„Aus Sicht der Aufsichtsbehörde können wir hinsichtlich der Sicherheit der Schweizer Kernanlagen auf ein gutes Jahr zurückblicken“, zieht Hans Wanner, Direktor des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats ENSI, Bilanz. „2011 kam es in den Schweizer Kernanlagen zu keinen Zwischenfällen, die die Sicherheit der Bevölkerung hätten beeinträchtigen können.“
Die Kernkraftwerke in der Schweiz (Beznau 1 und 2, Gösgen, Leibstadt und Mühleberg) sowie die kerntechnischen Anlagen am Paul Scherrer Institut (PSI), das Zentrale Zwischenlager Würenlingen (ZWILAG) und die Forschungsreaktoren an der ETH Lausanne sowie an der Universität Basel wurden im vergangenen Jahr sicher betrieben. „Die Anlagen befinden sich in einem sicherheitstechnisch guten Zustand. Dies haben die laufenden Inspektionen kombiniert mit den Überprüfungen nach den Ereignissen von Fukushima erneut bestätigt“, so das Fazit von Georg Schwarz, Leiter des Aufsichtsbereichs Kernkraftwerke und stellvertretender ENSI-Direktor. „Die Kernkraftwerke weisen auch im internationalen Vergleich einen hohen Sicherheitsstandard auf. Seit der Inbetriebnahme von Kernkraftwerken in der Schweiz im Jahr 1969 ist es nach den Jahren 2006 und 2010 im Betriebsjahr 2011 zum dritten Mal zu keiner ungeplanten Schnellabschaltung eines Reaktors gekommen.“
Deutlicher Rückgang bei den meldepflichtigen Vorkommnissen
Die Zahl der meldepflichtigen Vorkommnisse, die für die nukleare Sicherheit relevant sind, ging um einen Viertel auf 31 Meldungen zurück. Sieben Vorkommnisse betrafen das Kernkraftwerk Beznau mit Block 1 und 2; fünf Vorkommnisse betrafen das Kernkraftwerk Gösgen, elf das Kernkraftwerk Leibstadt, vier das Kernkraftwerk Mühleberg, drei die Kernanlagen des PSI und eines den Forschungsreaktor der ETH Lausanne. Kein Vorkommnis verzeichnete das ENSI beim ZWILAG und beim Forschungsreaktor der Universität Basel.
Ein Ereignis musste 2011 auf der von 0 bis 7 reichenden international gültigen Ereignisskala INES der Stufe 1 zugeordnet werden. Dieses betraf eine mögliche Verstopfung der Notstandsystem-Wasserfassung bei einem Extremhochwasser beim Kernkraftwerk Mühleberg. Diese Erkenntnis bewog den Kraftwerksbetreiber BKW, die Anlage vor dem geplanten Revisionstermin abzuschalten und nachzurüsten. Die Nachrüstmassnahmen umfassten eine Verbesserung des Hochwasserschutzes des Pumpenhauses, eine Ertüchtigung der Wasserfassung aus der Aare sowie den Bau einer zusätzlichen Leitung zur Einspeisung von Kühlwasser mit mobilen Feuerwehrpumpen. Alle anderen Vorkommnisse lagen unterhalb der internationalen Ereignisskala INES.
Intensive Inspektionstätigkeit
Das ENSI bewertet die Sicherheit jedes Kernkraftwerks im Rahmen einer systematischen Sicherheitsbewertung. Dabei berücksichtigt die Aufsichtsbehörde neben den Vorkommnissen weitere Erkenntnisse, insbesondere die Ergebnisse seiner über 400 Inspektionen im Jahr 2011. Die Resultate wird das ENSI in seinem Aufsichtsbericht Mitte Jahr veröffentlichen. Derzeit sind noch einzelne Abklärungen im Gang, weshalb die abschliessende Beurteilung der Vorkommnisse noch Änderungen erfahren kann.
Das ENSI hat nach den Ereignissen in Fukushima umfangreiche zusätzliche Untersuchungen und Überprüfungen verlangt. Nach bedeutenden Ereignissen in ausländischen Kernkraftwerken muss stets deren Übertragbarkeit auf die Schweiz überprüft werden. Hierfür hat das ENSI nach dem 11. März 2011 unverzüglich eine Task Force eingesetzt. Die Ergebnisse, Folgerungen und Lehren aus den Untersuchungen hat das ENSI in seinen vier im Herbst 2011 veröffentlichten Berichten festgehalten. Die Überprüfungen und verlangten Sicherheitsnachweise betrafen die Gefährdung des Reaktorkerns und der Brennelementbecken durch schwere Erdbeben und Hochwasser.
Das ENSI ist nach ersten Abklärungen zum Schluss gekommen, dass aufgrund der bisherigen Erkenntnisse aus Fukushima keine unmittelbare Gefahr für die Schweizer Bevölkerung besteht und keines der Kernkraftwerke vorsorglich abgeschaltet werden muss. Ein Teil der Untersuchungen ist noch im Gang. Bis zum 31. März 2012 müssen die Betreiber dem ENSI die Nachweise für die Beherrschung des 10‘000-jährlichen Erdbebens sowie der Kombination eines solchen Erdbebens mit dem Versagen der Stauanlagen im Einflussbereich des Kernkraftwerks einreichen. Anschliessend wird das ENSI auch diese Analysen überprüfen und im Sommer über die Ergebnisse berichten.
Strahlenschutz der Bevölkerung gewährleistet
„Die Abgaben von radioaktiven Stoffen an die Umwelt via Abwasser und Abluft aus den Schweizer Kernanlagen lagen im vergangenen Jahr weit unterhalb der bewilligten Werte“, sagt Georges Piller, Leiter des Fachbereichs Strahlenschutz. Mit dem eigenen Messnetz MADUK kontrolliert das ENSI rund um die Uhr die Radioaktivität in der Umgebung der schweizerischen Kernkraftwerke. Erhöhte Strahlenwerte sind sofort erkennbar und alarmieren automatisch das ENSI. Die Messsonden registrierten im vergangenen Jahr keine unerlaubten Abgaben radioaktiver Stoffe. „Der Schutz vor Strahlung war für die Bevölkerung und die strahlenexponierten Personen in den Kernanlagen somit zu jeder Zeit gewährleistet“, hält Piller fest.