Natürliche Gase im Opalinuston
Der Opalinuston in der Nordschweiz und am Mont Terri hat während seiner Versenkungs- und Temperaturgeschichte knapp das Oelfenster, sicher nicht das Gasfenster erreicht (vgl. Datensätze in Nagra 2002, Kap. 3.3.7). Aus diesem Grund ist es nie zu einer signifikanten Bildung natürlicher Kohlenwasserstoffgase gekommen.
Im Opalinuston gibt es unter natürlichen In-situ-Bedingungen keine freie Gasphase, d.h. die natürlichen Gase sind vollständig im Porenwasser gelöst. Es handelt sich um
- Stickstoff (Hauptkomponente → aus Luft und org. Material),
- Methan und CO2 (rund 10 mal weniger)
- Höhere Kohlenwasserstoffe (Ethan>Propan>Butan) in Spuren
Bei Druckentlastung findet an der Stollenwand eine teilweise Entgasung statt. Die Gasflüsse sind aufgrund der sehr geringen Durchlässigkeit des Opalinustons sehr gering (Figur 50-1 und Figur 50-2). Messungen während der Betriebs- und Ausbruchsphasen im Felslabor Mont Terri im Opalinuston zeigen, dass die Methankonzentration in der Stollenluft immer unter der Nachweisgrenze von 0.05 Vol.-% lag (schriftl. Mitteilung Paul Bossart, swisstopo, 23.02.2011). Die untere Explosionsgrenze für Methan liegt bei 4.4 Vol.%. Bei anderen Gesteinen in der Schweiz, welche während ihrer Versenkung höhere Temperaturen erfahren haben als der Opalinuston und somit das Gasfenster erreicht haben (z. B. die Mergel der Palfris-Formation im Helvetikum), wurde jeweils unmittelbar nach einem Ausbruch eine flächenhafte Entgasung des Haufwerks und der Stollenwände festgestellt, was zu viel höheren Gaskonzentrationen in der Stollenluft führte (Schneider 1884). Zudem wurden dort auch zahlreiche Gasbläser und Perlstellen in der Sohle beobachtet. In diesen Gesteinen tritt das Gas sowohl in offenen Klüften wie auch in Fluideinschlüssen in Calcitadern auf (Gautschi et al. 1990), welche beim Sprengvortrieb zum Teil aufgebrochen werden, wodurch das Gas freigesetzt wird.
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Figur 50-1: Gasmessungen im Felslabor Mont Terri (Figuren von A. Vinsot, Andra): In einer mit Argon-Gas gefüllten Bohrung (a) wurde die Zunahme der Stickstoff (N
2)- und Kohlendioxid (CO2)-Konzentration im Lauf der Zeit gemessen. Daraus liess sich die Zuflussrate berechnen (b, unten).[/caption]
Gasmessungen wurden auch in den Nagra-Tiefbohrungen der Nordschweiz während des Bohrens durch Entgasung der Bohrspülung durchgeführt (
Figur 50-2). Die Ergebnisse sind als kontinuierliche Logs der Gas-Konzentrationen dargestellt (Bohrung Benken: Jäggi & Steffen 1999; ältere Bohrungen: Hinze et al. 1989).
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Figur 50-2: Prinzip der Gasmessung in Tiefbohrungen (Bohrspülungsentgasung an der Oberfläche, nach Hinze et al. 1989)[/caption]
Ein spezieller Effekt dieser Gasmessungen sind die sogenannten Tripgas-Spitzen. Es handelt sich um erhöhte Gaskonzentrationen beim Wiederanfahren der Spülungszirkulation nach einem Unterbruch (z.B. nach einer Bohrkernentnahme), entweder durch zuströmendes Gas aus einem offenen Bohrlochabschnitt, oder durch Zerbohren von angesammeltem Bohrklein an der Bohrlochsohle.
Die Messungen im Opalinuston zeigten immer Methan-Konzentrationen < 100 ppm (< 0.01 Vol. %). Es gibt keine Anzeichen auf erhöhte Werte in der sandigen Fazies des Opalinutons. In den Opalinustonstrecken wurden auch keine Tripgas-Spitzen beobachtet (ausgenommen eine kleine Spitze (< 100 ppm) in der untersten tonigen Fazies der Bohrung Riniken). In der Geothemiebohrung Schlattingen/TG (2011) wurden aus dem Opalinuston Bohrkerne entnommen, welche zurzeit entgast werden. Die Ergebnisse sind noch ausstehend.
Im Vergleich dazu wurden in einigen anderen Gesteinsformationen bedeutend höhere Werte gemessen, z.B im Muschelkalk bis 10 000 ppm Methan, im Permokarbon bis ~50 000 ppm, mit regelmässigen, gut ausgeprägte Tripgas-Spitzen. CO2-Messungen sind in Tiefbohrungen durch Bohrspülungsadditive (Aetznatron etc.) maskiert und sind deshalb nicht repräsentativ für die natürlichen Verhältnisse im Untergrund.
Schliesslich wurden Zusammenhang mit Spannungsmessungen sowohl im Opalinuston der Bohrung Benken wie auch im Felslabor Mont Terri mehrphasige Hydro-Frac-Tests mit Wiederholungszyklen durchgeführt (Nagra 2001 Bossart & Thury 2008). Bei solchen Tests liegt die Fläche der erzeugten Risse im Bereich von einem bis wenigen m2. Aus dem Testverlauf ergaben sich keine Hinweise auf das Vorhandensein einer freien Gasphase.
Mikrobielle Aktivität im Opalinuston und im Bentonit
Das Microbial Activity Experiment im Mont Terri zeigt, dass die mikrobiologische Aktivität im ungestörten Opalinuston sehr gering ist (Stroes-Gascoyne et al. 2007). Die Autoren führen dies darauf zurück, dass kein zusammenhängender Porenraum im Porengrössenbereich > 0.1 µm besteht und dass die Wasseraktivität reduziert ist. Im Gegensatz zum Felslabor Mont Terri, lassen sich in Tiefbohrungen ungestörte mikrobielle Verhältnisse wegen zahlreicher Kontaminationsquellen schlechter untersuchen.
Die heutige Porenwasserzusammensetzung im Opalinuston ist durch die mikrobielle Katalyse chemischer Reaktionen, insbesondere Redox-Reaktionen beeinflusst, welche vor allem vor der fortgeschrittenen Kompaktion (Diagenese) der Tongesteine wirksam war. Dies wird durch eine Studie an Tonsteinen des Callovo-Oxfordien belegt, welche dem Opalinuston sehr ähnlich sind (Lerouge et al. 2011). Das gleiche Team von Wissenschaftlern untersucht derzeit auch Proben aus dem Opalinuston.
Bei erhöhtem Raumangebot (Auflockerung) und bei Vorhandensein von Wasser z.B. bei Experimenten in Bohrungen oder in der Auflockerungszone (AUZ) der verfüllten Untertagebauwerke in der frühen Phase nach der Verfüllung ist die Aktivität heimischer und eingeschleppter Mikroben bedeutend, vor allem bei geeignetem Nahrungsangebot (vielfältige Erfahrungen im Mont Terri Projekt).
Internationale Erfahrungen belegen, dass die mikrobiologische Aktivität im kompaktierten Bentonit (Trockendichte >1400 kg/m3) sehr gering ist (Chapelle 1993, Pusch 1999, Pedersen 2000, Stroes-Gascoyne et al. 2002, Stroes-Gascoyne 2011).
Mikrobiell beeinflusste Prozesse und ihre Bedeutung für die Sicherheit eines geologischen Tiefenlagers
HAA-Lager: Es wird erwartet, dass im Bereich der Auflockerungszone kurz nach Verschluss des Lagers, vor Aufsättigung und Aufbau des Quelldrucks und Kompaktion des aufgelockerten Porenraums, d.h. lange vor der Freisetzung von Radionukliden eine mikrobielle Aktivität stattfindet, welche die Reduktion von Sulfat im eindringenden Porenwasser und den Abbau von organischem Material im Bereich der AUZ-Klüfte bewirkt bzw. beschleunigt.
Später unterbindet die Selbstabdichtung der AUZ und der quellende Bentonit die mikrobiologische Aktivität sulfatreduzierender Mikroben (siehe oben). Ein signifikanter ungünstiger Einfluss auf das Verhalten der technischen Barrieren und die Radionuklid-Freisetzung wird deshalb nicht erwartet.
SMA- / LMA-Lager: Trotz hohem pH-Wert (Zement) wird eine gewisse mikrobiologische Aktivität im ganzen Nahfeld eines Lagers erwartet; diese bewirkt folgendes: (i) Beitrag zum Sauerstoff-verzehr während des Betrieb bis kurz nach Verschluss des Lagers, was zu einer Herabsetzung der Radionuklid-Löslichkeit führt; (ii) Oxidation von Wasserstoffgas aus Stahlkorrosion durch Sulfat (Gas wird vollständig eliminiert), nach vollständigem Sulfatverzehr durch CO2 (Gasmenge wird reduziert); (iii) Abbau der organischen Stoffe im Abfall durch Oxidation mit Sulfat (was zu einer Erhöhung CO2-Bildungsrate führt und somit die Zementdegradation beschleunigt) und – nach vollständigem Sulfatverzehr – durch Fermentation, was zu Methan- und CO2-Bildung führt (–> Zementdegradation). Alle Prozesse, welche potenziell einen ungünstigen Einfluss auf die Langzeitsicherheit eines Tiefenlagers haben können, werden in der Sicherheitsanalyse quantitativ berücksichtigt. Es werden auch umfangreiche Untersuchungen im Hinblick auf eine Verminderung ungünstiger Effekte durchgeführt (z.B. Reduktion der Gasbildungsraten durch Pyrolyse der Abfälle, oder durch eine Reduktion der Metalloberfläche durch Schmelzprozesse).
Im Rahmen des Sachplans Geologische Tiefenlager werden diese Prozesse, insbesondere die Rolle der Mikrobiologie in Etappe 2 und 3 vertieft untersucht.
Fazit
- Dem Umstand, dass im Opalinuston auch natürliche Gase (Methan, höhere Kohlenwasserstoffe, CO2) auftreten, wird Rechnung getragen, d.h. die Gaszusammensetzung, die Konzentration der einzelnen Gase und die Gasflüsse wurden quantitativ erfasst.
- Natürliche Gase (Stickstoff, Methan + höhere Kohlenwasserstoffe und CO2) sind im Opalinuston vorhanden, aber in so geringer Konzentration, dass sie nur in gelöster Form auftreten
- Bei Druckentlastung kann ein Teil dieser Gase freigesetzt werden, wegen der sehr geringen hydraulischen Durchlässigkeit des Opalinustons ist der Gasfluss in die Stollen aber unbedeutend
- Auch in der sandigen Fazies des Opalinustons wurden in den Tiefbohrungen keine erhöhten Methankonzentrationen gemessen
- Die Methankonzentration in der Stollenluft des Felslabors Mont Terri lag sowohl während der Betriebs- wie auch der Ausbruchsphasen stets unterhalb der Nachweisgrenze des Kontrollgeräts (d.h. < 0.05 Vol.-%)
- Die mikrobielle Aktivität wird – wo potenziell von Bedeutung – in der Sicherheitsanalyse quantitativ berücksichtigt (CH4 –Bildung, Einfluss von CO2 auf Zementdegradation), der Einfluss natürlicher Gase ist von untergeordneter Bedeutung
- Die Aspekte der Gasbildung (natürliche Gase und Korrosions- und Degradationsgase) und des Gastransports in natürlichen und technischen Barrieren werden sowohl national wie auch im Rahmen von internationalen Gemeinschaftsprojekten (zB. FORGE http://www.bgs.ac.uk/forge/) weiterhin in grossem Umfang untersucht. Die Ergebnisse werden laufend publiziert.
Referenzen
Bossart, P. & Thury, M. (Eds.) (2008): Mont Terri Rock Laboratory. Project, Programme 1996 to 2007 and Results. Swisstopo Rep. 2008-01. Bundesamt für Landestopografie, swisstopo, Bern.
Chapelle, F.H. (1993): Ground-water Microbiology and Geochemistry. (New York, NY: John Wiley and Sons).
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Nagra (2001): Sondierbohrung Benken – Untersuchungsbericht. Nagra Tech. Ber. NTB 00-01, Nagra, Wettingen.
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Stroes-Gascoyne, S., Schippers, A., Schwyn, B., Poulain, S., Sergeant, C., Le Marrec, C., Simonoff, M., Altmann, S., Nagaoka, T., Mauclaire, L., McKenzie, J., Daumas, S., Vinsot, A., Beauclaire, C. and Matray, J.M. (2007): Microbial Community Analysis of Opalinus Clay Drill Core Samples from the Mont Terri Underground Research Laboratory, Switzerland. Geomicrobiology Journal 24, 1-17.
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