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Frage 4: Auswahl von Molassesedimenten

Welche Vorteile der besten Wirtgesteine des westlichen Molassebeckens (insbesondere Marnes Bariolées des Chattien) im Vergleich zu den durch die Nagra ausgewählten Wirtgesteinen für SMA-Lager (insbesondere brauner Dogger, Effinger Schichten und Mergel-Formationen des Helvetikums) stehen welchen entsprechenden Nachteilen gegenüber?

Thema Bereich
Eingegangen am 18. Juni 2009 Fragende Instanz Ausschuss der Kantone
Status beantwortet
Beantwortet am 26. März 2010 Beantwortet von ,

Beantwortet von Nagra

Von den 180-360 m mächtigen Marnes Bariolées s.l. kommen nur die 130 – 200 m mächtigen, tonreichen Marnes Bariolées s.str. als potenziell mögliches Wirtgestein in Frage (siehe Figur 5.3-31 in NTB 08-04). Die anderen Bereiche enthalten reichlich Sandsteine, welche ein Lager verunmöglichen.

Gegenüber dem Kenntnisstand 2005 (Optionenbericht NTB 05-02) stehen aufgrund umfangreicher Zusatzarbeiten (Kompilation aller verfügbaren Ergebnisse von hydraulischen Tests, synthetische 3D-Seismik, Feldbegehung mit Prof. Matter/Schlunegger, Universität Bern, hydraulische Tests in drei Bohrungen in der vergleichbaren OSM, etc.) neue Unterlagen zur Verfügung (siehe Kapitel 4.3.5 in NTB 08-04).

Es verbleibt als einziger Vorteil der Marnes Bariolées ihre grossräumige Verbreitung im westlichen Molassebecken. Nachteilig für die Marnes Bariolées sind die darin enthaltenen durchlässigen Rinnengürtel (Ablagerungen mäandrierender Flusssysteme); auch wenn diese weniger häufig auftreten als in der übrigen USM (siehe Figur 4.3-32 in NTB 08-04).

Die Mindestanforderung an die (vertikale) hydraulische Durchlässigkeit ist zwar knapp erfüllt, die verschärften Anforderungen an die horizontale Durchlässigkeit jedoch nicht; deshalb wurde die Option Marnes Bariolées in der USM zurückgestellt (‚Ausweichen‘ mit Lagerkammern schwierig).

Die Exploration einzelner Rinnengürtel mit 3D-Seismik ist in der Praxis nicht möglich (zu geringe Mächtigkeit, unterschiedliche seismische Impedanz der verschiedenen Rinnengürtel aufgrund unterschiedlicher diagenetischer Zementation).

Weiter bestehen Hinweise auf grossräumigen (‚langsamen‘) Stofftransport: Die verbreiteten Öl- und Gas-Anzeichen (das Öl stammt aus einem marinen Muttergestein aus dem tieferen Molassebecken) und das Fehlen grösserer Kohlenwasserstoff-Vorkommen hat dazu geführt, dass die Erdölgeologen die USM als leaky cap rock bezeichnen (Greber et al. 2004). Bei der Migration der Kohlenwasserstoffe tragen vermutlich auch Störungen mit einer erhöhten Transmissivität bei. Ein weiterer Hinweis auf grossräumigen langsamen advektiven Stofftransport ist die schief zu Formationsgrenzen verlaufende hydrochemische Zonierung (Schmassmann 1990).

Referenzen

Greber, E., Leu, W. & Schegg, R. (2004): Hydrocarbon Habitat and Potential of Switzerland – An evaluation of the oil and gas potential of Switzerland based on public well data, seismic lines and basin modelling results. Unpubl. Int. Rep., Geoform Ltd., Minusio.

Schmassmann, H. (1990): Hydrochemische Synthese Nordschweiz: Tertiär- und Malm-Aquifere. Nagra Tech. Ber. NTB 88-07.

Beantwortet von EGT (ehem. KNE)

Grundlagen

Die tonreichen Sedimente der Unteren Süsswasser Molasse (auch ‚Marnes Bariolées‘) wurden in Talauen von mäandrierenden Flüssen abgelagert. Die Sedimentation erfolgte jeweils in Zusammenhang mit Hochwasserereignissen in diesen Flüssen. Bei Hochwasser tritt ein Fluss nicht nur über die Ufer, sondern auch die natürlichen Uferwälle brechen. Dann wird nicht nur feine Schwebfracht in die Talaue transportiert, sondern auch eine erhebliche Menge an Sand, der in Fächerform akkumuliert. Unabhängig davon pendelt der Lauf mäandrierender Flüsse über weite Bereiche einer Talaue und hinterlässt sogenannte Rinnengürtel-Sandsteine. Rinnengürtel-Sandsteinkörper stehen oft vertikal miteinander in Verbindung, da sich die Talaue kontinuierlich während mehrere Millionen Jahre absenkte. Rinnengürtel-Sandsteine weise zudem eine erhöhte hydraulische Leitfähigkeit auf. Die ‚Marnes Bariolées‘ wurden in einem solchen Milieu gebildet. An sich ist diese tonreiche Abfolge mächtig, es ist aber aufgrund der Genese höchst wahrscheinlich, dass Sandsteinkörper (Rinnengürtel-Sandsteine und Durchbruchsfächer-Sandsteine) eingeschaltet sind. Die lithologischen Abfolgen der ‚Marnes Bariolées‘ sind nur aus wenigen Bohrungen bekannt. Das Auftreten von Sandsteinkörpern lässt sich nicht geophysikalisch explorieren.

Die grossräumigen Durchlässigkeiten solcher Abfolgen lassen sich nicht direkt messen, sondern nur modellmässig berechnen. Darum hat im Jahr 2006 die Proseis im Auftrag der HSK stochastische Simulationen der Architekturelemente und hydraulischen Durchlässigkeiten in den Marnes Bariolées ausgeführt. Die Daten dieser Modellierung basieren auf Keller (1992), Meier (1994), Strunck (2001) und Küpfer (2005). Basierend auf diesen stochastischen Modellen hat anschliessend die ETH Durchflüsse durch ein modellmässiges Tiefenlager für HAA-Abfälle berechnet (Fidelibus und Löw 2007). Die aus diesen Durchflüssen abgeleiteten grossräumigen vertikalen Durchlässigkeiten liegen zwischen 1.7 x 10-8 und 3 x 10-10 m/s. Die horizontalen Durchlässigkeiten wurden nicht berechnet sind aber vermutlich noch grösser. Die Marnes Bariolées erfüllen demzufolge die Verschärften Anforderungen an die hydraulische Durchlässigkeit nicht.

Vorteile

Die Marnes Bariolées bilden eine rund 200 m mächtige pelit-dominierte Abfolge der distalen Unteren Süsswasser Molasse. Es kann eine weite Verbreitung sowie ein Vorkommen in geeigneter Tiefenlage angenommen werden.

Nachteile

Einschaltungen von mehreren Meter mächtigen, hydraulisch durchlässigen Sandsteinlagen sind nicht prognostizierbar und können aus genetischen Gründen vertikal und lateral miteinander vernetzt sein. Die Verschärften Anforderungen an die hydraulische Durchlässigkeit werden nicht erfüllt.