1. Um wie viele Fälle handelt es sich im KKL? Um welche Vorkommnisse handelte es sich und wann passierten sie?
Die nachfolgende Liste enthält die meldepflichtigen Vorkommnisse mit relevanten Aspekten im Bereich Mensch und Organisation aus den Jahren 2017 bis 2019. Die Analyse der Vorkommnisse durch das KKL hat für jedes Vorkommnis mehrere beitragende Faktoren im Bereich Mensch und Organisation ergeben.
Jahr |
Vorkommnistitel (stammt aus Erstmeldung des KKL) |
2017 |
Reaktorschnellabschaltung (SCRAM) wegen Niveau 3 tief |
2018 |
Abweichung bei der Konditionierung von radioaktiven Abfällen |
2018 |
Eingeschränkte Funktionstüchtigkeit der SEHR-Hauptpumpe A (INES-1) |
2018 |
Unerwarteter Dosisleistungsanstieg bei der Lagerung des Wasserabscheiders (INES-1) |
2018 |
Kleinstleckage an Schweissnaht vor Entleerungsarmatur TJ10S120 |
2018 |
Abweichung beim Batteriezellen-Auffüllmaterial der Batterie 11FS02G020 (24VDC) |
2019 |
Verwendung von nicht den Prüfvorgaben entsprechenden Neutronendosisleistungsmessgeräten |
2. Wie viele Vorkommnisse aufgrund menschlichen Fehlverhaltens waren in den letzten Jahren in den anderen Schweizer AKW zu verzeichnen? Welche Qualität attestiert das ENSI den anderen Schweizer AKW in Sachen Sicherheits‐ und Fehlerkultur (1)?
Seit 2017 zeigen die in den Vorkommnisanalysen identifizierten beitragenden Faktoren im M&O-Bereich in den anderen Kernkraftwerken eine geringere Relevanz als im KKL. Genauere Informationen zu den Vorkommnissen aller Kernkraftwerke, die aufgrund ihrer Sicherheitsrelevanz die ENSI‐Kriterien für eine Veröffentlichung erfüllen, befinden sich auf der ENSI‐Website. Das ENSI attestiert den Schweizer Kernkraftwerken in seinem Aufsichtsbericht 2018 die folgende Bewertung für den «Zustand und Verhalten von Mensch und Organisation»:
- KKB1&2: hoch
- KKG: gut
- KKM: gut
- KKL: ausreichend
Hierbei ist festzuhalten, dass die Statistik der Anzahl meldepflichtiger Vorkommnisse keine belastbare Aussage zur Sicherheitskultur der Organisation eines Kernkraftwerks liefert. Das ENSI betrachtet daher in diesem Zusammenhang nicht die reine Anzahl der Vorkommnisse, sondern ihre Relevanz für den M&O ‐ Bereich. Die Analysen der Vorkommnisse im KKL zeigen, dass die zugrundeliegenden Ursachen gehäuft im M&O‐Bereich liegen. Die Bewertung für den «Zustand und Verhalten von Mensch und Organisation» im Aufsichtsbericht resultiert also nicht allein aus den (meldepflichtigen) Vorkommnissen, sondern ergibt sich aus den Resultaten der integrierten Aufsicht des ENSI.
(1) Das ENSI betrachtet den Umgang mit Fehlern als Teil der Sicherheitskultur.
3. Die Sicherheits‐ und Fehlerkultur im KKL ist bereits seit vielen Jahren in der Kritik. Welche Konsequenzen sieht das ENSI vor, falls sich die Defizite auch mit den jüngsten Massnahmen nicht verbessern? Welche Frist sieht das ENSI vor, bis die Verbesserungen sichtbar werden müssen bzw. wo liegt die Toleranzschwelle gegenüber weiteren Vorkommnissen?
Das ENSI verweist grundsätzlich darauf, dass der Betreiber eines Kernkraftwerks für die Gewährleistung der nuklearen Sicherheit verantwortlich ist. Dazu hat die Betriebsorganisation ein wirksames Managementsystem zu betreiben, das sicherstellt, dass sich auch auf Basis des Managementsystem‐Kreislaufs die Performance der Organisation kontinuierlich verbessert. Dieses kontinuierliche organisationale Lernen hat sowohl auf vorkommnisspezifischer als auch auf gesamtorganisationaler Ebene stattzufinden.
Da sich im KKL in den letzten Jahren durch die Häufung der Feststellungen im Bereich Mensch und Organisation Schwächen auf der gesamtorganisationalen Ebene gezeigt haben, hat das ENSI als Konsequenz seine Aufsicht in dem Bereich intensiviert. Sollte sich trotz des im KKL gestarteten Sicherheitskultur‐Programms hier dauerhaft keine Verbesserung zeigen bzw. sogar eine weitere Verschlechterung ergeben, sieht das ENSI weitere Eskalationsstufen vor. Wie bereits unter Frage 2 beschrieben, richtet sich die Toleranzschwelle des ENSI, deren Unterschreitung weitere Eskalationsstufen auslöst, nicht nach der reinen Anzahl der Vorkommnisse mit Aspekten im Bereich Mensch und Organisation, sondern nach dem Gesamtbild(2), das sich das ENSI von der Performance der Organisation im Rahmen der integrierten Aufsicht macht.
(2) Die Sicherheitskultur der Betriebsorganisation eines Kernkraftwerks betrachtet das ENSI differenziert. Im Rahmen der integrierten Aufsicht verschafft sich das ENSI fortlaufend ein möglichst realistisches Bild von Zustand, Verhalten und Entwicklung der Organisation. Aufsichtsbereiche hierzu sind u.a. Abläufe (Managementsystem), Ausbildung und Qualifikation der Mitarbeitenden und Sicherheitsbewusstsein des Personals