Hans Wanner, Direktor des Eidgenössischen Nuklearinspektorats ENSI, nimmt die guten Noten der IRRS-Mission für die Schweizer Atomaufsicht mit Befriedigung zur Kenntnis. Die gründliche Inspektion habe gezeigt, dass das ENSI im internationalen Vergleich auf einem hohen Niveau arbeite, sagt Wanner im Interview.
Herr Wanner, zwei Wochen lang wurde das ENSI auf Herz und Nieren geprüft. 19 “Good Practices” und 13 “Recommendations” sind das Resultat. Sind Sie zufrieden? Hans Wanner: Die IRRS-Mission bestärkt uns in unserer Arbeit. Es ist auch für eine Aufsichtsbehörde wichtig, dass sie ihre Arbeit regelmässig von aussen überprüfen lässt. Dies trägt wesentlich dazu bei, Verbesserungspotential auszuloten. Eine lernende Organisation braucht Erkenntnisse. Die Mission hat gezeigt, dass wir im internationalen Vergleich auf hohem Niveau arbeiten. Wohl auch deshalb wurden so viele “Good Practices” ausgesprochen.
Ist das ENSI nicht in der Lage, die eigene Arbeit zu überprüfen? Doch. Wir reflektieren unsere Arbeit regelmässig, denn das entspricht unserer Sicherheitskultur. Das haben wir sehr intensiv beispielsweise nach dem Unglück von Fukushima mit dem Bericht „Lessons Learned“ getan. Darin enthalten sind nicht nur Prüfpunkte, die die Kraftwerbetreiber betreffen, sondern auch Erkenntnisse über unsere eigene Arbeit.
Sie sprechen Fukushima an. Wie beurteilt die IRRS-Mission Ihren Umgang damit? Hier haben wir ein explizites Lob erhalten. Das internationale Expertenteam ist zum Schluss gekommen, dass wir vorbildlich, gut organisiert und erfolgreich auf Fukushima reagiert haben. Wir haben ihrer Ansicht nach aus den ersten Erkenntnissen heraus die nötigen Sofortmassnahmen eingeleitet. Hervorgehoben wurde auch unsere mittelfristige Planung, um die Lehren optimal umzusetzen.
Dennoch ist die Liste der Empfehlungen und Anregungen der IRRS-Mission lang. Warum kann trotzdem von einem Erfolg gesprochen werden? Es gibt keine grundsätzliche Kritik an der Arbeit des ENSI – im Gegenteil. So wird beispielsweise das Prinzip des lernenden Systems explizit gelobt. Die internationalen Experten haben aber Verbesserungspotential in den Details und generell beim übergeordneten Regelwerk ausgemacht, das nicht in unserer Kompetenz, sondern beim Bund liegt. Alle diese Erkenntnisse sind für uns wertvoll.
Also keine Lücken bei der Aufsicht? Keine grundsätzlichen. So wie das ENSI aufgestellt ist und arbeitet, ist die Sicherheit für die Bevölkerung gewährleistet. Das hat uns die IRRS-Mission noch einmal bestätigt. Dennoch: Auch wir sind eine lernende Organisation und müssen uns laufend verbessern.
Konnte das ENSI Einfluss auf den Schlussbericht nehmen? Keineswegs. Warum sollten wir? Wir brauchen eine ehrliche Beurteilung. Die Inspektion durch die IRRS-Mission war hart aber fair. Wir wurden schonungslos durchleuchtet und uns wurde der Spiegel vorgehalten. Selbstverständlich haben wir mit den Team-Mitgliedern über den Bericht diskutiert und Stellung dazu genommen, doch Einfluss konnten wir keinen nehmen.
Wie geht es nun weiter? Wir werden die Empfehlungen und Ratschläge eingehend prüfen. Jene, für die wir zuständig sind, werden wir in einen Action-Plan aufnehmen und die nötigen Massnahmen einleiten. Üblicherweise wird nach rund zwei bis drei Jahren eine sogenannte Follow-up-Mission stattfinden.
Findet dies unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt? Nein, wir haben nichts zu verstecken. Wir wollen auch hier transparent sein. Sobald wir in etwa drei Monaten den fertigen Bericht von der IAEA erhalten haben, werden wir diesen öffentlich machen. Auch unseren Action-Plan werden wir publizieren.
Was geschieht, wenn die Follow-up-Mission zeigt, dass wichtige Empfehlungen nicht umgesetzt wurden? Dies würde dann in einem weiteren öffentlichen Bericht bemängelt werden. Ich erinnere daran, dass das ENSI auf internationaler Ebene bereits verlangt hat, dass die internationale Aufsicht gestärkt werden soll. An diesen Worten wird man uns auch messen können.