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Beherrschung von Brüchen im Speisewassersystem des KKW Gösgen

Beim KKW Gösgen wurde eine mutmassliche Auslegungsschwachstelle im Speisewassersystem entdeckt. Um nach einem Bruch einer Speisewasserleitung Folgeschäden an weiteren Rohrleitungsstücken entgegenzuwirken, können robuste Rohrleitungshalterungen oder gedämpfte Rückschlagklappen montiert werden. Das KKW Gösgen muss nachweisen, dass es den Störfall «Brüche einer Speisewasserleitung» nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik beherrscht.

KKW Gösgen hält Erdbeben der Störfallkategorie 3 stand

Das KKW Gösgen hat im Rahmen der technischen Modernisierung den Austausch von Rückschlagklappen im Speisewassersystem vorgesehen. Die dabei nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik eingesetzten neuen Berechnungsmethoden zeigten eine «mögliche Auslegungsschwachstelle im Speisewassersystem». Diese mutmassliche Auslegungsschwachstelle hat Auswirkungen auf die Beherrschung von Brüchen einer Speisewasserleitung. Diese Brüche sind sehr unwahrscheinlich, stellen aber dennoch eine Grundlage für die sicherheitstechnische Auslegung der Anlage dar. Es handelt sich demnach um sogenannte Auslegungsstörfälle. Diese müssen beherrscht werden. Erst wenn das ENSI die Sicherheitsnachweise akzeptiert und die Freigabe erteilt hat, darf das Kernkraftwerk wieder anfahren.

Zwei Möglichkeiten, um Überlastungen zu verhindern

Die Rückschlagklappen des Speisewassersystems schliessen nach einem Leitungsbruch aufgrund der Umkehr der Strömungsrichtung des Speisewassers automatisch. Wenn sie zu schnell schliessen, kann durch das abrupte Abbremsen der Strömung für Sekundenbruchteile ein Druckstoss in den intakten Teilen der Rohrleitungen verursacht werden, der möglicherweise zu Überlastungen und damit zu Schäden an einzelnen Rohrleitungshalterungen führt. Falls Rohrleitungshalterungen versagen, kann dies Folgeschäden bewirken, wodurch die Kühlung des Reaktors und damit die Beherrschung des Auslegungsstörfalls «Brüche einer Speisewasserleitung» in Frage gestellt sein könnte.

Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, die genannten Überlastungen zu verhindern:

  1. Die Rohrleitungshalterungen werden ausreichend robust ausgeführt, um so den Druckstoss ohne Schäden aufnehmen zu können.
  2. Gedämpfte Rückschlagklappen, die durch eine Verzögerung des Schliessvorgangs die Höhe des Druckstosses abmildern, kommen zum Einsatz.

Ertüchtigungen der Rohrleitungshalterungen

In seiner Stellungnahme zur periodischen Sicherheitsüberprüfung (PSÜ) des KKW Gösgen von 1998 legte die Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen (HSK, Vorgängerorganisation des ENSI) dar, dass im Unterschied zu anderen Anlagen desselben Lieferanten im KKW Gösgen keine gedämpften Rückschlagklappen verwendet werden. Daher forderte die HSK vom KKW Gösgen den sicherheitstechnischen Nachweis, dass gedämpfte Speisewasser-Rückschlagklappen nicht erforderlich sind.

Hierfür reichte das KKW Gösgen im Jahr 2000 eine Übersicht über die Festigkeitsberechnungen für den postulierten Lastfall «Rohrbruch der Speisewasserleitung» ein. Darin legte es dar, dass die Festigkeitsberechnungen auf thermo-hydraulischen Berechnungen aus dem Jahr 1991 basieren. Diese wurden damals (1991) ohne Berücksichtigung der Fluid-Struktur-Interaktion (FSI) durchgeführt, da eine solche Berechnungsmethode wegen fehlender Computerkapazitäten noch kaum möglich war. Laut dem Bericht aus dem Jahr 2000 hatten FSI-Berechnungen im Allgemeinen erheblich reduzierte Lasten bis zu 50 % gegenüber den Berechnungen ohne Berücksichtigung von FSI gezeigt. Deshalb wurde damals auch auf eine explizite Modellierung der FSI verzichtet. Die auf Grundlage dieser Berechnungen identifizierten erforderlichen Ertüchtigungen wurden in der Folge umgesetzt. In seiner sicherheitstechnischen Stellungnahme zur PSÜ 2008 des KKW Gösgen bestätigte das ENSI die Schliessung der PSÜ-Pendenz.

Im Rahmen der PSÜ 2018, beziehungsweise der sicherheitstechnischen Stellungnahme zu dieser PSÜ, identifizierten weder das KKW Gösgen noch das ENSI bei der Auslegungsüberprüfung des Speisewassersystems Abweichungen.

Neue Erkenntnisse erlangte das KKW Gösgen im Rahmen eines Änderungsvorhabens im Speisewassersystem, bei dem fortgeschrittene Berechnungsverfahren eingesetzt wurden. Ein wesentliches Merkmal dieser neu angewendeten Berechnungsverfahren ist die Kopplung, das heisst die gleichzeitige Berücksichtigung von fluid – und strukturmechanischen Phänomenen.

Ziel dieser Untersuchungen war, die Wirksamkeit eines Armaturenersatzes in Bezug auf den Lastfall «Rohrbruch der Speisewasserrohrleitung» zu verifizieren. Die Untersuchungen zeigten, dass es im Lastfall «Rohrbruch einer Speisewasserrohrleitung» im unklassierten Bereich ausserhalb des Reaktorgebäudes an einigen Stossbremsen des Speisewassersystems innerhalb des Reaktorgebäudes zu deutlichen Überlastungen kommen kann. Diese mutmassliche Auslegungsschwachstelle stellt ein meldepflichtiges Vorkommnis dar, das das KKW Gösgen dem ENSI im März 2025 meldete.

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