Die Verteilung von Kohlenstoffdioxid-Gas tiefer Herkunft in Quellen und Grundwässern ist generell bekannt, in ihren Ursachen bisher aber erst unzureichend geklärt. Von besonderem Interesse sind CO2-Aufstiege durch die hydrologische Stockwerksgliederung im Untergrund des Schicht-Stufenlandes mit der Abfolge ausgeprägter Grundwasserleiter und sehr gering bis undurchlässiger Gesteine. Von diesen weist die mächtige Tonsteinserie der Opalinuston-Formation unterhalb der oberflächennahen Auflockerungszone eine gute Barriereneigenschaft auf und wird deshalb auch als potenziell geeignetes Wirtsgestein für die tiefe Endlagerung hochradioaktiver Abfälle diskutiert. Die Austritte von tiefem CO2 oberhalb der Opalinuston-Formation im Bereich der Schwäbischen Alb lassen allerdings auf örtlich gasdurchlässige Strukturen auch durch die hydrologisch hochwirksame Barriere des Opalinustons schliessen. Da die mögliche Existenz solcher gasdurchlässiger Strukturen im Opalinuston bei einer Endlager-Standortsuche aber unbedingt berücksichtigt werden muss bitte ich um Auskunft, ob sämtliche Opalinuston-Formationen in den Standortregionen in der Schweiz bereits auf eine mögliche Gasdurchlässigkeit von tiefem CO2 untersucht worden sind, und mit welchem Ergebnis.
Beantwortet von EGT (ehem. KNE)
In Baden-Württemberg sind im Bereich der Schwäbischen Alb drei Stellen bekannt, an denen Gas (Kohlendioxid) im Bereich gestörter geologischer Schichten (Bruchstrukturen bzw. Vulkanschlot) aufsteigt. Die dort vorliegenden Versätze der Tonformation von unter 20 m sind für das Gas durchlässig, während sie für Grundwasser praktisch nicht durchlässig sind. Der Opalinuston befindet sich dort allerdings in geringerer Tiefe als in den vorgeschlagenen Standortgebieten geologischer Tiefenlager. Im Kanton Aargau bekannte Thermal- und Mineralwasseraufstiege finden ebenfalls entlang von entsprechenden tektonischen Strukturen statt. Aufsteigende Gase sind hierbei – anders als in den Beispielen aus Baden-Württemberg – in Wasser gelöst. Ein Aufstieg von Gas durch intakten Opalinuston ist auszuschliessen. Anhand von Experimenten an intaktem Gestein können aber keine Aussagen über Gasaufstiege an evtl. Fehlstellen (Störungen) getroffen werden. Die EGT empfiehlt, die Gasdurchlässigkeit von Störungen standortunabhängig (z.B. mit weiteren Versuchen im Felslabor Mont Terri) experimentell zu untersuchen.
In Baden-Württemberg sind im Bereich der Schwäbischen Alb drei Stellen bekannt, an denen Kohlendioxid (CO2) aus dem tiefen Untergrund durch den teilweise mehr als 100 m, maximal 150 m, mächtigen Opalinuston hindurch an die Oberfläche aufsteigt. Zwei dieser Gasdurchtritte befinden sich im oberen Filstal, Landkreis Göppingen, in Bad Ditzenbach und Bad Überkingen. An beiden Stellen treten Säuerlinge aus. An beiden Stellen werden die Gasdurchtritte auf tektonische Bruchstrukturen zurückgeführt (LGRB, 2006; Prestel & Schloz, 2011). Aus Isotopenmessungen wird vermutet, dass das Gas magmatischer Herkunft ist. Daraus muss gefolgert werden, dass demnach die dort vorliegenden Versätze der Tonformation von unter 20 m für das Gas durchlässig sind, während sie für Grundwasser praktisch nicht durchlässig sind. Die Obergrenze des Opalinustons befindet sich in Bad Ditzenbach etwa 70 m unter Gelände und in Bad Überkingen etwa 50 m.
Der Säuerling in Kleinengstingen, Landkreis Reutlingen, auf der Schwäbischen Alb ist hinsichtlich seines Auftretens einmalig (Prestel & Schloz, 2011). Hier wird davon ausgegangen, dass der Transport entlang eines Tuffschlots von 100 m Durchmesser aus miozänem (etwa vor 23 bis 5 Mio. Jahren) Vulkanismus stattfindet. Die Obergrenze des Opalinustons liegt an dieser Stelle auf der Schwäbischen Alb bei etwa 330 m unter Gelände.
Im Bericht des LGRB (2006) wird auf einen Bericht der NAGRA aus dem Jahr 2002 zum Gastransport im Opalinuston verwiesen, welcher das Phänomen eines kontinuierlichen Gastransports durch diese Tonsteine in vergleichbarer lithologischer Ausbildung, aber in wesentlich grösserer Tiefenlage, nicht nennt. Jedoch liegen für die Schweizer Vorkommen des Opalinustons umfangreiche experimentelle Labor- und Feldstudien vor, die sich mit Fragen zum Gastransport befassen (z.B. Croisé et al., 2006; Marschall et al., 2005). Im Wesentlichen geht hieraus hervor, dass die intakten Tonsteine in relevanten Tiefen unterhalb 200 m sehr gering bis praktisch gar nicht durchlässig sind, folglich eine sehr gute Barrierenwirkung haben.
Es können anhand von Experimenten an intaktem Gestein keine Aussagen über Gasaufstiege an evtl. Fehlstellen getroffen werden, wie im Fall der Schwäbischen Alb z.B. an tektonischen Verwerfungen oder entlang vulkanischer Strukturen. Burger (2009) gibt eine Übersicht über Vorkommen von Thermal-/Mineralwasseraufstiegen im Kanton Aargau in der Schweiz. Diese Aufstiege finden jedoch entlang von entsprechenden tektonischen Strukturen statt, sodass hier nicht von einem intakten Barrierengestein ausgegangen werden darf.
Grundsätzlich muss hinsichtlich der erforderlichen Voraussetzungen zwischen vertikalem Gastransport und vertikalem Wassertransport unterschieden werden. Letzterer erfordert eine hydrogeologische Situation mit gespannten Aquiferen in der Tiefe, die einen Aufstieg von Wässern entlang durchlässiger Strukturen, wie z.B. eben durchlässige tektonische Verwerfungen, möglich machen. Für einen vertikalen Transport von Gas sind gespannte Aquifere nicht erforderlich, wenngleich unterstützend. Das Gas, welches z.B. auch durch Druckentlastung aus dem gelösten Zustand in eine freie Gasphase übertritt, weist eine sehr viel geringere Dichte auf als Wasser. Bei entsprechenden Gasmengen, die ein Überschreiten von Residualsättigungen und ggf. auch von Eintrittsdrücken erlauben, kann eine Mehrphasenströmung von Gas nach oben hin einsetzen. Die Beschreibungen in den oben genannten Quellen sind daher prinzipiell plausibel, wenngleich nicht für den Einzelfall überprüfbar, da die Datenlage dies nicht hergeben würde.
Bedeutende Wasseraufstiege sind nach heutiger Kenntnis an aufgelockerte Störungszonen gebunden. Ein Beispiel stellten die Untersuchungen zum Bözbergtunnel dar. So können im Bereich der Schuppenzone (siehe Frage 61) Wässer aus tieferen Grundwasserleitern aufsteigen (Thermalquellen Bad Schinznach). Im Opalinuston wurden solche Zonen auch in tektonisch gestörter Lage bisher nicht beobachtet. Als Ursache wird hier das Selbstabdichtungsvermögen angesehen (vgl. Situation im Felslabor Mont Terri oder Opalinuston im Bözbergtunnel). Im Tafeljura und der Vorfaltenzone sind derartige Fliesswege unwahrscheinlich, aber heute nicht auszuschliessen (aus Antwort zur Frage 61).
Es ist noch darauf hinzuweisen, dass die im Opalinuston gemessenen Porenwasserprofile an Bohrkernen der Bohrung Benken von Cl– und δ180 klar darauf hinweisen, dass innerhalb des Porenraums des OPAs der Transport diffusiv erfolgt. Advektion ist von sehr untergeordneter Bedeutung. Dies deutet wohl auch darauf hin, dass Wegsamkeiten im ungestörten OPA „fehlen“, welche einen vertikalen Fluidtransport überhaupt erst ermöglichen würden.
Jedoch geht es in der hier gestellten Frage um den Gasdurchtritt. Aufgrund der Dichtedifferenz zwischen Gas und Wasser ist der Gasdurchtritt an tektonischen Störungen im Opalinuston wie z.B. in Bad Ditzenbach möglich, während auch dort der Wasseraustausch zwischen den Stockwerken praktisch nicht stattfindet.
Die Opalinuston-Formation wurde nicht in sämtlichen Standortregionen in der Schweiz bereits auf eine mögliche Gasdurchlässigkeit von tiefem CO2 untersucht. Die EGT empfiehlt, die Gasdurchlässigkeit von Störungen standortunabhängig (z.B. mit weiteren Versuchen im Felslabor Mont Terri) experimentell zu untersuchen. Allerdings ist ein Gasdurchtritt durch eine intakte Opalinuston-Formation auszuschließen, da alle aus der Literatur bekannten Aufstiegsszenarien immer ausgeprägte tektonische Verwerfungen beinhalten.
Referenzen
Burger, 2009, Burger, H.: Vorkommen, Nutzung und Schutz von Thermalwässern und Mineralwässern im Kanton Aargau: eine Übersicht, Swiss.Bull.angew.Geol. 14(1+2), 13-27, 2009
Croisé et al., 2006, Croisé, J., Mayer, G., Marschall, P., Matray, J.M., Tanaka, T. und Vogel, P.: Gas threshold pressure test performed at the Mont Terri Rock Laboratory (Switzerland): Experimental data and data analysis, Oil & Gas Science and Technology 61(5), 631-645, 2006
LGRB, 2006, Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau Baden-Württemberg: Kohlenstoffdioxid-Aufstiege durch die Opalinuston-Formation (al1) in Baden-Württemberg, Fachbericht, 2006
Marschall et al., 2005, Marschall, P., Horseman, S. und Gimmi, T.: Characterization of gas transport properties of the Opalinus Clay, a potential host rock formation for radioactive waste disposal, Oil & Gas Science and Technology 60(1), 121-139, 2005
Prestel & Schloz, 2011, Prestel, R. und Schloz, W.: Aufstiege von tiefem Kohlendioxid (CO2) durch die Opalinuston-Formation in Baden-Württemberg, Jh.Ges.Naturkde.Württemberg, 167, 163-190, 2011