Die prioritäre Verantwortung für die Sicherheit von Kernanlagen liegt beim jeweiligen Betreiber. Dieser delegiert die Aufgaben im Strahlenschutz an geschultes Personal, deren Ausbildung anerkennungspflichtig ist. Die Aufgaben der Kernanlage und von weiteren Stellen sind klar verteilt.
Bild: Praxisnahe Ausbildung für angehende Strahlenschutzfachkräfte an der Schule für Strahlenschutz des Paul Scherrer Instituts
Die Richtlinie ENSI-G09 für die schweizerischen Kernanlagen des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats ENSI stellt Anforderungen an die Betriebsdokumentation der Schweizer Kernanlagen. Dabei sind in einem Strahlenschutzreglement die Strahlenschutz-Aufgaben, darunter die Messung der radioaktiven Abgaben an die Umgebung, vom Betreiber zu regeln.
Innerbetriebliche Strahlenschutzorganisation
Der Strahlenschutz hat in jeder Schweizer Kernanlage hohe Priorität. In jedem Kernkraftwerk gibt es einen beauftragten Strahlenschutz-Sachverständigen, der gesetzliche Vorgaben in betriebsinterne Weisungen umsetzt, die Organisationseinheit Strahlenschutz leitet und die Strahlenschutzplanung genehmigt. Als Stellvertreter sind mindestens drei weitere Personen mit derselben Qualifikation fest angestellt.
Neben den Strahlenschutz-Sachverständigen gibt es meist vier bis sechs Strahlenschutz-Techniker, welche den Strahlenschutz in Teilbereichen der Kernanlage kontrollieren und koordinieren, die Messinstrumentierung auswählen und bedienen sowie Strahlenschutzplanungen erstellen und umsetzen. Die Techniker werden unterstützt durch fünf bis zehn Strahlenschutz-Fachkräfte, die sich um Routineaufgaben kümmern. Während einer Revision werden zudem etwa 10 bis 80 Strahlenschutz-Fachkräfte und -Assistenten temporär angestellt.
In Kernanlagen gibt es folgende Aufgaben mit Bezug zum Strahlenschutz:
Erstellung, Umsetzung und Überprüfung der Anforderungen an die kontrollierte Zone (Zonenkonzept)
Kontrolle und Optimierung der Aktivitätsinventare/-konzentrationen
Überprüfung von Änderungs-, Arbeits- und Instandhaltungsanträgen sowie Erstellung von Strahlenschutzplanungen
Durchführung der Anlagen- und Arealüberwachung
Führen und/oder Beauftragen einer anerkannten Personendosimetriestelle
Festlegung der Zutrittsbedingungen, Kontrolle des Zonenzutritts und -austritts
Erstellung von Weisungen zum Verhalten in der kontrollierten Zone, Kontrolle des Verhaltens
Vorbereitung von Schutz- und Überwachungsmassnahmen sowie Erteilung von „Vor-Ort-Strahlenschutzfreigaben“ für Arbeitsplätze
Radiologische Überwachung während Arbeitsdurchführung und Freimessung des Arbeitsplatzes nach Arbeitsabschluss
Umgang mit firmeneigenen und betriebsfremden Kalibrier- und Prüfquellen sowie Röntgenanlagen
Betreiben von Dekontaminations-Einrichtungen und Wäscherei, Durchführen oder Beauftragen sowie Kontrolle von Gebäudereinigung, Beauftragen und Beaufsichtigen von System- und Komponentendekontaminationen
Entsorgung von Abfällen aus der kontrollierten Zone inklusive Inaktiv-Freimessung
Durchführung der Emissionsüberwachungsanlagen
Durchführung der Immissionsüberwachung gemäss den Vorgaben für die Kernanlage im Abgabereglement
Übernahme von Strahlenschutz-Aufgaben bei betriebsinternen Transfers sowie bei Versand und Empfang von externen Transporten von radioaktiven Stoffen und Kernmaterialien
Gewährleistung eines ausreichenden Bestands an und Funktionstüchtigkeit von Strahlenschutzmittel und -messmittel
Strahlenschutz-Belehrung und -Ausbildung für das Kernkraftwerkspersonal
Strahlenschutztechnische Auslegung und Kontrolle von Flucht- und Interventionswegen
Strahlenunfall-Vorsorge
Analyse radiologischer Ereignisse und Erfahrungsrückfluss
Systematische Bewertung und periodische Überprüfung der Strahlenschutzindikatoren
Wahrnehmung der Melde- und Berichterstattungspflichten
Strahlenschutzplanung und -vorbereitung
Bei der Planung des Strahlenschutzes wird aufgrund einer Analyse des Gefährdungspotenzials und einer Dosisabschätzung für das Personal festgelegt, welche Schutz- und Überwachungsmassnahmen eingesetzt werden, um die Expositionen zu begrenzen und zu optimieren. Zur Vorbereitung gehört die Strahlenschutz-Freigabe von Arbeitsplätzen gemäss Anträgen, wobei mit Messungen geprüft wird, ob der radiologische Zustand den getroffenen Massnahmen entspricht.
Die Planung des Strahlenschutzes kommt bei mehreren Gelegenheiten zum Tragen: beim Neubau, bei einer Änderung und beim Rückbau einer Anlage sowie bei dosisrelevanten Tätigkeiten wie einer Funktionsüberprüfung, einer Reparatur oder einer Wartung. Sie erfolgt parallel zur Gesamtprojektplanung, weil der Strahlenschutz Auswirkungen hat auf den Ablauf, die verwendeten Materialien, Werkzeuge, Hilfsmittel, Einrichtungen und Anlagen.
Ausbildung von Strahlenschutzpersonal
Die Strahlenschutzplanung und die vorgesehenen Strahlenschutzmassnahmen können noch so gut durchdacht sein. Letztendlich sind es die Personen, die dafür zuständig sind, die Massnahmen umsetzen.
Sachverständige für Strahlenschutz in Kernanlagen müssen die Fähigkeit haben, alle für den Bau, den Betrieb und die Stilllegung von Kernanlagen notwendigen Strahlenschutzaufgaben wahrzunehmen. Sie setzen hierfür im Auftrag der Bewilligungsinhaber die gesetzlichen und behördlichen Anforderungen um und erlassen Strahlenschutz-Weisungen. Ihnen obliegt die Berichts- und Meldepflicht von Sachverhalten zum Strahlenschutz gegenüber dem ENSI.
Angehende Strahlenschutz-Sachverständige müssen einen Hochschulabschluss in Technik oder Naturwissenschaften nachweisen, einen vom ENSI anerkannten Kurs im Strahlenschutz absolvieren und mit Prüfungen erfolgreich abschliessen. Zudem ist Berufserfahrung nachzuweisen.
Von Strahlenschutztechnikern wird die selbstständige Bearbeitung einzelner Strahlenschutzaufgaben, insbesondere die Erstellung und Umsetzung von Strahlenschutzplanungen, erwartet. Sie unterstützen die Strahlenschutz-Sachverständigen im Routinebetrieb, bei der Bewältigung von Störfällen und bei der regelmässigen Berichterstattung an das ENSI. Auch sie müssen einen vom ENSI anerkannten Kurs im Strahlenschutz absolvieren und mit Prüfungen erfolgreich abschliessen.
Von Strahlenschutzfachkräften wird erwartet, dass sie selbstständig Routine-Strahlenschutzmassnahmen festlegen und vorbereiten, die nötigen Schutzmittel anwenden und radiologische Messungen korrekt durchführen und richtig interpretieren können. Sie müssen einen vom ENSI anerkannten Kurs im Strahlenschutz absolvieren und mit einer Prüfung erfolgreich abschliessen. Der Kurs dauert etwa drei Monate und erfordert eine abgeschlossene Berufsausbildung sowie erste praktische Erfahrungen im Strahlenschutz.
Dies ist der zwölfte von 14 Teilen der Artikelserie zum Thema Strahlenschutz. Im 13. Teil geht es um die Organisation des Strahlenschutzes in der Schweiz.
ENSI-Strahlenschutzseminar 2024: Messmittel im Strahlenschutz
Am 31. Oktober 2024 hielt das ENSI zum mittlerweile fünften Mal ein Strahlenschutzseminar ab. Rund 50 Fachleute diskutierten über Messmittel, welche relevant für den Strahlenschutz sind, sowie über deren Einsatz.
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Radioaktivitäts-Messflüge 2024 der NAZ: Keine erhöhten Werte
Bei den Messflügen am 29. und 31. Mai 2024 stellte die Nationale Alarmzentrale NAZ in der Umgebung der Kernkraftwerke Beznau und Leibstadt keine ungewöhnlichen Werte fest. Die Kontrollmessungen erfolgten im Auftrag des ENSI und zeigten keine Veränderungen im Vergleich zu den Resultaten der Vorjahre.
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Commission on Safety Standards: Prioritäten für die nukleare Sicherheit definiert
Vom 28. bis 30. Mai 2024 fand das erste Treffen der Commission on Safety Standards (CSS) für die Amtsperiode 2024 bis 2027 statt. Schwerpunkt des Treffens war die Sammlung der Erfahrungen aus der letzten Amtsperiode und die Erarbeitung der Prioritäten für die nächsten vier Jahre. Für die aktuelle Amtsperiode hat die Schweiz den Vorsitz.
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Strahlenschutzbericht 2023: Alle gesetzlichen Grenzwerte eingehalten
Im Jahr 2023 haben die Schweizer Kernanlagen sämtliche Grenzwerte der Strahlenschutzgesetzgebung eingehalten. Zu diesem Schluss kommt das ENSI im Strahlenschutzbericht 2023. Weiter thematisiert der Bericht Entwicklungen im Regelwerk, die Aufsicht beim Rückbau des KKW Mühleberg, die überarbeitete digitale Arbeitsoberfläche für die ENSI-Notfallorganisation und die Aeroradiometrie in der Schweiz.
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Im Auftrag des ENSI: Radioaktivitäts-Messflüge 2024 über Beznau und Leibstadt
Die Nationale Alarmzentrale NAZ überfliegt am 29. und 31. Mai 2024 für die diesjährigen Radioaktivitätsmessungen die Umgebungen der Kernkraftwerke Beznau und Leibstadt. Mit der sogenannten Aeroradiometrie lässt das ENSI die Radioaktivität am Boden schnell und grossräumig messen.
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Commission franco-suisse (CFS) 2024 : Langzeitbetrieb, Entsorgung und gegenseitige Inspektionen im Fokus
Am 15. und 16. Mai 2024 traf sich die Commission franco-suisse (CFS) zum 33. Mal. Die schweizerische und die französische Delegation tauschte sich an der zweitägigen Sitzung im Felslabor Mont Terri zur nuklearen Aufsicht und zum Strahlenschutz aus.
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Die spanische Aufsichtsbehörde tauscht sich mit dem ENSI zum Thema Strahlenschutz aus
Vom 6. bis 8. Mai 2024 besuchte eine Delegation der spanischen Aufsichtsbehörde das ENSI. Im Zentrum stand das Thema Strahlenschutz, insbesondere der Erfahrungsaustausch betreffend das KKW Leibstadt und das im Rückbau stehende KKW Mühleberg.
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Bilaterales Treffen Österreich-Schweiz: Tiefenlager für radioaktive Abfälle und Entwicklungen im Strahlenschutz im Fokus
Am 6. und 7. Mai 2024 sprachen die österreichische und die schweizerische Delegation in Bülach (ZH) über das Verfahren zur Entsorgung radioaktiver Abfälle sowie über den Strahlen- und den Notfallschutz.
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Übung mit Helikopterflügen beim Kernkraftwerk Gösgen
Am Donnerstag, 25. April 2024, üben Einsatzkräfte des Bundes und des Kernkraftwerks Gösgen-Däniken den Transport von Notfallmaterial. Dabei kommt es zu Flugbewegungen mit Superpuma-Helikoptern der Luftwaffe. Verschiedene Lasten werden vom Lager Reitnau (AG) zum Kernkraftwerk transportiert und an unterschiedlichen Absetzpunkten auf dem KKW-Gelände platziert.