einlagerung und würde in der gleichen Infrastruktur stattfinden. Wenn die Einlagerung in der Kaverne möglich ist, gilt das auch für die Rückholung. Der Hauptunterschied besteht darin, dass das Verfüllmaterial entnommen statt eingebracht würde.
Referenzen
García-Siñeriz, J.-L., Rey, M. & Mayor, J.-C. (2008): The Engineered Barrier Experiment at Mont Terri Rock Laboratory. Clays in natural and engineered barriers for radioactive waste confinement. Selected papers from the 3rd international meeting, Lille, September 2007. Science & Technology series N° 334. Andra, Chatenay-Malabry, 65-75.
Gaus, I., Garitte, B., Senger, R.K., Gens, A., Vasconcelos, R., García-Siñeriz, J.-L., Trick, T., Wieczorek, K., Czaikowski, O., Schuster, K., Mayor, J.C., Velasco, M., Kuhlmann, U. & Villar, M.V. (2014): The HE-E Experiment: Lay-out, Interpretation and THM Modelling Combining HE-E Experiment: D2.2-11: Final Report on the HE-E Experiment and D3.2-2: Modelling and Interpretation of the HE-E Experiment of the PEBS Project. Unpubl. Mont Terri Technical Note. Mont Terri Project, Switzerland.
Kober, F., Schneeberger, R., Vomvoris, S., Finsterle, S. & Lanyon, B. (2023): The HotBENT Experiment: objectives, design, emplacement and early transient evolution. Geoenergy 1/1, geoenergy2023-021, DOI: 10.1144/geoenergy2023-021.
Nagra (2019): Implementation of the Full-scale emplacement Experiment at Mont Terri: Design, Construction and Preliminary Results. Nagra Technical Report NTB 15-02.
Nagra (2022): Rückholungskonzept für ein geologisches Tiefenlager. Nagra Arbeitsbericht NAB 21-13.